Relativismus
@****nik
Du wirst dich nicht wundern, wenn ich sage, dass mich der Versuch der Verteidigung Foucaults nicht überzeugt. Aber ich will wenigstens sagen warum. Hier einige Gründe.
Sicher betrachtet er sich selbst als in einer gewissen Tradition französischen Denkens stehend. Aber diese Tradition, zumindest wenn sie als eine existierende Episteme verstanden wird, bestimmt eben NICHT vollständig sein eigenes Denken. Foucault ist, bzw. war, somit die lebende Widerlegung seiner eigenen Theorie. Er hat nämlich viel NEUES gesagt, eine Tatsache, die seiner Theorie nach kaum möglich sein kann.
Es gibt für ihn zwar Brüche in der historischen Abfolge von Epistemen/Diskursformationen, aber die sind angeblich nicht rekonstruierbar als rational motiviert (wie man es - entgegen Thomas Kuhns Relativismus - in der Wissenschaftshistorie normalerweise annimmt).
Genau das ist aber bei Foucault selber der Fall. Sein eigenes Denken ist NICHT determiniert durch schon bestehende Denkformen. Und es wird durchaus von ihm präsentiert als historisch korrekte und verlässliche Analysen. Das ist aber m. E. eine implizite Selbstwiderlegung wesentlicher INHALTE seiner Theorie der Diskursformationen. Deswegen besteht hier in der Tat ein pragmatischer Selbstwiderspruch. Der lässt sich nur SCHEINBAR umgehen, indem man auf einen eigenen Wahrheits- und Objektivitätsanspruch verzichtet.
Der Vorwurf, daß er nicht objektives Wissen zutage fördert, macht nur Sinn vor dem Hintergrund eines anerkannten methodologischen Regimes. Die Existenz eines solchen mit Blick auf das, was Foucault unternommen hat und wie er sich damit von anderen Wissenschaftlern unterscheidet, die sich unter ein solches Regime stellen, kann man aber mit recht infrage stellen.
Hier wird, wie ich finde, eine faktische mit einer normativen Frage verwechselt. Ob es ein allgemein anerkanntes methodologisches Regime tatsächlich gibt oder nicht, ist hier nicht relevant. Das gibt es wohl in der Tat nicht, zumindest keines, dass alle Wissenstypen übergreifen würde.
Ich meine allerdings, dass Apel und Habermas recht haben, wenn sie sagen, dass wir in den Wissenschaften (und in der Philosophie) beim Argumentieren IMMER SCHON unterstellen, dass Objektivität und Wahrheitkonsens als normatives Ideal ALLGEMEINE Geltung haben.
Foucault will seine Leser ja offensichtlich mit rationalen Argumenten ÜBERZEUGEN. Und das macht eben nur SINN, wenn man unterstellt, dass ein diskursübergreifender Konsens erstrebenswert und zumindest THEORETISCH möglich ist. (Ich glaube, dass der späte Foucault das auch eingesehen hat). Aber dann sind Wissen, Wahrheit, Objektivität und Moral eben nicht NUR Formen der Macht, auch wenn sie das zum Teil wohl immer AUCH sind.
Ein anderer Punkt: Aus dem Gesagten folgt übrigens, dass ich NICHT meine, dass Liebe und was daraus geschieht, nicht rational beurteilt werden kann. Deshalb geht auch unsere Rechtsordung davon aus, dass aus Eifersucht begangene Verbrechen moralisch und rechtlich rational beurteilt und entsprechend bestraft werden können. NICHTS ist prinzipiell rational unbeurteilbar, auch wenn das in vielen Situationen aus diversen Gründen UNANGEBRACHT sein mag.
Jetzt rede/schreibe ich schon wieder viel zu lange und halte jetzt besser an mich.
Dieter