Globalisierung und Aufklärungskritik
Schon lange beschäftigt mich die Frage, wie eine Philosophie aussehen müßte, die den Widerstand gegen die Globalisierung fundieren könnte. Klar ist: Eine solche Philosophie müßte eine Synthese aus all dem vollziehen, was von der globalistischen Bewegung angefeindet wird, vor allem aber eine Synthese aus den sozialen Komponenten der Frankfurter Schule einerseits und dem Insistieren auf kultureller Identität, wie es in der Gadamerschen Hermeneutik gepflegt wird, andererseits.
In populärer Übersetzung würde diese politische Philosophie als Verschmelzung ehemals „linker“ und „rechter“ Theoreme erscheinen und sich als keines von beiden einordnen lassen.
Doch wo ansetzen?
Mein Vorschlag: Bei dem Befund, daß die Globalisierung mit all ihren Paradigmen das Weltbild der Aufklärung zu seinen radikalst möglichen Konsequenzen geführt hat.
Die Modelle der liberalen Ökonomen sind in ihrem Rationalismus kaum mehr steigerbare Abstraktionen. Es sind blut-, zeit- und kulturlose Modelle, in denen sich die Erzeugung maximalen Mehrwerts darstellen, planen und berechnen läßt.
Der Mensch als Urteilssubjekt der reinen Vernunft ist zum durchweg ökonomisch urteilenden Arbeitssubjekt gesteigert worden: gesichtslos, geschlechtslos, versetzbar, einplanbar.
Sicher läßt sich dagegen auf Augenhöhe argumentieren, und zwar mit allerlei „aufklärerischen“ Argumenten, aber trifft eine solche Kritik wirklich? Trifft sie nicht immer bestenfalls nur eine Seite der Globalisierungsphilosophie, die eine an Paradigmen der Aufklärung orientierte Kritik letzenendes immer überbieten kann?
Überlegener wäre doch ein Standpunkt, der das Weltbild der Aufklärung von vornherein nicht anerkannt und daher gegenüber Argumenten, die daraus entstammen, resistent ist, ein Standpunkt also der Aufklärungskritik.
Von einem solchen Standpunkt aus könnte man beginnen zu zeigen, daß die Radikalaufklärung, die der Globalisierung zu Grunde liegt, wesentliche Bedingungen der conditio humana verkennt.
Da wäre die Zeitlichkeit des (menschlichen) Seins, die, hermeneutisch gewendet, als historischer Horizont erscheint und den von den Globalisten geforderte reibungslose Austauschbarkeit der Kulturen radikal in Frage stellt.
Da wäre die Geschlechtlichkeit des Menschen, der erschaffen ist als Mann und Frau, worin sich mehr verbirgt als eine Reihe primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale, sondern zwei verschiedene Sichtweisen auf das Leben und die Welt.
Da wäre die Sprache, die mehr ist, als ein bloßes Zeichen für einen vom Zeichen abstrahierbaren Inhalt.