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Guter Mensch

**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
Naja. Momentan finde ich das alles recht schwach (vom TE).

Angst. Gefahren ausdenken? Irrationale Angst?

Natürlich könnte man "Sorgen" von "Ängsten" abtrennen. Was sind irrationale Ängste?

Und wieso sollte der von der Brücke fallende oder auch der abzustürzen drohende keine Angst haben? Diese Reaktionen wären m.E. vollkommen berechtigt mit dem Begriff der Angst zu belegen. Die wäre aber nicht irrational. Wobei ich schnell Flugangst, Angst vor Spinnen, o.Ä. ins Spiel bringen kann. Diese Ängste, selbst Verlustängste, sind selten ausgedacht.

Zudem kommt: warum sollte jemand, der z.B. aus Verlustangst eifersüchtig ist, seinem Partner nachspioniert, deswegen ein schlechter Mensch sein? Vielleicht ist er in anderen Bereichen ein sehr hilfsbereiter, liebevoller, guter Mensch? Jemand, der nicht eifersüchtig ist oder seine Eifersucht im Griff haben mag, wird deswegen nicht zum besseren Menschen.
Im Mittelalter gab es viele, die - die sicher irrationale - Angst vor dem Fegefeuer hatten und gerade deswegen viele Dinge taten, die man als "gut" einstufen müsste.

Es mag zwar stimmen, dass mensch aus Ängsten heraus schlecht - gerade auch anderen gegenüber - handelt, aber deswegen ist die Umkehrung nicht per se richtig.

Nein: ich sehe da nach wie vor keine Berechtigung in dem Satz:

Zitat von *******981:


Ein guter Mensch ist jemand, der seine Ängste im Griff hat.

Hier fehlt der Zusammenhang von "wann ist ein Mensch gut" und den "Ängsten im Griff".
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Auch ich erkenne - und nachdem meine impliziten Hinweise nicht ernst genommen zu werden scheinen - und benenne ziemliche erkenntnistheoretische und logische Schwächen in der Threaderöffnung.
Zum nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Gute
*******981 Mann
168 Beiträge
Themenersteller 
Zitat von **********_Gogh:


Und wieso sollte der von der Brücke fallende oder auch der abzustürzen drohende keine Angst haben? Diese Reaktionen wären m.E. vollkommen berechtigt mit dem Begriff der Angst zu belegen. Die wäre aber nicht irrational. Wobei ich schnell Flugangst, Angst vor Spinnen, o.Ä. ins Spiel bringen kann. Diese Ängste, selbst Verlustängste, sind selten ausgedacht.
So gesehen darf man nicht ins Auto, Achterbann oder Aufzug steigern. Wenn da irgendwas nicht stimmt, bist du wahrscheinlich genauso tot wie beim Flugzeugabsturz. Oder mindestens Pflegefall.
*******981 Mann
168 Beiträge
Themenersteller 
Zitat von **********henke:
Angst ist also, sich Gefahren auszudenken?
Angst hat dem Menschen den aufrechten Gang gebracht und die Nutzung des Feuers - beides ist nämlich superpraktisch, um Säbelzahntiger einerseits früh zu erkennen und sie andererseits abzuwehren.
Warum soll ich also als Mensch dann meine Angst beschränken, wenn sie so produktiv ist?

Heutzutage wirst du kaum vom Wolf gefressen oder wirst verhungern. Jedenfalls in diesem Land. Also was ist jetzt das Problem?
**********henke Mann
9.666 Beiträge
Das Problem ist der weiter vorn von @**********_Gogh schon benannte Kategorienfehler. "Gut sein" und "sich im Griff haben" sind zwei unterschiedliche Ebenen. Ersetze "Mensch" gegen "Schimpanse" oder "Katze", dann fällt es Dir vielleicht auf.
Mir fällt nix auf....sind alles Säugetiere....die einen diskutieren womöglich langatmiger als die anderen... *zwinker* ..
Ja..die Ebenen...die werden hier verknüpft und zur Diskussion gestellt.
Man kann es ja auch noch so sehen: wenn ich meinen Ängsten erliege, neige ich dazu, panisch, unüberlegt, egoistisch und ungerecht und unreflektiert zu handeln. Im Zustand der Angst wohlgemerkt.
Wenn ich hingegen die Angst im Griff habe, kann ich besonnen und überlegt handeln. Z. B. ausser mich selbst noch andere retten. bei einem Unfall, Feuer, vorm Ertrinken etc.
Angst lähmt. Die Überwindung der Angst oder die Lenkung der Angst, der freigesetzten Stresshormone, ermöglicht es uns, deutlicher wahrzunehmen, was zu tun ist und das zu tun, das Gute zu tun, was wir auch nüchtrrn betrachtet tun würden.
Der TE unterstellt, das Untaten durch Angst motiviert sind. Das scheint plausibel und findet die spontane Zustimmung Vieler.
Angst kann natürlich (evolutionär geprägt) sein: vor Höhe, Geschwindigkeit, Feuer, Geräuschen, Einsamkeit, zähnefletschenden Tieren oder erlernt, moralisch: Prestigeverlust, Scham, Eifersucht....
Der Umkehrschluß scheint fraglich: dass das Fehlen von Angst jegliche Neigung, "schlecht" zu handeln, stillt.

Mein Hund, allein zuhause gelassen, würde bei Gelegenheit ohne lange zu zögern zb einen Laib Brot vom Tisch auffressen. Angst vor dem Verhungern ist sicher nicht seine Motivation. Denn er wurde vorher gefüttert und weiß nur zu gut, dass er auch abends noch einmal Futter bekommt - das fordert er nämlich pünktlich ein, wenn man es ihm nicht selbständig anbietet. Ohne schlechtes Gewissen ist er aber auch nicht: Komme ich nachhause, zeigt er sich übertrieben unterwürfig und bittet augenscheinlich um Milde.
Er handelt also wissend "schlecht", ohne akute Angst zu spüren. Er nutzt schlicht kalkulierend die Gelegenheit, hofft darauf, billig davon zu kommen, kalkuliert aber durchaus die Möglichkeit einer Bestrafung mit ein.

Ich denke, so sind wir Menschen überwiegend auch. Zwar begabt zur Empathie, durchaus bereit zur selbstlosen Hilfe und gar zum Opfer - aber genauso auch ohne allzu große Hemmung schlecht, wenn nicht drastische Nachteile drohen.
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
Okay. Noch ein Versuch:

"Ein guter Mensch ist jemand, der seine (irrationalen) Ängste im Griff hat."ist eine sehr allgemeine Pauschalbehauptung.

Ich nehme mal eine ähnliche:

"Ein guter Mensch ist jemand, der anderen hilft."

Ich denke, bei dieser Behauptung werden die meisten zustimmen. Jemand, der anderen hilft , ist gut bzw. man kann diesen Menschen als einen guten Menschen bezeichnen. Warum? Weil "helfen" etwas Gutes ist. Natürlich ergibt sich das daraus, dass "gut/guter Mensch" sich u.a. aus solchen Sachen her ableitet, womit ein guter Mensch definiert wird (z.B.: Ein guter Mensch ist jemand, der anderen hilft. Ein guter Mensch ist jemand, der sich um das Seelenheil anderer kümmert". etc.)
Dieser Satz lässt sich zum Beispiel auch umstellen:

"Wer anderen hilft, ist ein guter Mensch".Immer noch mit der gleichen, logischen Folge, die sich aus der Belegenung/Bedeutung von "helfen" und "gut/guter Mensch" ergibt.

Wenn ich jetzt behaupte:
Wer älteren Menschen über die Straße hilft, ist ein guter Mensch., dann gilt das mit dem Helfen in diesen Situationen sicher als gut. Allerdings könnte der Helfende ein Nazi sein, der ansonsten alles andere als ein guter Mensch wäre.

Jetzt: "Wer seine (irrationalen) Ängste im Griff hat, ist ein guter Mensch."

Wieso? Es ist sicher für den Menschen, der seine irrationalen Ängste im Griff hat, gut, dass er sie im Griff hat, denn Ängste sind etwas Negatives, Belastendes, etc., aber das macht den Menschen nicht zu einem "guten Menschen", denn ein guter Mensch macht etwas bezüglich anderer (anderer Menschen, auch Tiere, Umwelt, etc. eingeschlossen).
Es fehlt jetzt die weitere Herleitung, warum "Ängste im Griff haben" zu guten Taten/Handeln führen solle. Und das ausschließlich oder in überwiegendem Maße, dass man den Menschen, der seine Ängste im Griff hat, auch tatsächlich bei denen findet, der zu den "guten Menschen" gehört.

Und das ergibt sich nicht (ausreichend).

Als weiterer, anderer Darstellungsversuch:

• Es gibt Untaten, die durch irrationale Ängste hervorgerufen werden. (Was nicht heißt, dass es nicht auch Untaten durch andere Ursachen gibt.) Deswegen ist es sicher besser, seine (irrationalen) Ängste im Griff zu haben, um keine Untaten zu begehen. Allerdings ist, wer keine Untaten begeht, deswegen noch kein "guter" Mensch. Er könnte z.B. auch passiv und gleichgültig sein. Passivität, Gleichgültigkeit sind wohl eher nichts, was aus "irrationalen Ängsten" her resultiert.
ERGO: Wer seine (irrationalen) Ängste im Griff hat, muss deswegen noch lange kein guter Mensch sein.

• Wer seine (irrationalen) Ängste nicht im Griff hat, könnte negative Taten begehen, weswegen man ihn (zu mindest im konkreten Falle) nicht als guten Menschen sehen würde. Allerdings könnte jemand, der z.B. irrational eifersüchtig ist und seinem Partner irrational nachspionieren würde (was nicht gut wäre), insgesamt aber ein sehr gutherziger, hilfsbereiter Mensch sein.
ERGO: auch mit irrationalen Ängsten, die jemand nicht im Griff hat, könnte dieser als ein guter Mensch gelten (der nicht Fehlerfrei ist).

Nochmals auch das Beispiel, von einem Gläubigen, der Angst hat, in die Hölle zu kommen, wenn er nicht gut handelt und gerade deswegen "ein guter Mensch" ist.
(Natürlich könnte man sagen, er bekommt "durch sein gutes Handeln" seine Ängste in den Griff, was aber keine Bestätigung des Satzes an sich macht, denn das "Ängste im Griff haben" war die Voraussetzung.)

*g*
*******rlin Mann
1.966 Beiträge
Letztlich ist der Begriff „Gut“ nicht als Formel definiert. Er kann immer nur von einem Standpunkt aus definiert werden. Wechselt dieser, wechselt auch die Definition.

Das Beispiel des „Helfenden“ beschreibt es Ja ganz gut.
Ich kann im Krisengebiet Menschen helfen. Ich kann aber auch der religiösen Gemeinschaft per Gewalt beim Kampf gegen die Ungläubigen helfen.

In beiden Fällen ist der Begriff „Gut“ gleichwertig.
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
@*******rlin
Dein Einwand ist sicher nicht falsch, denn gerade bei wertenden Attributen liegt i.d.R. eine subjektive Einschätzung zu Grunde. Allerdings kann man hier ja auch auf Basis von (vielleicht sogar empirisch gestützten) "Mehrheitismeinungen" arbeiten, sodass dann doch auch ein deutlich objektiver Charakter zutage tritt (oder einen, den man als "objektiv" setzen kann). Bei gewissen Dingen vielleicht sogar aus der (angeblichen, unterstellten, aber vielleicht auch nicht verkehrten) Sicht der Menschheit.

Ich kann mich jetzt nicht wirklich auf etwas stützen, möchte aber doch vermuten, dass in jeder Sprache ein Begriff für "gut" und einer für "schlecht" und oder "böse" da ist. Vermutlich lässt sich auch in jeder Weltgemeinschaft ein "guter Mensch" als grobe (Mehrheits)Definition finden. Und ich kann mir vorstellen, dass es Menschengruppen gibt, die in der Definition des guten Menschen haben, dass dieser gläubig sei, so im Sinne "Ein guter Mensch ist ... jemand, der nach Gottes Geboten lebt." (mal abgesehen von Ungläubige bekämpfen).

Aber, ich vermute ganz deutlich, dass "anderen helfen" etwas ist, was in so gut wie jeder Definition eines "guten Menschen" weltweit zu finden ist. Es gibt so schon Werte/Wertungen, die "objektiver" sind. Vielleicht hier auch deswegen, weil der Mensch Evolutionsbiologisch als soziales Wesen angelegt ist und das Soziale hier in den Wertungen zu Tage kommt und menschheitsübergreifend zu finden ist.

Es könnte soziologisch sehr spannend sein, mal eine wissenschaftliche Studie zu machen, weltweit die Wikipedia-Artikel zu "guter Mensch" o.Ä. zu checken. *g*

(Allerdings bezweifel ich, dass "Ängste im Griff haben" da (groß) auftauchen würde.)
*******rlin Mann
1.966 Beiträge
Du meinst also den kleinsten gemeinsamen Nenner?
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
Ja, so in der Art. Könnte spannend sein. Allgemein, um auch bei anderen Themen soziologische Gleiches, Ähnliches und Unterschiedliches zu finden. *g*
Der Versuch, "Gutes" zu definieren (Moral) und dann Regeln aufzustellen, wie man dorthin gelangt (Ethik) ist ja Thema vieler Philosophen in allen Epochen gewesen.
Einig ist man sich wohl inzwischen, dass es Werte gibt, die unabhängig von z. b. Herkunft, Alter und Religion von nahezu allen Menschen anerkannt werden, also so etwas wie der Kern aller Moral gelten können. Bei anderen werten scheiden sich die Geister schnell.

Beim sog. Trolley-Experiment wurde dies immer wieder überprüft: Mittels einer Weiche kann dabei die Versuchsperson in einem Gedankenexperiment eine herannahende Straßenbahn auf eines von zwei Gleisen lenken, auf denen jeweils unterschiedliche Menschen oder Gruppen von Menschen stehen. Und damit entscheiden, wen sie rettet. Ist das Experiment so formuliert, dass auf dem einem Gleis 3 Arbeiter stehen und auf dem anderen nur 1 Arbeiter, ist das Ergebnis überall auf der Welt nahezu gleich. Lautet es "2 greise Arbeiter vs. 1 junger Arbeiter" verändert sich das Ergebnis schon" Und ersetzt man den jungen Arbeiter durch eine schwangere Frau, gibt es wieder andere Ergebnisse.

Offenbar gibt es also moralische werte, die fast alle teilen. Und welche, wo die Meinungen stärker variieren.
Aber auch innerhalb sich ansonsten einiger Gruppen gibt es Abstufungen der Wertigkeit von verschiedenen Moralwerten. Zb können "Ehrlichkeit" und "Loyalität" konkurrieren, wenn man aufgefordert wird, seinen Freund zu verpfeifen. Oder: das Tötungsgebot wird sicher immer höher eingeschätzt, als die Mildtätigkeit.

Ein Versuch festzulegen, was "gut" ist, wird einem Philosophen also abschließend nicht gelingen. Weil er ja schon von der Wortbedeutung zwar die "Liebe zur Wahrheit" hat, aber nicht die Fähigkeit, sie entgültig zu definieren.

Im speziellen Fall ist dieser Versuch aber auch gar nicht nötig, weil Ludwig_van_Gogh und andere ja bereits mehrfach überzeugend dargelegt haben, dass die Kontrolle der eigenen Ängste allein nicht der Schlüssel zum Guten Menschen ist, allenfalls eine von verschiedenen möglichen Ursachen.

Es handelt sich also um die klassische Verwechslung von Kausalität und Korrelation.
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