„ Da kein Mensch die Zukunft richtig kennt, ist Angst eine eher hinderliche Sache.
Richtig TE: Angst ist die Sorge vor einer künftigen Bedrohung. Und entsprechend weiß man erst nach Eintreten der Zukunft, also in der Gegenwart, ob sie tatsächlich berechtigt war. Wie wahrscheinlich das Eintreten des Ereignisses ist, vor dem man sich fürchtet, kann man lediglich extrapolieren aus Erfahrungen, die man in der Vergangenheit gemacht. Ein Statiker wird versuchen, die Bruchlast eines Balken vorauszuberechnen. Da das nötige Wissen dazu überschaubar und die Erfahrungen recht umfangreich sind, ist die Angst vor dem Versagen eines zb Dachstuhls quasi null. Bei der Vorhersehbarkeit der Standsicherheit eines Gebäudes im Falle eines Superbebens in Kalifornien ist das schon anders - die Angst vor einem Beben ist daher nicht irrational - sie ist aber auch nicht greifbar wie beim Sprung von einer Brücke. Das Fehlen von Angst vor einem Beben und daraus resultierende unbeschwerte Leben finde ich nicht vorbildlich, eher sorglos.
Ist es jetzt "gut", kostenintensive Bauauflagen an Schulen zu fordern und durchzusetzen mit dem Ziel, später Menschenleben zu retten? Oder ist es gut, darauf zu vertrauen, dass es schon nicht soooo schlimm kommen wird und daher "den Moment zu genießen" und das Geld zb in mehr Musikunterricht an Schulen zu stecken?
Und was überhaupt ist gut? Ist es gut, einen bisher isoliert lebenden Stamm von Regewaldbewohnern aufzusuchen, um ihm die Segnungen der Impfung von Kleinkindern zu bringen? Ist man ein guter Mensch, wenn man für eine lebenslang halbtagsarbeitende Verkäuferin kurz vor Renteneintritt eine "Vertrauensrente" OHNE Bedürftigkeitsnachweis fordert, obwohl ihr Ehemann als Schuldirektor eine fette Pension bekommt - und die Vertrauensrente faktisch von einer jungen alleinerziehenden Verkäuferin verdient werden muss? Ist man gut, wenn man für Kinderschänder drakonische Strafen fordert und auf deren Abschreckungswirkung setzt oder wenn man als Forscher mit bildgebenden Verfahrungen Veränderungen im Gehirn der Täter analysiert und deren Schuldfähigkeit diskutiert?
Ich denke, das das Fehlen übertriebener Ängste uns ermöglicht, Dinge zu tun, die wir uns bei Vorhandensein jener Ängste nicht zutrauen würden. Daraus resultiert aber nicht automatisch "gutes Handeln". Die Einsicht, dass das Risiko, in der 80er-Zone geblitzt zu werden, gering ist, kann zu ethisch fraglichem aber "mutigem" Rasen führen.