Kommst Du an das Salz?
Kurz zum Hintergrund: In der Sprachphilosophie (und in der Linguistik (besonders in der Pragmatik)) findet man "Sprechakte" und dazugehörende Theorien. Von John L. Austin grob 1955/62 eingeführt rückte die Sprache an sich in einen Focus, dass man mit Sprache eben auch handelt (wer hätte das gedacht! ).
Ernsthaft wurde vorher eher die Aussagenlogik beachtet und nicht, dass man mit Sprache ja noch viel mehr machen kann. Manches kann man mit der Sprache sogar explizit. Z.B. danken durch "Danke!" oder "ich danke dir". Oder etwas versprechen durch "Ich verspreche dir ...". Durch die Formel "ich verspreche dir ..." wird's zum Versprechen. Manchmal gibt es eben sogar sogenannte "performative Verben" wie versprechen, behaupten, danken, ... Manchmal nicht. Mit "Ich grüße Dich!" kann man grüßen, mit "ich beleidige dich!" kommt man nicht so weit, wie mit "Arschloch".
Durchs Sagen wird es zur Handlung. In krasseren Fällen wie "Hiermit ernenne ich euch zu Mann und Frau!" werden, wenn die Umstände und die richtigen Personen es ernsthaft machen, neue (nicht nur soziale) Realitäten geschaffen!
Es gibt hier diverse abgehende Theorien, die ich nur andeuten will, obwohl sie sehr interessant (und umstritten!) sind. Z.B. die die Gendertheorie. Wie sehr schaffen wir hier mit Sprache erst die Unterschiede der Geschlechter? Judith Butler sei hier erwähnt. Wird nicht ein Kind erst zu einem weiblichen Kind, wenn bei der Geburt gerufen wird "Ein Mädchen!". Geht diese Differerenzierung nicht über zum Differenzieren = Trennen und gar zum Diskriminieren? Die #vonhier-Debatte könnte hier ebenfalls genommen werden, wo die Frage "woher kommst du? (wo liegen deine Wurzeln?)" als diskriminierend empfunden wird, nur weil sie gestellt wird.
Bei der Sprechakttheorie spielt auch sehr schnell eine Rolle, das oft manch Gesagte nicht wortwörtlich gemeint ist bzw. bei manch Gesagtem mehr gemeint als gesagt wird. Wie funktioniert das? (was heute eher in der Pragmatik als Teil der Linguistik zu finden ist). U.a. soweit gehend, dass mit etwas Ironisch-Sarkastischem ja sogar das Gegenteil von dem gemeint ist, was gesagt wird.
Und hier komme ich mehr zu meinem Anliegen/Problem.
U.a. gibt es so etwas: "Kommst du an das Salz ran?"
Formal: eine Frage. Eine nach der Fähigkeit/des Vermögens, an das Salz zu kommen. Aber in den meisten Situation wird diese Frage ja als Bitte verstanden werden, dass jemand dem Fragenden das Sals geben möge. Die Antwort "Ja" auf die Frage "Kannst du mir mal das Salz geben?" ohne entsprechende Handlung würde ja sogar zu Unverständnis führen, obwohl sie als "können", "ja", richtig sein könnte.
Dieses Art der Frage, eine Höflichkeitsspielart, scheint nicht in allen Sprachen zu funktionieren. Im Deutschen, Englischen, Niederländischen ... ja. Laut Searle (John R. Searle "Ausdruck und Bedeutung" S 71) gilt das z.B. für das Tschechische im folgenden Beispiel nicht:
"Kannst du mir das Buch da geben?" heißt (leider nicht mit korrekten Buchstaben) wörtlich übersetzt:
"Muzete mi podat tu Knizku?"
... was sich im Tschechischen nicht als Höflichkeitsfloskel nutzen ließe bzw. im Tschechischen nicht verständlich wäre.
Kennt jemand ähnliche Sprachbeispiele? Eventuell vielleicht Polnisch, Russisch, Türkisch, Arabisch ...? Wo würde eine derartige Höflichkeitsfragestellung aus dem Deutschen übersetzt nicht als Höflichkeitsaufforderung interpretierbar wäre?
Vielleicht gerade diese Beispiele mit dem Buch und dem Salz:
Kommst du an das Salz ran?
Kannst du mir das Buch da geben?