Aber mal was anderes...
Ich inspiziere gerne Sperrmüll. Finde hie und da was, was ich meine, mir einverleiben zu müssen, meist Nützliches.
Und neulich fand ich eine alte Kiste. Wie das neudeutschenglisch jetzt so schön heisst, im Shabby-Chic. Altes Holz, alter angerosteter Riegel, wie man ihn jetzt nirgendwo mehr bekommt. Nahm sie unter den Arm, an mein heimatloses Werkzeug denkend, das nun endlich eine Bleibe haben wird, und trug sie in meinen Bau.
Mein Staunen war groß, als ich dort den Deckel hob: Ein Name stand darin, sehr ordentlich in Schönschrift, ein französischer Zollstempel und eine Adresse mit Namen: Henry. Fransössiessch, also 'Enrie. Rue de la Gare. Ortsname. France.
Und dass die Kiste nach Allemagne soll, zu André auf der Breiten Straße in Witten.
Ich dachte an den letzten Krieg, an französische Zwangsarbeiter, an einen Gruß aus der Heimat für den Bruder im kalten Land, an ... aber es kann auch ganz anders gewesen sein.
Und fragte mich: Warum entreisst die Zeit manche Dinge vom Müllhaufen der Geschichte? Ich warf einen kleinen Blick auf zwei Existenzen, deren Namen jetzt wohl schon längst zwischen das Mahlwerk der Schredderer gelandet wären, und niemand hätte mehr etwas von ihnen gewusst.
Jetzt weiss ich, es gab sie, und sie standen in Beziehung.
Was hat dieses Ding in meine Hände gelegt und warum? Hat es sich jemanden gesucht, von dem es annahm, dort wäre die Erinnerung noch ein Weilchen sicher?
Was mache ich nun mit diesen fremden Namen? Sie sind jetzt in meinen Kopf und ich werde sie weiter durch die Welt tragen.
Sie bitten um Aufschub, sie haben noch eine Rechnung offen. Vielleicht ist auch ihre Liebe nicht erloschen und begraben, wie sie.