@bunt(er)
ich fasse kurz zitiernd zusammen, was ich meine, verstanden zu haben, deine intentionen betreffend und werde dann im einzelnen darauf eingehen:
1.
ich würde hier gerne mal ein Gedankengerüst aufbauen
2.
Ich bin Filmemacher, Kunstfilmstudent und es reizt mich ungemein, obwohl, oder gerade weil, es ein Tabu ist, mein Studium "Filmmachen" mit meiner, eigentlich ungeliebten, Leidenschaft: Pornographie zu koppeln.
3.
Aber gleichzeitig will ich mit Namen dazu stehen können, es in meiner Schule und meinen Eltern zeigen können, ohne das überwiegend vielen Leuten die Schamesröte (lange) ins Gesicht schießt.
4.
Außerdem wäre mir ein Musikvideoprojekt lieb (vielleicht a la "the prodigy - smack my bitch up" - ich mein die Videomachart)
5.
Ich mag den aufkommenden Trend POV (Point of View) bei dem mit einer Kopfkamera quasi ein Amateurporno produziert wird.
Authentizität und Inzinierungsmöglichkeiten sind erhöt, außerdem erledigt die Kameraführung sich im Schauspiel des Hauptakteurs.
6.
Ich finde die Aspekte des aktuellen Themas "sexuelle verwarlosung" (z.B. Buch von Arche ev. und Berichte darüber bei google) sehr interessant und würde quasi ein Kind in die Geschichte einbauen wollen (Filmtechnisch natürlich, keine Angst vorm Sittenschutz)
7.
Weiter gibt es natürlich jene, die derartig bloßstellend sind, dass sie als obzön zu bezeichnen wären (gängige Pornos oder auch Filme wie "Baise Moi", den ich eigentlich ganz gut, aber eben sehr unangenehm finde)
Und es gibt eben jene, die es harmlos und eher Lustig machen (jeder kennt vielleicht so seine Beispiele, ich denk beispielsweise an die Szenen aus "die Idioten" von Lars von Trier).
8.
Also, es soll in meinem Film weder ums zur schau stellen gehen, noch um Sex und Gewalt... ich hoffe jemand versteht worauf ich hinaus möchte.
Auch einen ästhetischen Film über Körpervereinigung will ich nicht erreichen, es geht mir mehr um einen trivialen Umgang damit, der nicht im Vordergrund steht, sondern eingestreut immer wieder überrascht und wie eine Ekelszene im Dschungelcamp, nur umgekehrt wirkt.
9.
Es geht mir dabei nicht um das Veröffentlichen meiner Ideen, sondern um das gezielte Ansteuern gewisser Thematiken.
10.
ich finde es interessanter, warum meine Mutter plötzlich anfängt vom Tag zu erzählen wenn beim Abendlichen ZdF Liebesfilm die Bettszene startet und man vielleicht nackte Bäuche, Bewegungen und Brüste, vielleicht selten Ansätze von Schamhaaren sieht, angeblich andere Familien aber ihre Pornos (wäre interessant welche, aber bleiben wir mal in der Theorie) mit ihren Minderjährigen zusammen schauen und sich einen runterholen. Moralische Verwahrlosung? Überdosis 68er? Normal?
11.
Mich faziniert, wie eine kommende Generation (wenn nicht sowieso schon die jetzigen) in ihrer Wahrnehmung der Dinge von äußeren, meist auf Medien zurückzuführende Einflüsse, wahrhaft "abgestumpft" wird.
12.
Ich möchte nicht nur wissen, was ihr von der Idee haltet einen Porno zu drehen, bei dem die Sexszenen mehr als Still-/Schockmittel, denn als Inhalt fungieren.
Erstmal würde ich gerne klären, was einen zum ansehen eines Sexfilmes treibt...
13.
Aber was setzt da die Grenzen, was macht dieses "was denken denn die anderen von mir, wenn ich jetzt (nicht) reagiere"-gefühl???
Berührt einem dann ein Porno anders, als eine moderne Fernsehfilm-sexszene oder eine Comedy-fernsehen-Sexszene (Sat1 usw.)?
also...
zu 1.: interessante herangehensweise und mutig...respekt. ich bin selbst architekturdozent und unterhalte mich im vorfeld von entwurfsaufgaben intensiv mit den studenten über ideen- bzw. gedankenstrukturierung. entscheidend sind die "striche" auf dem papier bzw. die umsetzung im modell, will sagen: die öffentliche einbeziehung anderer meinungen in einem internetforum in den strukturierungsprozess einer künstlerischen arbeit bietet chancen und verwirrungen. was zählt ist "auf dem platz", um ein zitat aus dem fußball-jargon zu verwenden. deine aufgabe wird sein, deinen "duktus" im auge zu behalten, der eingehende meinungen zur kenntnis nimmt, aber in deinem sinne ordnet.
zu 2. + 3.: hier heißt es salopp formuliert: mann oder memme !! tabubruch ist ein legitimes mittel künstlerischer aufarbeitung gesellschaftlich-relevanter themen, der aber NIE ohne polarisierung gelingt. "wasch mir den pelz, aber mach mich nicht nass" führt meist zu "unscharfen" profilierungen: auch der in lars von triers "idioten" inszenierte tabubruch führt mit sicherheit nicht dazu, dass sich ALLE zuschauer lächelnd zusammen mit dem regisseur an die kaffeetafel setzen wollen. was ich nachvollziehen kann, ist deine intention, die behandlung des themas "sexuelle verwahrlosung" nicht in einer verstörend-filmkünstlerischen übersetzung à la Hanneke's "funny games" (die erste version mit susanne lothar und ulrich mühe), oder Virginie Despentes' und Coralie Trinh Thi's film "bais moi" oder Gaspar Noé's "irreversible" zu suchen.
zu 4. und 5.: dann "wackel" mal schön..."
"dogma 95" (
http://de.wikipedia.org/wiki/Dogma_95) lässt grüßen...lächel.
den videoclip ("the prodigy - smack my bitch up") habe ich gesehen und finde ihn interessant und was das ende betrifft, nachdenklich stimmend, rollenklischees betreffend. entscheidend ist: ist POV eine darstellungstechnik, die deine inhaltliche konzeption unterstützt oder ein gerade übliches "up-to-date-stilmittel" an filmhochschulen, um "aktuell" zu sein?
übersetzt für architekturstudenten: stelle ich meinen entwurf als computergraphik oder als kohle zeichnung dar? antwort: (als beispiel) wenn du als entwurfsthema eine kirche mit "erdverbundener" anmutung vor augen hast, kann die darstellungsart in form einer kohlezeichnung, deine intention weiter verdeutlichen im gegensatz zu einer "perfekten" kühlen computeranimation.
auch hier gilt wieder das stichwort: DUKTUS !!
zu 6.: gute idee!! ein gesellschaftlich-relevantes thema, welches mich mittelbar bzw. meine beiden zwillingsteenager unmittelbar berührt. gutes gelingen beim ballance-akt zwischen "kindlichem blick" und pädophiler voyeurismusbefriedigung wünsche ich ohne ironie!!
zu 7.: siehe antworten zu 4.+5.
zu 8.: den gedankenansatz kann ich nachvollziehen. entscheidend ist die umsetzung. auch hier bewegst du dich auf dünnem eis (auch unter einbeziehung deiner faszination für sexuelle fetische der abstrusesten art): die selbstverständlichkeit, mit der jugendliche über bluetooth pornos von handy zu handy senden und dies als (nachvollziehbaren?) tabubruch zur brüskierung der und abgrenzung zur erwachsenwelt zelebrieren, passt sehr gut zum thema: "sexuelle verwahrlosung". hier sende ich dir dieselben gelingenswünsche wie in meiner antwort zu 6.
by the way...allen älteren threadteilnehmern, die ob dieser zeilen vernehmbar durchschnaufen, sei die (empörende?) protestfaszination der nachkriegsgeneration für den "dreckigen" rock'n roll in erinnerung gerufen...
zu 9.: hab ich verstanden (denke ich zumindest...lächel)
zu 10.:
Moralische Verwahrlosung? Überdosis 68er? Normal?
glücklicherweise setzt du fragezeichen. du kommst in das dilemma, definitionen von moral zu liefern, die eine abgrenzung zur verwahrlosung schaffen. ich kann aus meiner sicht nur empfehlen, keine "antworten" zu liefern, sondern sie in ihrer über-individuellen unbeantwortbarkeit dem zuschauer zu überlassen.
außer du hast DOCH eine antwort: in deinem/eurem jc-profil führst du/ihr unter der rubrik: das mögen wir nicht "morallosigkeit" auf....lächel.
zu 11.: wird sie das?...das alte credo sozio-kultureller untergangsprognostiker...ist dies nicht die skepsis jeder generation?!
nach dem motto: jaaaa....ICH/WIR waren damals ("zu unsrere zeit") noch politisch/moralisch/intellektuell motiviert UND aktiv...aber die heutige jugend????...alles mtv-cretins!!!
zu 12.: oh gott...nun kommt die nabelschau. ich nehme an, dich interessieren nicht bibliothekenfüllende empirisch überprüfte untersuchungsergebnisse, seien sie nun psychologisch, soziologisch oder darvinistisch motiviert.
es ist eine grundsatzfrage: warum interessieren sich mann/frau für sex?
ich tendiere zur darvinistischen antwort: wenn es nicht so einen herrlichen juckreiz erzeugen würde mit einander zu vögeln, wäre die menschheit bereits big-mac-kauend gelangweilt entfleuchet...(ich bitte um beachtung der ironie und darum, dies nicht als ignoranz eines dekadenten nutznießers des unverdienten schicksals zu werten, in einem zumindest materiell "reichen" land geboren worden zu sein).
pornographie ist nur EIN medium zur stimulanz des fortpflanzungstriebs.
und schließlich zu 13.: es gibt hierzu keine übergreifenden antworten, sondern individuelle stellungnahmen, geprägt von persönlichier sozialisation, umgebungseinflüssen, erlebnissen, moralisch-kulturell-religiösen rahmenbedingungen und voraussetzungen.
amen.
herzlichen gruß,
shadowandlight(m)