Der Ich-Simulator
Das Gehirn hat sich evulotionär entwickelt, um eine immer bessere Orientierung in der Welt zu gewährleisten. Ein Bild von sich selber, von seinem Körper, seiner Lebensgeschichte, seinen genetischen und kulturellen Voraussetzungen, zu einem "Ich" zusammenfasst, erleichtert das Zurechtfinden in der Umgebung.Das Gehirn ist ein informationsverarbeitendes System. Sämtliche Wahrnehmungen- auch die inneren emotionalen Zustände- werden zu einer Repräsentation der Welt zusammengefügt, die in sich möglichst geschlossen und logisch konsistent ist. Dazu gehört auch die Selbstwahrnehmung des Körpers. Das Gehirn macht sich ein Modell des Körpers, das dessen Bedürfnissen angepasst ist.
Es kommt aber nicht darauf an, dass das geistige Modell völlig mit der äußeren Realität übereinstimmt, entscheidend ist, dass es ein sinnvolles Reagieren erlaubt. Das Gehirn entwirft eine Selbstpräsentation der eigenen Person in Abgrenzung von Mitmenschen und Umwelt. Diese Modellbildung ist so effektiv, dass wir sie nicht wahrnehmen. Der Organismus hält sein Selbstmodell für Wirklichkeit, wodurch es erst richtig wirksam wird.
Eine Störung der Selbstmodellierungsfunktion hat allerdings verheerende Folgen. z.B. multiple Persönlichkeiten entwickeln statt eines Selbstbildes mehrere davon, und Schizophrene haben offenbar die Fähigkeit zur mentalen Konstruktion eines kohärenten Selbst verloren, und damit die Möglichkeit zum sinnvollen Interagieren mit der Umwelt.
Man kann nicht zwischen Körper und Selbstmodell im bewussten Leben unterscheiden, man kann nicht von "meinem" Modell sprechen, denn man ist eine Ganzheit, die aus dem Körper und dem Inhalt des von ihm in diesen Moment erzeugten Selbstmodell entsteht.
Wir können der Illusion, jemand zu sein, nicht entkommen. Ein Teil des Selbstmodells ist völlig unbewusst. Der bewusste Teilhat eine bestimmte Funktion und macht sie so für das eigene Handeln verfügbar.
Der Flugsimulator ist ein Gerät, an dem zukünftige Piloten ausgebildet werden. Sie sitzen also in einem abgeschlossenen, dunklen Raum, der das Flugzeug darstellen soll. In ihm befindet sich noch ein Computer, der sozusagen den Blick aus dem Fenster und damit die äußere Handlung hervorruft. Dieses Bild wird als 3-D präsentiert. Der Pilot soll das Gefühl erhalten 10 Meter weit, anstatt nur auf einen wenige Zentimeter entfernten Bildschirm, zu sehen. Der Computer erzeugt nun die visuelle Simulation der Außenwelt, welche ständig und in Abhängigkeit von den Handlungen des Piloten aktualisiert wird. Dazu kommen jetzt noch Bewegungen des Flugsimulators, die dieser erzeugten Außenwelt angepasst sind. Es wird bezweckt, dass die Empfindungen und Reaktionen des Piloten möglichst dem reellen Flugerlebnis entsprechen.
Man kann der Meinung sein, dass die für einen Menschen reale Welt nichts anderes als eine vom Gehirn für ihn erzeugte Simulation ist.
Das Beispiel des Flugsimulator zeigt einem Piloten, der sich anhand des Computers in der Simulationskammer orientiert. Der Pilot kann nur mit seiner Hilfe die simulierte äußere Welt erkennen und bewältigen , gleichzeitig aber auch völlig über ihn bestimmen, ihn also zum Beispiel auch ein- und ausschalten. Der Computer dient ihm hier als mentales Selbstmodell.
Im Sinne vom Gehirn wird der Pilot zum mentalen Selbstmodell, aber so geschickt simuliert, dass der Pilot nicht merkt , benutzt zu werden, eingeschaltet und ausgeschaltet zu werden, wann immer das Gehirn eine Orientierungshilfe benötigt.
Die Simulationen sind so vielfältig, dass kaum noch Realitäten erkennbar sind. Ist der Schmerz, den ein beinamputierter Mensch in seinem fehlenden Glied spürt Realität oder Simulation? Welche Persönlichkeit eines Schizophrenen ist Wahr und welche Wahn?
Mit der Aktivierung eines Selbstmodells innerhalb eines Repräsentationsraumes wird der Raum um die "Dimensionen" Ich und Welt, Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit erweitert - sein Auflösungsvermögen steigt an. Es gibt innere und äußere Zustände. Gleichzeitig entsteht so das Leib-Seele-Problem. Der Raum wird differenziert in "die Welt" und in "meinen Körper"; die Zeit zerfällt in ein "Jetzt" und in Vergangenheit (alle gespeicherten Weltmodelle des Systems) oder Zukunft (komplexe mentale Simulationen mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten).
Wie sind eure Gedanken zum Thema “Ich-Simulator”?
Ist das Ich eine besondere Art von Illusion?