Kulissengesellschaft
MM: Ist gekauft = Kunst?
Ob es Kunst ist? - wer kann das so genau sagen, aber die Chance, dass es überdauert, um in der Zukunft als visionär wahr genommen zu werden, ist ungleich höher, wenn es jemand kauft, um es sein eigen zu nennen und es danach ordentlich behandelt. Höher, als wenn es nach erfolgter Präsentation wieder in der Schublade verschwindet.
Klar ist alles zeitgeistunterworfen, was neu ist. Nur gibt es auch den besonderen Blick, das besondere Wort, den unerhörten Klang. Dies wird sich erst im Nachhinein als zeitlos heraus stellen. Ein guter Sammler wird sich nicht nach den Gesetzen des Marktes richten, sondern seine Auswahl treffen, wenn ihm sein Gefühl sagt: Das ist es! Genau deshalb sind schon Kunstwerke über uns gekommen, denen im ersten Moment das Prädikat 'herausragend' versagt wurde, weil sie die Zeit nicht haargenau bedienten.
Jeder Künstler freut sich, ob er es zugibt oder nicht, wenn 'seine' Kunst sich auch monetär niederschlägt. Wir leben in einem kapitalistischen System, und lobende Worte kann man nicht essen, geschweige denn damit Pinsel oder Notenblätter oder Druckerpapier bezahlen. Da Geld ein Mittel ist, Anerkennung durch Erwerb zu bekunden, kann mir keiner erzählen, ein Künstler würde solche monetären Komplimente nicht geniessen, zumal diese auch häufig gesellschaftliche nach sich ziehen.
Deshalb ist der Mensch als Künstler natürlich auch korrumpierbar. Es gibt zahlreiche Beispiele der Selbstkolportage unter der Künstlerschaft.
Aber gesetzt den Fall, er lässt sich nicht dadurch bestechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er weiter künstlerisch tätig sein wird, ist, ausgestattet mit den nötigen Mitteln, größer als ohne. Arme Poeten bekommen höchstens Rheuma.
Und wer hätte je von Leonardo da Vinci gehört, wenn sich nicht so mancher Mäzen als spendabel erwiesen hätte? Wo wären seine Bilder jetzt, hätte er nicht schon zu Lebzeiten Leute gekannt, die seine Entwürfe als interessant empfanden. Nur selten aber waren jene das geneigte kunst- und feinsinnige Publikum, sondern die Hauer und Stecher der Gesellschaft.
Wie gut, dass es Künstler gab, die durch ihre Beseeltheit auch andere verführten und berührten. Auch wenn darunter lockere Vögel waren wie z.b. Mozart, den Geld nur scherte, wenn er keins mehr hatte, und eigentlich nur Musik machen wollte.
Da er aber häufig keines hatte, gelang es ihm, auch dann seine Seele mit anderen zu takten, wenn er unter Druck stand.
Van Gogh malte trotzdem, und seine Bilder wären längst vergessen, wenn ihn Theo nicht durchs Leben geschleift hätte, und dessen Frau dann tatkräftig nach seinem Tod den Verkauf der gesammelten Werke angegangen wäre...
In einer idealen Welt könnten die Künstler arbeiten, und wären verpflegt und bei guter Gesundheit. Sie hätten ihre Selbstinszenierung nicht nötig, und die Anerkennung der Gesellschaft wäre ihnen gewiss.
Alles dürfte sein, denn eine ideale Gesellschafft wäre nicht indoktriniert, und sie würde mit Kunst leben wie mit dem täglichen Brot.
Ihr Alltag wäre durchsetzt von ihr, und die Menschen hegten friedliche Gedanken. Jedes kreative Talent hätte sein Plätzchen. Auch wenn es bei Entwürfen bliebe, die das Denken weiter bringen.
Leider sind wir nicht dort, im Idealen.
Wir leben nicht mal den Entwurf, denn das darf nicht sein.
Statt dessen gibt es überall Nischen, in die sich das Kreative flüchtet. Um so bedeutsamer erscheinen uns Alternativentwürfe, die den Weg zu uns finden. Da stehen wir dann staunend, und uns gehen die Augen und das Denken über anhand der Möglichkeiten, die jemand erträumt hat. Doch das Besondere ist nur deshalb besonders, weil es so konträr zu den Gewohnheiten des Sehens, Hörens, Lesens ist als das, was allgemein bekannt ist und sich in unserer Demarkationslandschaft abspielt.