Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Vegetarier/Veganer
1236 Mitglieder
zum Thema
Fleisch essen mit gutem Gewissen359
Das geht vielen von uns etwas an. Diese Dokumentation hat mir…
zum Thema
Weniger Fleisch essen - aber wie alltagstauglich umsetzen?749
Wir wir alle inzwischen wissen ist eine Ernährung die allzu…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Sokrates und Fleisch

@Kamaloka
Tiere sind Mitgeschöpfe, die leben und Wünsche haben, wie wir. Sie gehen auf derselben Erde und atmen dieselbe Luft. Sie verspüren Schmerzen und freuen sich ihrer Sinne - genau wie wir. Und insofern sind wir eine Familie. Ökonomie ist nicht nur ein Thema an den grossen Handelsplätzen der Welt, sondern auch auf dem eigenen Teller.

Diesen Gedanken kann ich 100%ig unterstützen.

Die ganze Problematik ist aber sehr tiefschichtig. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, unsere Erde ist nachweislich nur in der Lage, ca. 3 bis 4 Milliarden Menschen ohne brutale Eingriffe in die Ökologie zu ernähren.

Schauen wir uns die heutige Agrarwirtschaft weltweit an:
"Gift mit erheblichen Nachwirkungen, egal wo man hinschaut."

Das Ziel lautet überall:
"Gewinnmaximierung durch Ausbeutung der Resourcen, was danach kommt ist unwichtig, es werden wohl in der Zukunft Möglichkeiten gefunden werden, das Schlimmste zu verhüten."

Kommen wir nun zur "Krone der Schöpfung". Was sind seine hervorstechenden Merkmale und Eigenschaften:
"edel, treu und gut?"

"Mißgunst, Neid und Hinterhältigkeit" sind die wesentlichen Triebkräfte der Menschen und sie sind sich selbst der grösste Feind. Fortschritte in Menschlichkeit???? Da muss ich lachen!

Aus Dreizehnlinden, Lehrsprüche des Priors von Weber

"Wissen heißt die Welt verstehen;
Wissen lehrt verrauschter Zeiten
Und der Stunde, die da flattert,
Wunderliche Zeichen deuten.

Und da sich die neuen Tage
Aus dem Schutt der alten bauen,
Kann ein ungetrübtes Auge
Rückwärts blickend vorwärts schauen.

Denn solange Haß und Liebe,
Furcht und Gier auf Erden schalten,
Werden sich der Menschheit Lose
Ähnlich oder gleich gestalten.

Menschen sind die Menschenkinder
Aller Zeiten, aller Zonen,
Ob sie unter Birkenbüschen,
Ob sie unter Palmen wohnen;

Ob sie vor dem Christengotte,
Ob vor Wodan sie sich bücken,
Ob sie sich in Lumpen bergen
Oder sich mit Purpur schmücken.

Vielfach sind die Wolkenbilder,
Die den Himmelsraum durchwallen,
Doch nur Dunst die leichten Flocken,
Doch nur Dampf die schweren Ballen.

Alle auf des Sturmes Straße
Fahren sie, die Luftgespinste:
Wolkenbilder, leere Dämpfe,
Menschenbilder, eitle Dünste!"


lg
sundown(er)
Ressourcen
Sundowner schrieb:

Die ganze Problematik ist aber sehr tiefschichtig. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, unsere Erde ist nachweislich nur in der Lage, ca. 3 bis 4 Milliarden Menschen ohne brutale Eingriffe in die Ökologie zu ernähren.

Schauen wir uns die heutige Agrarwirtschaft weltweit an:
"Gift mit erheblichen Nachwirkungen, egal wo man hinschaut."
-------------------------------------------------------------------------------------

Wer sagt, daß die Erde nur 3 bis 4 Millarden Menschen ernähren kann? GentecKonzerne ala Monsanto?

Die Erde kann ohne Ende produzieren, gerade auch dann, wenn
die Menschen die auf ihr wandeln ein erweitertes Bewusstsein haben und dies fängt bei jedem Einzelnen an. Verantwortung an die
Politiker, Agrabonzen, BASF etc. abzugeben löst nicht das Problem.
Die Menschen müssen sich nur ihrer Macht als Verbraucher bewusst
werden und innerhalb von kurzer Zeit wird sich ein Wandel vollziehen.
Auch die Erde ist ein Wesen und sie reagiert entsprechend wenn
die Menschen behutsamer mit ihr umgehen, dann kann sie auch
für 10 Millarden Menschen geben, daran habe ich keinen Zweifel.

Wer braucht Pestizide, Isektizide, Fungizide usw. wenn ökologischer Landbau betrieben wird?
Warum Getreide an das Vieh verfüttern, wenn es auch direkt gegessen werden kann?

Gerade jetzt ist es an der Zeit Paradigmen zu verändern und die Trägheit zu überwinden. Das alte Programm haben schon sehr viele
durchschaut und mehr und mehr werden es durchschauen.

Es liegt an uns selbst. In einem Seminar, daß ich in Indien über Persönlichkeitsentwicklung besucht habe, stellte der Leiter zum Schluß die rethorische Frage: Do you want to be Gandhi - or Gandhis neighbour?
@kamaloka
Du hast mich offensichtlich völlig missverstanden.

Unter Berücksichtigung eines ökologischen Anbaus kann die Welt 3-4 Milliarden Menschen ernähren. Ab spätestens 4 Milliarden ist eine ekzessive Nutzung, die auf Kosten der Ökologie geht, erforderlich.

Ich selbst bin strikter Gegener von Pestiziden und sonstigen chemischen Keulen. Es gibt genügend natürliche Abwehrmittel, welche die Natur selbst herstellt. Dort wo die Natur uneingeschränkten Einfluss ausübt, sind die Ökosysteme ausgewogen.

Bangladesch z.B.
früher:
Ochsenfrösche sorgten für ein ausgeglichenes Verhältnis von Natur und Insekten. Nachdem die Ochsenfrösche fast ausgerottet wurden (Schenkel wurden für "Feinschmecker" weltweit benötigt) sind die chemischen Keulen im Einsatz mit all ihren Folgen für die Ernährungskette (vor allem bei stillenden Müttern).

Dort wo der Mensch hinkommt, vernichtet er die Vielfalt der Natur und beutet sie gnadenlos aus und das muss zuerst gestoppt werden.

lg
sundown(er)
wer
sagt das und wer kann es ermessen?:

Sundowner schrieb:
Unter Berücksichtigung eines ökologischen Anbaus kann die Welt 3-4 Milliarden Menschen ernähren. Ab spätestens 4 Milliarden ist eine ekzessive Nutzung, die auf Kosten der Ökologie geht, erforderlich.
-------------------------------------------------------------------------------------

ich denke nicht, daß ich Dich falsch verstanden habe... ich habe einfach nur ein bischen ausgeholt, was nicht heisst, daß ich explizit
Dich meinte
@kamaloka
Über sogenannte Ernährungswerttabellen (ich hoffe, es ist der richtige Bgriff) ist bekannt, wieviel Nahrungsmittel der verschiedensten Arten eine bestimmte Anzahl von Menschen benötigt, um ein auskömmliches Leben zu führen.

Setzt man die auf der Welt vorhandenen Anbauflächen mit den möglichen Erträgen ins entsprechende Verhältnis dazu, erhält man die Menschenanzahl, die ernährt werden kann (mit entsprechender Unter-/ bzw. Überdeckung).

Will man nun die vorhandenen Flächen besser "nutzen", da z.B. die Bevölkerung auf 7, 10, ja 15 Milliarden Menschen explodieren wird, muß immer mehr Chemie reingepumpt werden, um die Erträge zu verbessern. Ein weiterer Negativfaktor ist das Verhalten der "zivilisierten Welt". Sie verbraucht ein vielfaches an Ressourcen und lebt schlicht auf Pump gegenüber den kommenden Generationen.

In Deutschland galt vor nicht allzu langer Zeit noch das Anbauprinzip:
1. Jahr Früchte über dem Boden (z.B. Getreide), 2. Jahr Früchte im Boden (z.B. Kartoffeln, Rüben, etc.), 3. Jahr bleibt das Feld brachliegen zwecks Regenerierung.

In Afrika und Lateinamerika galt in vielen Zonen das 3-Ebenen-Anbauprinzip. Unter hohen Bäumen (z.B. Palmen) wurde mittelhohe Pflanzen gesät und darunter wiederum wuchsen bodennahe Lebensmittel. Heute ist dieses herrvorragende Öko-Prinzip zum grössten Teil vernichtet. Monokulturen beherrschen die Welt und mit ihnen stirbt nicht nur die Fauna, sondern auch mehr und mehr die Flora.

lg
sundown(er)
.... aber
Vegetarismus löst das Problem nicht
@kamaloka
Auch die Erde ist ein Wesen und sie reagiert entsprechend wenn
die Menschen behutsamer mit ihr umgehen, dann kann sie auch
für 10 Millarden Menschen geben, daran habe ich keinen Zweifel./quote]

Das kann die Erde leider nicht.

Grosse Teile der Erde werden für die Klimaerhaltung und Sauerstoffproduktion benötigt (z.B. Urwälder in den verschiedensten Regionen der Erde), die Ozeane sind zum grössten Teil Wasserwüsten und können keinen Beitrag zur Ernährung leisten, Wüsten und wüstenähnliche Landstriche sowie Steppen und steppenähnliche Gebiete nehmen auch einen grossen Teil der Erdoberfläche in Anspruch. Der wirklich für Anbauflächen geeingnete Teil kann nun mal nur maximal 4 Milliarden Menschen unter ökologischen Voraussetzungen ernähren.

Lg
sundown(er)
Sundowner
schrieb:
Vegetarismus löst das Problem nicht
-----------------------------------------------------------------------

da frage ich mich, ob Du den Eingangsthread gelesen hast?

Ja gerade dies wäre ja ein Meilenschritt in Richtung Versorgung für alle, ist das trotz der eindeutigen Fakten so schwierig zu sehen?

Darüberhinaus:

Anbauflächen für Genußmittel: Kaffee, Kakao, Tabak, Mohn, Koka, Cannabis, Weinfelder (Wein), Getreide (Schnaps),
Futter für Haustiere etc. pp.

Was wird da verschwendet, was nicht wirklich wichtig ist....

Wie gesagt, es fängt beim eigenen Teller an.

Übrigens die Meere sind nicht tot..... da schwimmen Algen en masse
und man kann sie zum Teil sehr gut essen, sehr viel Protein

Hast Du eigentlich schonmal davon gehört, daß in den Industrieländern massenhaft Lebensmittel vernichtet werden?

Ich würde gern ausführlicher schreiben, aus Zeitnot nur in Stichworten zum Nachdenken
@kamaloka
Übrigens die Meere sind nicht tot..... da schwimmen Algen en masse
und man kann sie zum Teil sehr gut essen, sehr viel Protein

Hast Du eigentlich schonmal davon gehört, daß in den Industrieländern massenhaft Lebensmittel vernichtet werden?

zu den Meeren.
Befrage Fachleute z.B. von Greenpeace und Du wirst sehr erstaunt sein, der grösste bzw. ein riesiger Teil der Meere ist nichts als Wasserwüste ohne nutzbare Fauna und Flora.

Die Lebensmittelvernichtungen in den Industrieländern zwecks Erhaltung der Marktpreise ist eines der grössten Verbrechen unseres ach so "zivilisierten" Kulturkreises. Aber wir toppen das noch. In Kenia werden auf den Wochenmärkten Hühner aus der EU angeboten, die durch die Subventionierung dort billiger sind, als heimisches Geflügel.

Für mich abschliessend zu Deinem Vorschlag, Umwandlung aller Anbauflächen in ?????? was denn nun???? was soll denn Deiner Meinung nach nur angebaut werden????.

Lg
sundown(er)
*********er_nw Mann
47 Beiträge
Vielen Dank kamaloka für den einladenden Beitrag.
Der ganze thread liest sich trotz Meinungsdifferenzen sehr angenehm!

Persönlich nehme ich Abstand davon, mit den Meinungen von vermeintlichen Fachleuten oder vermeintlichen Meinungen von Fachleuten meinen eigenen Standpunkt zu untermauern.

Einige Punkte der Eröffnung waren da für mich nicht schlüssig, und ich wollte mich gestern schon daran zu schaffen machen.
Aber eigentlich filtere ich aus philosophischer Sicht ein spannendes Thema heraus.
Nämlich den Umgang mit der eigenen Kultur.
Wie verhalte ich mich, wenn sich innerhalb meiner eigenen Kultivierung ein Fragezeichen auftut? Wandlung gegen die eigene Kultur oder Kulturanpassung?

Und dafür ist das Thema Vegetarismus sehr geeignet, denn zum einen werden wir zum Fleischessen konditioniert, zum anderen haben wir die Möglichkeit, einer damit verbundenen Weltanschauung durch das eigene Handeln zu widersprechen und uns fleischlos zu ernähren.

Deine Weltanschauung eckt wahrscheinlich in unserer Kultur schnell an, denn kaum ein Produkt wird ohne direkte oder indirekte Gewaltanwendung gegen Lebewesen hergestellt worden sein. Oder hast Du einen Mittelsweg gefunden?

Es ist mit großem Respekt zu betrachten, wenn jemand in der Konsequenz sein Leben entsprechend umstellt. Also Hut ab kamaloka!


Wem übertragen wir aber nun die kosmopolitische Verantwortung für eine kulturelle Wandlung?
Solange der Vegetarismus eine zusagende Ernährungsweise und alternative Lebensweise ist, wird dies von mir nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch vorbehaltlos respektiert. Hierzu gehört aus meiner Sicht nämlich eine gehörige Portion Rückgrat und Selbstbewustsein und das kann nur als positiv gesehen werden. Hieraus kann selbstverständlich eine sehr ernsthafte philosophische Suche nach der Wahrheit entstehen.

Wenn das aber als Glaubensdoktrin und Massstab auch für andere Menschen gelten soll, wird daraus ein weltanschauliches Konzept und Sendungsbewusstsein. Damit ist es kein philosophisches Thema mehr, es geht mehr in Richtung theologische Doktrin.

lg
sundown(er)
*****har Paar
41.020 Beiträge
Vielleicht ...
... ein kurzer Einwurf:

Der tibetische Buddhismus ist eine durch und durch vegetarische Lebensphilosophie oder Weltanschauung. Sein Oberhaupt, Dalai Lama genannt, isst auf Anraten seiner Ärzte dennoch hin und wieder Fleisch.

*

Ich denke, es geht vordergründig erstmal gar nicht darum, dass alle zu Vegetariern oder gar Veganern werden. Es würde schin sehr viel helfen, würden wir alle unseren Konsum an Wurst und Fleisch drastisch reduzieren.

In meiner Jugendzeit gab es Wurst und Fleisch ausschließlich sonntags, sozusagen als etwas Besonderes. Würden wir dahin zurückkehren, wären wir doch schon mal auf einem guten Weg. Meinst Ihr nicht auch?

Aus etwas ein Evangelium zu machen, dürfte immer mit einer gewissen Skepsis zu sehen sein, auch wenn es an sich eine gute Sache ist. Der Menschheit ist es bisher stets gelungen, aus den besten Ideen und Ansätzen verquere Religionen und unfähige Staatssystem zu machen - aus einem gewissen Fanatismus heraus.

Un es wäre überaus bedauerlich, würde der großartige Ansatz der vegetarischen Ernährung (der ja letztendlich in der Steigerung hin zur Lichtnahrung gipfelt, die bereits von ca. 10.000 Menschen praktiziert werden soll) durch doktrinhafte Forderungen Angst und Abwehr bei vielen auslösen und letztendlich Schiffbruch erleiden.

So bin ich z. B. Vegetarier, ohne daraus eine Religion zu machen. Und wenn's irgendwo mal Fleisch gibt und es die Gastgeber beleidigen könnte, wenn ich nicht davon koste, dann esse ich eben auch mal ein winziges Stück Fleisch.

*

Viele spirituell orientierte Naturvölker essen Fleisch. Aber sie bedanken sich dafür und segnen die getöteten Tiere. Und sie achten möglichst darauf, nur alte und kranke Tiere zu töten. Wir in unserer ach so zivilisierten Gesellschaft finden das Fleisch von Tierbabys (Kälber, Lämmer, Ferkel ...) ja auch noch besonders lecker ...

Entsetzlich, kann ich da nur sagen!

(Der Antaghar)
Entsetzlich, kann ich da nur sagen!

(Der Antaghar)

Für uns ist das noch mehr, es ist die Pervertierung von Nahrungsmitteln schlechthin. Wir sind keine Vegetarier und essen gerne Fleisch und Fisch, aber nur aus Quellen, die wir genau kennen.

lg
sundown(er)
@sundowner
es gibt sicher einige Meeresbereiche, vorallem solche in Küstennähe die völlig überladen sind mit Nährstoffen und dann wie tot sind,
aber im Großen und Ganzen gibt es noch reichlich lebendes Meer.
Immerhin gibt es mehr Meer als Land.

Die Anbauflächen von Genussmitteln habe ich erwähnt, weil sie einen
nicht unerheblichen Anteil an wichtigem Ackerland für im Grunde
unwichtigen Luxus in Anspruch nehmen.
Wenn es dann wirklich zu eng hier werden sollte, wie Du zwar immer wieder behauptest, aber nie wirklich belegt hast, dann könnte
man diese Flächen ja umfunktionieren und darauf Nahrung für alle
produzieren.
Aber ich würde sagen, fangen wir beim Fleisch an. Ganz vergessen wurde bisher zu erwähnen die ungeheuer großen Flächen die die Tiere schon allein beanspruchen, die einfach nur darauf warten größer zu werden und auf unserem Teller zu landen.

Für mich ist der Bereich erledigt, ich habe alles dazu gesagt, bzw.
habe keine Lust dafür extra zu recherchieren, dann würde ich Seiten füllen können mit Fakten die eine eindeutige Sprache sprechen.
@aestethiker
schrieb:

Wem übertragen wir aber nun die kosmopolitische Verantwortung für eine kulturelle Wandlung?

-----------------------------------------------------------------------------------

Der Macht unseres eigenen Konsums.

Zum Mittelweg... ja es ist unübersehbar, daß unsere Nahrungsversorgung irgendjemanden verletzt und tötet.

Ich gehe den Weg des geringsten Übels....

Kultur und Moral einer Gesellschaft sind wandelbar und sie muß wandelbar sein, will sie denn weiter existieren.
Warum nicht eine Kultur des Mitgefühls etablieren?
Wir Indivudalisten haben es in der Hand - yes we can!

Ich danke allen die lobende und anerkennde Worte gefunden haben,
es war meine bescheidene Absicht etwas Bewusstsein für das
Leid der Tiere und unserer Mitmenschen zu wecken, die durch unser
Genußverhalten leiden müssen.
Einen religiösen Anspruch hat es nicht gehabt, einfach nur einen zutiefst menschlichen und transmoralischen.

Ich möchte meine Beiträge mit einem Satz von Kabir, einem indischen
Dichter des Mittelalters schliessen und entziehe mich der Diskussion
hiermit, weil ich denke es ist alles gesagt. Gern per CM, wenn gewünscht.

wie sehr spricht mir dies aus der Seele:

"Wir fühlen das einen Geist gibt, der die Vögel liebt und die Tiere
und die Ameisen,
vielleicht ist es derselbe, der Dir im Leib der Mutter Glanz verlieh.
Wer würde glauben, dass du nun als Waise einsam lebtest?
In Wahrheit hast du selbst dich abgewandt
und beschlossen, allein in die Nacht zu gehen."

Alles Liebe
@kamaloka
Du bestätigst ja meine Vermutung sehr deutlich, daß Dein Standpunkt ausschliesslich theologischen Charakter hat und somit nur dem Bekehrungsauftrag und nicht der Wahrheitsfindung dient, denn

in der Theologie ist nur das "Heilige" wahr,
der Philosophie ist jedoch das "Wahre" heilig.


In diesem Sinne

lg
sundown(er)
********2_by Mann
1.813 Beiträge
Nach der Lektüre einiger Hundert Vegetarier-Websites möchte Bodo Michael Baumunk nur noch eines: Suprême de poulet de Bresse farci à la julienne de légumes sauce au Gamay du Bugey

von Michael Baumunk

"Die Herkunft des deutschen Geistes - aus betrübten Eingeweiden" Friedrich Nietzsche

Wenn 70 Menschen an einer Lebensmittelvergiftung erkranken, ist dies kein Grund zur Schadenfreude - allerdings auch kaum eine Sensation. Wenn es sich, wie im Juli geschehen, um Teilnehmer des 7. Europäischen Vegetarierkongresses handelt, in dessen Tagungsbeiträgen vermutlich "gesunde Ernährung" in jedem dritten Satz auftauchte, lohnt sich indes das genaue Hinsehen, was den Teilnehmern den Appetit verschlagen hat.

"Was der Koch eigentlich hätte wissen sollen", berichtet AP, "rohe Bohnenkerne, vor allem rote und schwarze, aber auch grüne, weisen den giftigen Inhaltsstoff Phasin auf, der erst beim Kochen zerstört wird. Er kann beim Menschen Übelkeit und Schwindel auslösen sowie Erbrechen, kolikartige Durchfälle, Kreislaufkollapse und Herzprobleme. Bei den Opfern handelte es sich um strenge Vegetarier, selbst die Milch war durch Sojamilch ersetzt." Schmerzlich, so darf man folgern, mußten die ernährungsbewußten Kongreßteilnehmer eine Erfahrung machen, die bereits ihren prähistorischen, an giftigen Waldbeeren naschenden und dabei womöglich vom Säbelzahntiger überraschten Vorfahren geläufig war: Gerade die natürlichste Natur birgt die meisten Gefahren.

Versuchen Sie mal, Ende der neunziger Jahre zwanzig Leute zum Diner zu bitten. Die Hälfte hat Allergien gegen irgendwas, die nächsten essen keine Innereien, die anderen keinen Fisch, die mitgeführten Kinder mögen überhaupt nichts. Und ein paar Vegetarier sind immer dabei. Ein paar? Vor wenigen Jahren noch waren sie umhegte, willkommene Exoten, denen Fürsorge und Erfindungsreichtum des Koches zuteil wurden.

Ratlosigkeit breitet sich indes aus, wenn selbst Ricotta-gefüllte Maultaschen und Omelettes auf die langzähnige Ablehnung jener wachsenden Zahl von Totalverweigerern trifft, die überhaupt keine tierischen Produkte, also weder Milch noch Käse, noch Eier zu sich nehmen. Von den Anstrengungen, Kreuzberger Alternativ-Köter auf vegetarisches Chappi umzuerziehen, hat man gehört, was aber spendet die veganische Still-Mutter ihrem zeternden Säugling? Muttermilch kann es nicht sein, denn die enthält alles, was der "ernährungswissenschaftlich" munitionierte Vegetarier verabscheut: viel Zucker, viel Fett und alles noch mensch-tierischer Herkunft.

Kein Fleisch zu essen ist jedermanns Privatangelegenheit. Sollte man meinen und respektieren. Wäre Jedermann nicht in zunehmendem Maße Vegetarier. Die Flutkatastrophen, mit denen die ideologischen Grundströme in diesem Jahrhundert die Politik heimgesucht haben, sind gebannt, um so heftiger hat das Alltagsleben als benachbartes Überlaufgebiet unter dem offenbar ungebrochenen Furor vieler Leute zu leiden, die weder Kleidung noch Fortbewegung, nicht Wohnen noch Ernährung, nicht die Erziehung der Kinder noch das Zusammenleben der Geschlechter von ihren strengen Sittengesetzen unbehelligt lassen wollen.

An der T?te marschieren die Vegetarier. Sie machen mittlerweile heftige Ausfallschritte, zum Beispiel die Berlin-Brandenburgische Vegetarier-Initiative, wie sich die Spielverderber-Truppe nannte, die vor ein paar Monaten den Kunden des Berliner Winterfeldt-Marktes auflauerte. Fleischesser sind aggressiv - sagt die Vegetarier-Propaganda. Vegetarier kennzeichnet ihre mümmelnde Moral, sagt die eigene Wahrnehmung. Längst hat der Vegetarismus seine traditionellen Nischen verlassen und Heimstatt in den letzten Lückenbereichen eines geschlossen fortschrittlichen Weltbildes gefunden. Wer überzeugt ist, daß Intelligenz nicht vererbbar ist, die Nato aufgelöst gehört, Vätern kein Sorgerecht für ihre Kinder zusteht, Saddam Hussein ein Antiimperialist ist und es sich bei der "Gleichstellungsbeauftragten" sowie dem "Referat für gleichgeschlechtliche Lebensfragen" um arbeitende Behörden handelt, wer die Selbstmorde von Stammheim bezweifelt, aber an die Existenz von Elektro-Smog glaubt, wird es sich beim "Bleiberecht für alle"-Fest mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der veganischen Volxküche schmecken lassen.

Vegetarismus in unseren Breiten scheint - wie der Tierschutz, der interessanterweise auch im menschenmassenmörderischen Dritten Reich gesetzgeberische Aufmerksamkeit gefunden hat - vor allem eine nordeuropäische Angelegenheit zu sein. Oder hat schon einmal jemand von einem italienischen Vegetarier gehört? Dort, wo die späten Nebel drehn, in der Trübsal des Flachland-Dreiecks zwischen Flandern, Südschweden und Ostpolen mit der norddeutschen Tiefebene in der Mitten, wo der Gottlose zum Sprit und der Spirituelle nach dem Gottesreich greift und noch jeder religiöse Wahn Europas seinen Ausgangspunkt genommen hat, dort hat auch der Vegetarismus als weltanschauliches Programm seinen Ursprung.

Freilich, halb aus touristischen, halb aus missionarischen Gründen, wird der Vegetarier mittlerweile für die Verkündigung seiner Frohbotschaft sprachlich aufgerüstet: Die Internationale Vegetarier-Union stellt ihren Anhängern die wichtigsten Redewendungen, mit denen er sich durch die fleischlose Welt bewegt, in mehreren Dutzend Sprachen zur Verfügung, von Armenisch bis Suaheli. Io amo gli animali, percio' non li mangio ("Ich liebe Tiere - also esse ich sie nicht!") wird der Vegoteutone dem verdutzten italienischen Oberkellner entgegenschleudern, der ihm mit bistecca fiorentina unter die Augen zu treten wagt. Mam rada zvirata ("Ich mag Tiere gern") bekommt die böhmische Wirtin zu hören, die dem Gast sodann vermutlich ratlos ihren Wellensittich vorzeigen wird, nachdem sie mit ihrem Schweinsbraten wieder abziehen mußte. Auf das gesittungsstolze Ez dut esernik edaten ("Ich trinke keine Milch") darf der Baske die hochmütige Verweigerin für den unerlösten Fall eines Kindheitstraumas halten ("Nein, meine Suppe eß' ich nicht"), wenn nicht gar ihr dunkles Geraune für das Codewort einer Eta-Kurierin - ein Verschwisterungsverdacht für lebensreformerische und politische Fanatismen ist nie verkehrt.

Wird der Ostfriese im heimischen Idiom mit der bangen Frage Wilket Eten kann ik hier eten? konfrontiert, wird ihm, wenn sein Sauerfleisch mit Flaschbier zurückgewiesen wird, nur der Verweis auf den nahrhaften Grasbewuchs der nahen Deichwiesen einfallen. Übrigens handelt es sich um "eine offiziell anerkannte Minderheitensprache", und in einem einfachen Satz mit dem Tierschutz gleich noch den Minderheitenschutz aufs Panier schreiben zu können, dürfte den Gipfelpunkt sprachlicher Korrektheitsverdichtung darstellen - mit dem einfachen "Herr Ober, die Speisekarte bitte" wäre das nicht zu haben.

Warum aber findet sich der Satz "Ich esse nichts, das mit tierischem Fett zubereitet wurde" (Eu n‹o como nada preparado com gordura animal, bacon ou banha) nur auf portugiesisch? Ein brasilianischer Kollege weiß Rat: In seiner Heimat bekommen vegetarische Touristen, in Rio auf der Suche nach lateinischer Vitalität unterwegs, ihren Grünkram mit Speck vorgesetzt - das sei doch kein Fleisch, versucht sich mancher dortige Gastronom in Unkenntnis der kristallinen Prinzipientreue ideologischer NordmännInnen herauszureden. Leider, mag sich die naturbelassene Studienrätin aus Osterholz-Scharmbeck mit mißtrauischem Seitenblick auf ihren in dieser Hinsicht noch ungefestigten Gatten sagen, läßt sich der wogende Inhalt der Karnevalskostüme noch nicht durch Tofu ersetzen.

Allen Minderheiten, ob bedroht oder nicht, ist ein Portefeuille berühmter Persönlichkeiten, die ihr angehörten, zur Hand - als könnte man zum Beispiel nicht frohen Herzens schwul sein, ohne vorher die Sixtinische Kapelle ausgemalt zu haben. Die Vegetarier-Liste ist natürlich beeindruckend: Albert Schweitzer! Franz Kafka! Gandhi! George Bernard Shaw! Tolstoi! Albert Einstein! Überflüssig zu erwähnen, daß es sich um Leute handelt, die den Vegetarier-Anspruch generell größerer Friedfertigkeit bestätigen. Aber fehlt da nicht noch jemand? Jesus Christus ist leider nicht zu haben: Wer den Verzehr seines eigen Leib und Blut zum religiösen Gemeinschaftserlebnis macht, scheidet als Schutzpatron der Pflanzenkost aus. Adolf Hitler hingegen vermehrt noch jedes Namedropping der International Vegetarian Union: Wie alle Ideologen sehen sich auch Vegetarier zum beherzten Umschreiben der Geschichte genötigt, wo sie ihnen nicht ins Konzept paßt. Regelrechte historische Gutachten folgen, die dem Diktator heimlichen Weißwurstgenuß nachzuweisen trachten, obwohl sein vegetarischer Tick vom Kammerdiener bis zu den hungrig gebliebenen Tischgenossen seiner Tafelrunden dutzendfach belegt ist.

Ein Anonymus läßt die vegetarische Weltgemeinde über das World Wide Web ernsthaft wissen, die Sache mit Hitlers Vegetarismus sei eine Erfindung von Goebbels, der ihn dem "heiligen Mann Gandhi" ähnlich habe machen wollen.

Hitler nach dem Vorbild Gandhis - wo der pure Schwachsinn offenbar ein Geschichtsbild bestimmt, wollen wir einen quellenkundlichen Geheimtip nicht unterschlagen: Der "Führer" hat höchstpersönlich ein ernährungswissenschaftliches Kochbuch ("Mein Mampf") geschrieben, für seine Volksküchen, die damals "Winterhilfe" hießen und Erbsensuppe auftischten. Und Einstein? Das "brillante Fachgehirn", über dessen "Schwäche für Verallgemeinerungen" in allen übrigen Fragen Bertolt Brecht im amerikanischen Exil hinreichenden Anlaß zur Verwunderung hatte, bleibt auch als besonders dankbarer Spender von wohlklingenden Gemeinplätzen in Erinnerung - "Soldaten sind Mörder" ist das von Zitat-Marodeuren besonders hemmungslos ausgebeutete: Einem GI, der auf dem Weg zur Befreiung Europas war, wird Einstein es kaum nachgerufen haben.

"Wer einmal diesen Weg eingeschlagen hat und an sich erlebt, wie der bewußte Verzicht zum vielfachen Gewinn wird, kann sich der Faszination der Ziel-Annäherung nicht länger entziehen. Er ist auf dem Weg zum Frieden mit der Kreatur, auf dem Weg der Mitgeschöpflichkeit, auf dem Weg der Ehrfurcht vor dem Leben." Tatsächlich leitet die zitierte Verheißung eines Internet-Vegetariers zum zentralen Heilsversprechen in der säkularen Religion des Vegetariers über, daß er schließlich nicht nur länger, sondern ewig lebt. In Gestalt des gemordeten Schlachttieres, den Opferstätten der Schlachthöfe, verbannt er die Vorstellung des Todes als solchem aus seinem Lebenshorizont und vollzieht damit nur, was in Gestalt anonymer Hospitalisierung mit menschlichem Leiden und Sterben bereits geschehen ist.

Die gesamte Kulturgeschichte des Menschen, die ohne Jagd, Viehzucht, Fleischgenuß, Pelz und Leder nicht gedacht sein kann, wird nebenbei einer radikalen Individualisierung der Ethik unterworfen und nihilisiert. Der Vegetarier ist Nietzscheaner, Orientierungspunkt seiner Religion ist nicht Gott, sondern das Leben selbst - und zwar das menschliche, also seins. Mögen ganze viehzüchtende und pelztierjagende Völkerschaften dahingehen, der Armut und dem Alkoholismus anheimfallen - für den Vegetarier ist jeder Tag Erntedank seines überlegenen Wertesystems. Zusammen mit seinen Parallelphänomenen, Bio-Kost, Körper- und Schönheitskult, erscheint der rasante Aufstieg des Vegetariertums zeitgeistiger, als es seinen Anhängern vermutlich lieb ist.

Die radikalste Spielart des Vegetarismus, der Veganer, sagt nun, nachdem er die Fleischereien im Bremer Ostertor-Viertel zertrümmert hat und überlegt, wie er die Bio-Joghurt-Gläser aus dem Ökoladen herauskriegt, ohne ihn zur Gänze niederzubrennen: Jede kommerzielle Nutzung von Tieren, Milchprodukte, Eier und Leder ist Ausbeutung und Diebstahl. All diese Verarbeitungsindustrien sind so eng miteinander verbunden, daß der Vegetarier, der Milch trinkt und Eier ißt, sich mitschuldig macht, weil er Handtaschenproduktion und Broilerkonsum indirekt mitfördert und überdies durch den puren Genuß tierischen Eiweißes nicht nur "unrein", sondern auch rückfallgefährdet ist. Hier haben wir nun die paßgenaue antikapitalistische Moral im Zeichen der Globalisierung: Der Abscheu des Vegetariers vor Blut und Verwesung ist nichts als das Symptom jener Entkörperlichung, wie sie zugleich die Verbreitung des Cybersex und der allgemeinen Dematerialisierung von Leben und Arbeit kennzeichnet - früher produzierte der Kapitalismus Verelendung, nun Verengelung.

Nichts ist charakteristischer dafür als die bange Frage, die uns Vegetarier "Stephan" im Internet stellt: "Hat irgend jemand schon davon gehört, ob vegetarische Ernährung zu körperlichem Geruch führt?" Aber nein, lieber Stephan, davon ist nichts bekannt, und die Ausdünstungen Tausender von Kuhställen sagen noch gar nichts. Schon ernsthafter müssen wir uns auseinandersetzen mit "Björns" Anfrage nach Bezugsquellen "lederfreier Schuhe, die auch einigermaßen stabil und atmungsaktiv sind. Na ja und gut aussehen sollten sie natürlich auch." Dich, Björn, müssen wir leider bescheiden: Wenn dir deine Besohlungsmoral wirklich wichtig ist, so widerstehe dem Versucher in dir und trage Gummistiefel, auch wenn du darin Schweißfüße kriegst und wie ein Vegetarier aussiehst.

Ein solcher legt Zeugnis ab vom Scheitel bis zur Spreizzehe. Heuchelei bezeichnet den Dunstkreis der gesamten Vegetarismus-Diskussion - bei Freund wie Feind des Fleischgenusses. Tolstoi übersah bekanntermaßen geflissentlich, daß seine vegetarischen Gerichte mit Fleischbrühe zubereitet wurden, und seine Bauern, die das ganze Jahr kein Fleisch auf dem Speisezettel fanden, ohne diesen erzwungenen Verzicht freilich mit frommer Askese begründen zu dürfen, sahen eine ähnlich närrische Marotte darin wie in des Grafen Anstrengung, stümperhaft seine Stiefel selbst - wahrscheinlich "atmungsaktiv" - zu schustern.

Arthur Schopenhauer, der sich unter den Philosophen seiner Zeit sicher am vehementesten zum Anwalt gegen die Tiermißhandlung gemacht hat, scheut vor der Empfehlung des Vegetarismus zurück - wenn auch mit halsbrecherischen Argumenten: Leiden wachse mit dem Bewußtsein und da der Mensch nun einmal mehr davon besitze als das Tier, sei für den Menschen der Verzicht auf Fleisch eine weniger zumutbare Pein als die des Tieres, in ebensolches verwandelt zu werden. Auch könne jedenfalls der Mensch des Nordens durch Entbehrung der tierischen Nahrung "nicht einmal bestehen".

Der Vegetarier, zum Beispiel in Gestalt jenes wie alle seine Gesinnungsgenossen verhärmt aussehenden Doktor Seltsam, der uns als Sekretär der Canarischen Vegetarischen Gesellschaft vorgestellt wird, bemüht eine ganze Parade angesehener Naturhistoriker und vergleichender Anatomen von John Ray bis zu Linné, Buffon, Cuvier, Owen, Huxley und Darwin zum Nachweis, daß Gebiß und Verdauungstrakt des Menschen ihn "eigentlich" als Vegetarier ausweisen. Welch logisches Dilemma: Vegetarier essen "natürlich" - aber die "Natur" ißt überall Fleisch. Die Abkehr vom Fleischgenuß ist die "Zivilisationsleistung", wie sie dem ethikbefähigten Menschen im Gegensatz zur leider genetisch nicht umfrisierbaren Hyäne frommt - aber wieso hat der "natürliche" Rohköstler Mensch dann im Laufe des Zivilisationsprozesses immer mehr Fleisch gegessen? Wieso ist in der gesamten Menschheitsgeschichte auch nicht eine einzige rein fleischlose Kultur nachweisbar?

Man bemerkt schnell, in welche Aporien der Vegetarier mit seinen naturrechtlichen Anstrengungen gerät, wo jede kritische Sichtung des Naturbegriffes mittlerweile das Gegensatzpaar Natur-Zivilisation als solches in Frage stellt: "Die Kultur ist die wahre Natur des Menschen (...), nicht Unnatur, nicht Gegennatur, sondern Eigennatur unserer Spezies", schreibt der Biologe Hubert Markl. Wenn sich der Vegetarier darin am Ende evolutionistisch besser behauptet, dann nur deswegen, weil die weltweite Fleischproduktion irgendwann an ihrer eigenen Expansion zugrundegeht, aber sicher nicht vermöge eines Willensaktes der Vegetarier und schon gar nicht ihres im Pleistozän ausgebildeten Gebisses.

Vegetarier leben länger - mag schon sein. Allerdings leben auch Frauen länger als Männer, ohne daß zumindest der aufgeklärte Feminismus Frau-Sein als solches zur überlegeneren Lebensform erklärt würde. Woher aber bezieht der Vegetarier seine Gewißheiten? Richtig: aus den Statistiken der "Ernährungswissenschaft". Hier allerdings haben wir es mit einem der eigenartigsten Phänomene des gegenwärtigen Wissenschaftsbetriebes zu tun. Eine respektable universitäre Disziplin mit Lehrstühlen, Assistenten, Instituten und wahrscheinlich auch Studenten, deren Forschungsergebnisse freilich mit der Parapsychologie um die kürzeste Halbwertzeit ihrer Gültigkeit wetteifern.

Die "Ernährungswissenschaft" erreicht den Zeitungsleser in merkwürdigen Zyklen. Solche Meldungen vermehren sich in den Monaten Juli und August. Das Ungeheuer von Loch Ness hat sich nicht blicken lassen, der revitalisierte Passagier-Zeppelin wird nicht wieder gebaut, um zwei Saure-Gurken-Klassiker zu zitieren, da füllen sich die Rubriken "Vermischtes" mit Nachrichten, die ungefähr so beginnen: "Zu häufiger Genuß von Hechtklößchen in Champagnerrahm kann nach Ansicht von amerikanischen Ernährungswissenschaftlern schwere Magenverstimmungen hervorrufen. Rattenversuche haben bewiesen usf. usf.", "Die Deutsche Vereinigung für Ballaststoffe sowie der Bundesverband für linksdrehende Buttermilch warnen nach diesen beunruhigenden Erkenntnissen usf. usf."

Die "ernährungswissenschaftliche" Fabulierkunst, die Dürftigkeit ihres gesicherten Wissens bei zugleich maximaler öffentlicher Resonanz ist kein Wunder: Ein Großteil der Forschungsprojekte in der sogenannten "Ernährungswissenschaft" sind Auftragsarbeiten rivalisierender Nahrungsmittelindustrien, die ihre Ergebnisse als Produktaufdruck dem gläubigen Publikum bis ins Supermarktregal aufdrängt. Gäbe der Vatikan ein wohldotiertes Gutachten in Auftrag, ob es, wie im Neuen Testament beschrieben, möglich sei, mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen fünftausend Menschen zu ernähren, fände sich todsicher ein Ernährungswissenschaftliches Institut, welches dies nicht nur als problemlos, sondern unter diätischen Gesichtspunkten als geradezu vorbildlich bewiese. Denn die "mediterrane Kost" mit ihrer angeblichen Fett- und Fleischarmut genießt schließlich bei "Ernährungswissenschaftlern" eine stereotype Hochschätzung, die vermutlich auf den Pizza-Service des Hochschul-Campus zurückgeht und in der Detailkenntnis auch nicht darüber hinaus.

Wie der "niedere Blutdruck", der international mittlerweile als "German Disease" verhöhnt wird, weil es sich dabei nicht um eine Krankheit, sondern um ein sozialstaatliches Pseudo-Leiden zur Erringung von Kuraufenthalten und Zusatz-Ferien handelt, wird man die "Deutsche Lipidliga" analog zur "Deutschen Schmerzgesellschaft" weniger als medizinisches denn als kulturelles Symptom unserer nationalen Disposition zu Wehwehchen und evangelikalem Reinheitsgebot werten dürfen. Trösten wir uns: Außer im Falle klassischer Mangelkrankheiten wie Skorbut und Pelagra, die in unseren Breiten nicht vorkommen, gibt es bis heute keine Erkenntnis über den Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit, die so hieb- und stichfest wäre wie die über die Gefahren des Rauchens. Und die einzige Ernährungswissenschaft ist und bleibt die Kochkunst.

Wie sich der Bolschewismus nicht lange mit ein paar verbliebenen Monarchisten aufhielt, sondern seine Vernichtungsanstrengungen auf den konkurrierenden Sozialreformismus konzentrierte, so bekämpft der Tugend-Terror der Veganer-Tscheka nicht etwa den dekadenten Verzehr von foie gras und lebendpochierten Krebsen, Genüssen, die jenseits ihres Geschmackszellen- und Portemonnaievermögens liegen, auf unappetitlicher Tierquälerei beruhen und schweren Herzens gemieden werden sollten. Der eigentliche Feind sind die Alternativ-Schlachtereien, und man muß einräumen: Da haben die Vegetarier-Kampagnen leichtes Spiel. Unter dem Eindruck von BSE, den Greueln der Massentierhaltung und der enthemmten Verwendung von Medikamenten und Chemikalien sind Fleischereien und Lebensmittelindustrie in einen Erklärungsnotstand geraten, dessen schönfärberisches Bild vom eigenen Tun der Vegetarier-Liebesbotschaft in nichts nachsteht.

Bestes Beispiel sind die Informationsblättchen, die "Neuland"-Fleischereien für ihre gewissensgepeinigte Klientel bereithalten. Das Leben jenes Schweins, dessen zufriedenes Lächeln der Käufer noch im Kotelett auf dem Fleischertresen zu erkennen glaubt, scheint einem Rosamunde-Pilcher-Roman zu entstammen: Auf saftigen Wiesen großgezogen, mehr Auslauf als ein Großstadtkind, pestizidarm und garantiert vegetarisch ernährt, kann es den Tag kaum erwarten, an dem es mit erwartungsfrohem Grunzen dem abholenden, komfortabel ausgestatteten Viehkleintransporter entgegeneilt. Sein Ableben ist gleichsam der Kollateralschaden einer fröhlichen Kaffeefahrt ins Blaue. Man darf sich nichts vormachen: Die Schlachtung eines Schweins ist immer unangenehm, jedenfalls für das Schwein. Und ein "Deutscher Tierschutzpreis" für einen mustergültigen Schlachthof, wie unlängst zu lesen, ist blanker Zynismus.

Doch ist dies Weide-Land des Lächelns nur die Kehrseite jener glücklichen Kindergesichter, mit denen die vegetarische Erbauungsliteratur wirbt, und die vermutlich vor McDonald's-Filialen aufgenommen worden sind. Kinder bilden das gleichsam ikonische Moment der Vegetarier-Propaganda und den Kern ihrer Religion. Der kindliche Schock über das geschlachtete Lieblingskaninchen und die Henne, "der man jeden Tag die Eier stiehlt", ist der Schlüssel im Bekehrungsprozeß zum Vegetarismus. Daß dieses Schockerlebnis, besonders wenn es wie im Falle der BSE-Massenschlachtungen zu spektakulären Fernsehbildern verstärkt wird, eine Fleischverweigerung besonders bei Jugendlichen nach sich zieht, ist nichts Ungewöhnliches und normalerweise zeitlich begrenzt.

Pubertierende Mädchen, besonders dankbare Opfer der Vegetarier-Propaganda, erwählen bekanntlich auch ihr Pferd zum besten Freund in jenen Jahren, in denen sie nölend im Schlepptau ihrer entnervten Mütter auf dem Wochenmarkt unterwegs sind - "Wenn ich die Fleischberge hier sehe, krich ich echt die Krise" - "Nein, Liebling, ich verspreche dir, wir kaufen kein Fleisch". Nur - und auch hier erweist sich der Vegetarismus als zeitgemäß - daß die gesamtkulturell um sich greifende Infantilisierung nun auch die menschliche Ernährung mit der ethischen Verallgemeinerung kindlicher Unschuldsperpektive diktieren darf.

"Vielleicht wird man bereits in hundert Jahren mit ähnlichem Befremden auf Karnivoren zurückschauen, wie heute auf Kannibalen" - prophezeit der Schweizer Philosoph Jean-Claude Wolf, in seiner "Tierethik". Tatsächlich ist die Position des "Karnivoren" (Fleischfresser) bereits einem schleichenden Erosionsprozeß ausgesetzt, der demjenigen nicht unähnlich ist, dem sich die letzten Heiden der Spätantike ausgesetzt sahen. Während die "Ernährungswissenschaft" hinter ihren beeindruckenden chemischen Zahlenwerken von Fettwert und Brennwert sorgfältig verbirgt, wieviel sie in Wahrheit neben lebensreformerischem Hokuspokus mit paulinischer Lustfeindlichkeit zu tun hat, gerieren sich Vegetarier wie Märtyrer im Römischen Reich: als verfolgte Minderheit, die ihr Leiden an der Grausamkeit der Welt mit mildem Grienen erduldet, aber in der Hosentasche schon unruhig an der Streichholzschachtel für den Scheiterhaufen fingert - für den Fall, daß man bald Mehrheit ist.

Man lese die Schriften von Tertullianus, einem finsteren Ayatollah des Frühchristentums, der für dieses besorgte, was Vegetarier und ihresgleichen heute für die Glaubenskonformität jedes alltäglichen Lebensbereichs übernehmen - Heilsversprechen durch Verbote, damals des weiblichen Schmuckes, des Theaters, der männlichen Toga, der soldatischen Ehrenzeichen - und am Ende seines Werkes über die Zirkusspiele wahren SM-Delirien von in der Hölle schmorenden Heiden freien Lauf läßt. "Etwas Unerhörtes wäre Wollust ohne Gaumenlust; denn diese beiden sind so miteinander vereint und verwachsen, daß sie überhaupt nicht getrennt werden können", läßt uns Tertullian in seiner Schrift "Über das Fasten" wissen, und: "Ein abgemagerter Leib wird hoffentlich leichter durch die schmale Pforte des Heiles eingehen, schneller wird ein leichter Körper auferweckt werden".

Wie der Benediktiner-Möch, der nach solcher geistigen Speise sowie dem Genuß von Gänsebraten nebst einer Flasche Bordeaux möglicherweise schlecht geschlafen hat, sich nächsten Tages wieder guter Dinge zu Tisch setzte, langt auch der Autor, dem die Lektüre von einigen Hundert Vegetarier-Websites vorübergehend den Appetit auf Bresse-Hühnchen verschlagen hat, wieder tüchtig zu.

(aus : Wochenzeitung jungle World; Nr. 33 ; 18. August 1999 )

gruß
**********cker6 Mann
54 Beiträge
Als Vegetarier ist man heute wirklich kein Exot mehr
Das war zumindest in den frühen 80igern noch völlig anders. Da mußte man sich immer gewisse Fragen gefallen lassen und sich irgendwie rechtfertigen.
Und die Möglichkeiten sich vernünftig und ausreichend vielseitig zu ernähren sind im Vergleich zu damals heute auch ungleich besser. Eine Piza Vegetale oder Spinaci führt heute jeder Supermarkt. Aber auch gewisse "Rückschritte" gibt es: so ist mir aufgefallen daß das Sortiment an fleischlosen Fertigsalaten seit etwa einem Jahr geschrumpft ist...
Eigentlich ist ja gar nicht einzusehen, warum in jeden Nudelsalat ein Fleischanteil reingepackt werden muß. Aber das ist nun mal so - und deshalb bin ich nicht unglücklich, daß ich den Schritt vom strikten Vegetarier zurück zum partiellen Fleischkonsumenten schon vor Jahren geschafft habe. Das hat durchaus Überwindung gekostet und anfangs mußte ich mich dazu erstmal halbwegs betrinken!
Ich wollte einfach der herrschenden Lebensrealität gegenüber flexibler sein und unterwegs auch schon mal 'ne Frikadelle futtern können. Wobei ich ehrich gesagt auch heute noch dem Brötchen ohne alles in 95 Prozent der Fälle automatisch den Vorzug gebe...
Nur der gesättigte Mensch ...
... kann sich den Luxus leisten Vegetarier zu sein.

Wer hätte schon die "moralische" Grösse vor einem vollem Fleischtopf aus ethischen Gründen zu verhungern.

Philosophisch kann man fragen: Ab welcher Entwicklungsstufe hat das Leben eine Seele, die es zu würdigen gilt?

Ist ein Weisskohl seelenlos? Leidet ein Salat wenn er von seiner Wurzel getrennt wird? Ist ein Kornfeld eine Art "Massenhaltung" und entspricht nicht den natürlichen Lebensbedingungen der Pflanze an sich?

Fragen über Fragen! Wer weiss die Antwort?

(Ru)dolf *love*
The answer my friend
is blowing in the wind,
the answer is blowing in the wind.

Lg
sundown(er)
**********cker6 Mann
54 Beiträge
Der Vegatarier definiert sich
...ernährungstechnisch als Pflanzenfresser.

@ ClaRu
Du stellst die Frage, ob es ethisch vertretbar sei, überhaupt etwas zu essen.
Aber so wie der passionierte Fleischfresser die Frage nach der ethischen Akzeptanz seines Tuns klar bejaht (mit oder ohne Begründung ist im Endeffekt egal), so beatwortet auch der Vegetarier die Frage nach der ethischen Akzeptanz seiner Ernährung mit einem klaren Ja!

Er macht sich halt nur gelegentlich mal ein paar Gedanken, ob er nicht vielleicht doch wieder Fleisch probieren dürfte - oder aber daß die, die ungeniert der Fleischfresserei frönen, dies eigentlich nicht tun sollten... Die Rechtmäßigkeit des Verzehrs von Pflanzen aber steht für ihn nicht zur Debatte.
Und zuletzt ist der Hunger sowieso das beste Argument, wenn's hart auf hart kommt...
**********nobos Paar
572 Beiträge
ah ja
Das klingt ein wenig nach Universalrechtfertigung.

Hierzulande dürfte kaum jemand vor dem vollen Fleischtopf sitzen und sich der einzigen Alternative, des Hungertodes gegenübersehen.

Zwar sehen wir die globale vegetarische oder veganische Ernährung nicht als "die" einfache Lösung des Problems, aber auch die Massentierhaltung nicht allein begründet mit der Unwissenheit über die pflanzliche Seele. Thematisch ist das wohl eher eine lediglich rhetorische und opportunistische Äußerung.
vegetarische oder veganische Ernährung ist in keinem Fall die Lösung des weltweiten Ernährungsproblems, sie kann vielleicht eine Facette der erforderlichen Problemlösung sein.

Wenn nicht der überwiegende Teil der Industrienationen eine qualifizierte Änderung des Ausbeutungsverhaltens gegenüber der Mitwelt nachhaltig und schnell einführt, wird die Episode "Mensch" sich wohl mittelfristig (gemessen an der Entwicklungszeit der Erde) in ein paar Sekunden von dieser wieder als Fehlentwicklung verabschieden.

lg
sundown(er)
mal am Rande....
Vegetarier ist indianisch uns heisst "zu faul zum jagen"

bitte nicht hauen!
*haumichwech* *rotfl* *spitze*
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.