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Sommer-Melancholie17
Mal ein bissl weniger nackte Haut. aber hoffentlich genug Stimmung.
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Melancholie

@yokuwakare
durchdringung des seins...gefällt mir...
javinia
wenig philosophisch, sorry dafür
spätestens dann,
wenn ich dem klang der worte nachsinne,
erkenne ich:

melancholie ist dunkel, aber weich und melodisch...
schwermut - ist wie eine welle, die mich an den strand spült.....
erst tief und breit und dann ein "knackiges" mut
depression - alleine das wort tut mir schon weh im klang.....

depression ist eine erkrankung....
melancholie/schwermut ist eine stimmung - ein durchatmen
*******alm Paar
7.574 Beiträge
cioccolata
*top*

melancholie ist auch,
der blick nach außen gewandt und nach innen gerichtet.
selbstbetrachtung!

versuch der aufklärung durch erkenntnis...................

calm*wink* zum wochenausklang
innen und aussen
...sowohl als auch..licht und schatten

wir haben eine dunkle seite, die es gilt zu integrieren...
die uns auch glück schenkt und unglück...wilson vergleicht es auch mit dem phänomen des lachens und weinens gleichzeitig...kennt ihr das ...
erfahrung und erkenntnis...calm...zum abendeinklang...

*zig*

javinia
@javinia
Im ICD-10-GM ( = Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme Version 2009 )
wird die Melancholie direkt gar nicht erwähnt, sondern fällt wohl unter:
• Psychische und Verhaltensstörungen ( F00 - F99 )
Untergruppe: Affektive Störungen (F30-F39)
und davon die: Depressive Episode ( F32.-)
oder: Leichte Depressive Episode (F32.0)

Die Kodes der AMPD ( = Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie ) kenne ich nicht. *zwinker*

Damit hatte ich im Krankenhaus nicht direkt etwas zu tun.

Allerdings wenn Melancholie dort erwähnt wird, egal in welcher Abstufung, wird sie auch dort als "Störung" bzw. "Krankheit" gesehen, sonst stände sie vermutlich nicht darin.

Natürlich ist das nur eine persönliche Meinung zur Melancholie, aus der man selbstverständlich ablesen kann, dass ich wohl nicht wirklich eine "romantische" Einstellung zur Melancholie habe.

Wer diesem Gemütszustand etwas Positives abgewinnen kann, dem sei das natürlich gegönnt.

(Ru)dolf *love*
@ClaRu
nun...da scheiden sich die geister...dem ist auch nichts mehr hinzuzufügen als...es gibt sie die affektiven störungen und depressiven störungen usw. und da sind..auch...melancholische wesensarten, welche nicht nur in der dauerhaften schwermut sich befinden...aus meiner sicht...

nun wir sind ja hier in einem philosophischen forum ..und nicht um psychopathologische fragen zu diskutieren...zumal das gerade unbeweglich zu sein scheint....ich ziehe vor...meinung und meinung stehen zu lassen...nebeneinander... und zur auseinaderstzung anzuregen....mehr geht wohl nicht....
ach ja
kannst ja mal amdp als suchbegriff eingeben...vsolltest du interessiert sein...vielleicht begegnet dir das manual....oder einen buchladen fragen...

javina
*******alm Paar
7.574 Beiträge
ClaRu......
dann laß ihn uns!
was du nennst sind beschreibungen, gleich einer ordnung, die nichtmal weiß, woher sie kommt! beschriebene statistik, mehr nicht!

sowas fällt bei mir unter abm!

ein versuch sich in wichtigkeit bezahlen zu lassen!

calm*wink* in skepzis derer
Naja ...
... ich habe nur meine Sicht der Melancholie ausgedrückt, wenn auch mit einem Zitat Freuds. Spricht etwas dagegen?

sowas fällt bei mir unter abm!
Ein versuch sich in wichtigkeit bezahlen zu lassen!
warum denn gleich so unter die Gürtellinie...
Ich sehe keine Stelle in meinen Beträgen zur Melancholie, die irgend eine andere Meinung abwertet oder ähnliches.

sind beschreibungen, gleich einer ordnung, die nichtmal weiß, woher sie kommt! beschriebene statistik, mehr nicht!
Meine Beschreibungen waren nur Korrekturen der Defintionen von ICD bzw AMPD.
s. o.
ICD 10 (=Internationale Classifikation psychischer Störungen) und vor allem die AMDP-System (=Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde)
Und ich habe diese "Statistiken" keineswegs ins Gespräch gebracht.

Ich hoffe doch, dass es nach wie vor hier erlaubt ist eine andere Meinung zu haben. Ich sehe im Eröffnungsthread dieses Themas keine Stelle, in der die Aufforderung steht, sich nur zu äussern, wenn man die Melancholie als etwas persönlich wertvolles ansieht.

(Ru)dolf *love*
mal davon abgesehen, dass jeder seine sicht darstellen darf und sollte, wie sonst kann es austausch geben...
*yo*

melancholie - ist für mich - in einer "familie" zu
"blauer stunde" oder dem musikalischen "blues"...

melancholie ist wie das tiefe ausatmen
nach sehr viel "einatmendem überschäumender lebensfreude"
etwas, was zu mir gehört- zum wieder "einschwingen"...

während ich depression,
(wenn es nicht die akute phase der verarbeitung nach krise, verlust, trauerarbeit ist..... )
als erkrankung sehe, die behandelt werden sollte....
weil sie sich von alleine kaum "verflüchtigt"
@ClaRu
ein Kurzhinweis: Die "Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie" (AMDP) ist Herausgeber des AMDP-Systems: dem "Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde".
Deren Werke wurden im Hogrefe Verlag veröffentlicht


wir sollten auf einem Diskussionsniveau bleiben ....

dabei sollten wir vor allem uns bewusst sein, dass wir uns zum einen in einem internet-forum befinden und zum anderen es immer mehrere positionen zu einem thema gibt.
ersteres bedeutet, an ermangelung des augen- und körpersprachkontaktes können noch mehr missverständnisse auftreten als sowieso in der interaktion...und zweiteres, als eröffnerin dieses threads stimme ich dir bei, dass es keinerlei aufforderung diesbezüglich gab...

wie ich bereits erwähnte ist die wissenschaft sich da genauso uneinig wie wir dies hier widerspiegeln...

meine position ist jene, dass die melancholie keine depressive erkrankung darstellt...es aber je nach umstand und persönlichkeitsstruktur uvm. zu einer erkrankung werden könnte...
wir sollten darauf verzichten uns weiter mit den kriterien und einzelheiten der formen von depression zu befassen...

liebe grüße javinia
*******alm Paar
7.574 Beiträge
ClaRu,
entschuldige bitte, aber ich meinte nicht dich und deinen beitrag, sondern eher die veröffentlichungen von statistiken und einteilungen, hierbei reitet mich immer mein freund skeptiker!

calm*wink*claru*friends*
Null Problemo
... wie mein Lieblingsausserirdischer (Alf) immer sagte.

@**lm - Entschuldigungen sind nicht nötig, aber trotzdem danke für die Klarstellung ...

sondern eher die veröffentlichungen von statistiken und einteilungen, hierbei reitet mich immer mein freund skeptiker!
Im Allgemeinen bin ich bei Statistiken ebenfalls ausgesprochen skeptisch. Allerdings dienen die oben genannten Kodes weniger der Statistik, als viel mehr dem Mammon, da sie erstellt wurden um das Abrechnungswesen im Gesundheitswesen zu rationalisieren. ( Natürlich ist die Sache deswegen nicht mit weniger, sondern eher noch mit mehr Skepsis zu sehen, allerdings nicht aus statistischen Gründen *zwinker* )

meine position ist jene, dass die melancholie keine depressive erkrankung darstellt...es aber je nach umstand und persönlichkeitsstruktur uvm. zu einer erkrankung werden könnte...
So sehe ich das auch, und habe deshalb in den "romatischen" Fluss der Beiträge mal den psychologischen Aspekt eingebracht. Ich hatte nicht die Intention, eure Beiträge zu kritisieren.

( und nicht, dass ich falsch verstanden werde. Romantik ist ein sehr schöner Wesenszug des Menschen, den ich nicht missen möchte. )

(Ru)dolf *love*
@calm...claru und den rest
melancholie: die gegensätze vereint...
und das sind wir nun auch...es zeigte sich dieses...

ihr alle...
ganz wunderbare auseinandersetzung hier...mehr noch...wir konnten uns trotz zunächst anmutender heftigen grundsatz und missverstanden - diskussion...arrangieren..nein ...
beinahe
den nenner nennen...
in diesem sinne

ich danke euch allen
*knuddel2*
javinia
stilles schweigen
Es wächst die Stille, wie die Schatten des Nachmittags wachsen; da wird Schweigen immer tiefer, wie unter einer beschwörenden Zauberformel. Gibt es etwas so Beráuschendes wie der Stille? So rasch der Trinker den Becher an die Lippen führt: Der Wein berauscht ihn nicht so rasch wie mich die Stille, die mit jeder Sekunde wächst. Und dieser Becher Weins, ist er nicht wie ein Tropfen, verglichen mit dem unendlichen Meer des Schweigens, aus dem ich trinke?...Du bist ganz versunken und hast die Sprache vergessen...

Soren Kierkegaard



Ich muss ihn einfach zitieren....
tätige Melancholie
Statt mich in Verzweiflung gehen zu lassen, habe ich mich für die tätige Melancholie entschieden, insofern Tätigkeit in meiner Macht stand, oder, mit anderen Worten, ich habe die Melancholie, die hofft und strebt und sucht, einer Melancholie vorgezogen, die trübsinnig und tatenlos verzweifelt.

Vincent van Gogh, (1853 - 1890)
*******alm Paar
7.574 Beiträge
sinnesrausch,
war das vor oder nach dem ohrabschnitt?

calm*wink* frage zum schönen wochenende!!!!!
in verzweiflung
gehen lassen...nein...van gogh..niemals - allzu lange - der verzweiflung... gehen lassen....ein bisschen dennoch..
um sich
aus diesen taten entwicklen..kreativ..das ist der sinn ...
sinnesrausch..im rausch der sinne... ertrinken....schlürfen
ein wenig...ohne (er)trinken...dennoch trunken...spüren...jetzt..könnte es geschehen...vollendung...werden

ohne das alles...könnte ich nicht ...weiter ...gehen....


"...Ein Mensch, der keine Angst mehr hat, steht am Abgrund..."
C.G.Jung


Träne ...
Von meinen Augen fällst du,
runde Schönheit.
Fast Frucht, fast Mond,
so hilflos fällst du.
Du kehrst zurück
zum reineren Tages-Wasser,
dunkle Nahrung
hoher weißer Lilien.
Kurzlebiges Gehäuse
der Melancholie.
Nichts als eine Träne.

(Eugenio de Andrade: Träne)


Was ist Melancholie?
MELANCHOLIE ist für mich der Zustand grau beschwingter Traurigkeit. Wenn ich z.B. im Spätherbst nach Hause fahre, sind häufig Nebelschwaden und tief hängende Wolken meine Begleiter.

Das Zwielicht und die Scheinwerfer lassen dann in der anbrechenden Dunkelheit Bäume, Sträucher und Nebelschwaden am Wegesrand unwirkliche Schattenspiele ausführen. Meine Gedanken wandern und wecken längst vergangene Episoden in mir. Ich kann mich mit eng vertrauten Menschen, die schon lange tot sind, über aktuelle Probleme unterhalten und ich bekomme Antworten.

MELANCHOLIE ist für mich die Erinnerung an und auch die Zwiesprache mit meinen lieben Verstorbenen.
~
heute gelesen: *les*



Die Moderne Gesellschaft in Europa tanzte, sofern sie der Anziehungskraft des Tangos erlegen war, einen melancholischen Tango.

Diese Ausgangsthese fasst den in Europa getanzten Tango als Ausdruck eines melancholischen Gestimmtseins in Europa auf. Der Tango besaß in Europa in den 10er und 20er Jahren sowie in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine besonders hohe Beliebtheit. Für diese Jahre sind gesellschaftliche Stimmungen zu beobachten, die sich mit der Rezeption des Tangos in Verbindung bringen lassen.

Melancholie stellte, so die Annahme der Autorin, das Bindeglied zwischen europäischer Moderner Gesellschaft und dem Tango dar.

...Die Melancholie als ein körperlicher, geistiger und seelischer Zustand sei Leitfaden der Arbeit, Auswahlkriterium für behandelte Themenkomplexe, Kritik der Moderne und zugleich Teil einer Antwort für die Suche nach einem möglichen Umgang mit ihr.

Die Melancholie, in ihrer Eigenschaft des Wahrnehmens der Welt in einer anderen Weise als die alltägliche, wird den Blick auf das Gestimmtsein der beiden Lebenswelten Tango und Moderne Gesellschaft öffnen...

Diese Arbeit möchte den melancholischen Ton der Seele erklingen zu lassen, den Körper und Geist des Modernen Menschen melancholisch tanzten.


tango als ausdruck der melancholie in der modernen gesellschaft
einblicke und ausblicke aus melancholischen welten
(eine fachstudie von vicky kämpfe )
quelle: fachzeitungen.de

...Die Melancholie als ein körperlicher, geistiger und seelischer Zustand sei Leitfaden der Arbeit, Auswahlkriterium für behandelte Themenkomplexe, Kritik der Moderne und zugleich Teil einer Antwort für die Suche nach einem möglichen Umgang mit ihr.

cioccolata, sie erscheint mir auch als ein antrieb, ein leitfaden, der das leben bestimmt, sichtweisen und fragen...der umgang mit ihr will gelernt sein
lasse ich tangotänzer vor meinem geistigen auge vorübertanzen, so kann ich das beinahe nachvollziehen.
in jedem fall werde ich mich auf dieser homepage einfinden.
*******alm Paar
7.574 Beiträge
cicco,
darüber gab es eine sendung im wdr5, ganz schön diese sichtweise!

schön, dass du es hier aufgenommen hast!

calm*wink*
Guten Morgen !

Zumindest aus "Al Bundy" dürfte der Film "Magnolien aus Stahl" bekannt sein - vielleicht hat ihn auch die eine oder andere Frau mal gesehen ? Ich glaube, es ist die gealterte Shirley McLaine, die jene Melancholikerin darstellt, die ziemlich weit gegen Ende des Films so schön sagt: Nein, es geht Ihr nicht schlecht, nein, sie hat keine Probleme - sie ist einfach nur schlecht gelaunt, und das seit 35 (?) Jahren !

Melancholie passt einfach nicht in die Modernen und Postmodernen Ansprüche an den Menschen, dem beständig das Ideal des aufgeräumten, dauergrinsenden Sanguinikers, des "positiv" Denkenden vorgehalten wird - in den stählernen Magnolien ist es die perverse Fröhlichkeit der an Krebs dahinsiechenden pretty woman Julia Roberts, die nicht nur Pegg Bundy immer wieder ganze Tempo-Familenpackungen vollheulen lässt: hach ! - Und dieses Vollheulen, dieses Ergriffen sein von jener gußeisernen Fröhlichkeit ist genau die Anbetung jenes Ideals kontrafaktischer Heiterkeit, die US-weibliche Variante von der Deutsch-männlichen Fröhlichkeit von Heinz Rühmann und Hans Albers im Mann, der Sherlock Holmes war: "Jawoll meine Herrn !" (Nebenbei: Dieses Männerduett in der Badewanne gesungen ist eine der beachtlichsten Leistungen der Filmgeschichte - zumal zur Nazizeit.)

Aus der oben zitierten Freudschen Beschreibung stimmt eigentlich nur eines - aber das wichtigste: die Abgeschiedenheit des Melancholikers von dem, was der Fall ist: der Welt. Christopher Street Day, Love Parade, FC Bayern München - nichts ist dem Melancholiker mehr zuwider, als der lärmende Betrieb der Masse, der common sense, der Führer, der befiehlt, und die, die ihm folgen. Er steht abseits, an den Türstock gelehnt, und betrachtet das Ganze mit einer Mischung aus Ekel und Langeweile.

Durchaus nicht stimmt, daß der Melancholiker unfähig zur Leistung sei - ein Melancholiker wie Dr. jur Franz Kafka konnte immerhin in Jura promovieren, danach verantwortliche Position in einer Behörde einnehmen, und zugleich ein beträchtlich umfangreiches, hochwertiges literarisches Werk produzieren. In der Abgeschiedenheit von der Welt, die der Melancholiker betrachtet, wie durch eine Glaswand, entwickelt sich so manches zur vollen Reife, was von der Inanspruchnahme durch die lärmende Fröhlichkeit der postmodernen Welt ansonsten erstickt wird. Er kann hohe, höchste Begabungen entwickeln, und sie auch nutzen - der intelligente Melancholiker weiß zudem von seiner Aussenseiterposition, und daß er darob besser sein muß, als die Fröhlichen und Gesunden, die darlings of everybody.

Die philosophische Schule des Melancholikers ist der Zynismus. In seinem Bestreben nach Ruhe und Abgeschiedenheit schraubt der Melancholiker nicht nur seine materiellen Bedürfnisse gnadenlos herunter. Er bleibt, aus der Sicht seiner Umwelt, seiner Lehrer und Vorgesetzten, seines Ehegatten beständig weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Doch der verhältnismässig bescheidene Job, den er dann letztendlich tut - tut er mit links. Er arbeitet wenig, weil er weiß, das sich Arbeit nicht wirklich lohnt, und stets mit Nervereien verbunden ist. Er ist keineswegs faul - in seinem stillen Kämmerlei vermag er beträchtliche, umfangreiche Tätigkeit zu entfalten. Doch nur dann, wenn er dabei in Ruhe gelassen wird. Stundenlang, tagelang kann der Melancholiker darüber sinnieren, wie man eine Arbeit, für die der "Normale" 2 Stunden braucht, in 1 Stunde und 50 Minuten erledigen könnte. Meistens schafft er es dann in 1 Stunde und 30 Minuten - nicht, weil er ein Effektivitätsfanatiker ist, sondern weil es ihn ekelt, und er bloß schnell wieder seine Ruhe haben will. Eben weil er ein Aussenseiter ist, der die normalen Regeln verabscheut und verachtet - ist er mitunter ungeheuer kreativ. Er findet immer Aus- und Schleichwege, wenn etwas hakt oder klemmt, behält in Krisensituationen eine unerschütterliche Ruhe - weil ihn die Krise eigentlich garnicht betrifft, erreicht. Warum auch ? Das schlimmste, was passieren könnte, wäre der Weltuntergang, und gegen den hätte der Melancholiker überhaupt nichts einzuwenden. Nicht umsonst sind die eiskalten Revolverhelden im Western, die Typen mit den unerschütterlich kalten Nerven häufig Melancholiker: sie pokern hoch - weil ihnen der mögliche Verlust auch des eigenen Lebens letztlich völlig gleichgültig ist. Gleichgültig ist er auch anderen Leben gegenüber. "Erschütternd" oder "unfassbar" oder "entsetzlich" ist es keineswegs für ihn, wenn jemand stirbt, und wenn es Massensterben oder Massenmorde sind. Misanthropisch, wie er nunmal ist, sind solche Ereignisse für ihn auch nur langweilig und nervig. Zu den schlimmsten Zumutungen gehört es für ihn, wenn er einstimmen muß in den Chor der Trauernden und eine allgemeine "Betroffenheit" - der Melancholiker ist nie betroffen, von nichts. Die Welt ist für ihn sowieso ein Jammertal, der Mensch an und für sich nicht ein Ebenbild Gottes sondern eine brutale Bestie (hervorragend dargestellt in "Alien" von Ridley Scott) und seine Mitmenschen ausnahmlos Arschlöcher, unterschieden lediglich durch den Grad ihrer Lästigkeit. So ist es für ihn egal, wenn sich so ein Arschloch aus dem Jammertal verabschiedet, eines oder ein paar Millionen - so what ? Mitleid ist wohl das Gefühl, daß ihm am fernsten ist: fremdes Leid lässt ihn völlig gleichgültig, und philantrophische Helden, die sich dem Unrecht und der Not unter Einsatz des eigenen Lebens entgegenstemmen, sind für ihn einfach nur Dummköpfe.

Sein Witz ist sarkastisch bis in extremste Formen hinein - tiefschwarz sieht er seine Mitmenschen: und meistens liegt er da garnicht so falsch. Er ist radikal pessimistisch. Das Glas ist nicht halbvoll, noch nicht einmal halbleer, sondern "eigentlich" jetzt schon völlig leer und zerborsten. Er ist der, von dem man stets sagt: "Er hat es gleich gesagt." Er verletzt oft schon rein prophylaktisch, kultiviert eine Anti-Nettigkeit, Kratzbürstigkeit, Unzugänglichkeit - wer ihm nahe kommen will, hat es ganz schön schwer, braucht eine extreme Leidensfähigkeit. "Beziehungsunfähig" würde man ihn wohl nennen - auch wenn er in Beziehungen lebt, mitunter verheiratet ist. Ja - das kann der Melancholiker durchaus sein - doch für ihn ist dies nur die Wahl eines kleineren Übels, eine Fassade, ein "fake", das Einvernehmen mit den Idealen und Normen der Welt vortäuscht. Doch in der ehelichen Wohnung hat er sein eigenes Zimmer ("Arbeitszimmer"), häufig ein recht kleines, vollgestopft mit Büchern und skurrilem Krimskrams, das er nur im Notfall verlässt. Und gemeinsam mit dem Partner zu schlafen ist ihm ebenfalls ein Greuel. Er kann ein recht angenehmer Gatte sein - wenn man ihn in Ruhe lässt. Er ist bequem, und lässt seinem Partner ungeheuerlich viel Freiheit. Doch seine Aktzeptanz für Affairen und Nebenbeziehungen seines Partners ist keine Toleranz, sondern schlichte Gleichgültigkeit: er ist froh, daß er weniger in Anspruch genommen wird, die Wohnung öfters für sich alleine hat. Umgekehrt ist er ein idealer Partner für Affairen, Nebenbeziehungen und Seitensprünge - daß er nämlich "mehr" wollen könnte, ist völlig ausgeschlossen. Er will nicht "mehr" - sondern weniger.

Sein Traum vom Wohnen wäre der Leuchtturm "Roter Sand", wenn dieser nur nicht so furchtbar nahe an der Küste stehen würde - etwas weiter draussen, so zwischen den Orkneys und Norwegen würde ihm doch noch besser gefallen.

Er haßt Sex in der Missionarsstellung - weil sie extremes nah-sein, Vereinnahmung, Hingabe bedeutet. "Hingabe" ist etwas, was dem Melancholiker völlig fremd ist, und er schaudert vor Menschen, die sich gerne total ausliefern, Subs und Masos - obschon er sie manchmal nicht ungerne benutzt. Nicht weil er dominant oder sadistisch wäre. Dominant zu sein hieße ja schon wieder "Verantwortung" zur übernehmen - und diese Belastung haßt er wie die Pest. Soll der andere doch sehen, wie er zu seinem Orgasmus kommt, gefälligst für sich selbst sorgen. Der normale Sex, ein bischen schmusen, fummeln, oral stimulieren, und dann "Geschlechtsverkehr" - das gruselt ihn. Eben weil es so "normal" ist - er hat einen Hang zu Perversionen und Deviationen, alleine weil er sich dadurch abgrenzen kann vom normalen - und weil er nicht das mulmige Gefühl haben muß, am Ende doch noch Nachwuchs in die Welt zu setzen, der wieder nur nervig ist, "verpflichtet" und ihn in seiner Ruhe stört. Der Melancholiker ist aber auch ein Gruppensex-Typ: er gönnt gerne seinem Partner und allen anderen gerne etwas, sehr gerne auch sehr viel, und pickt sich aus dem Gewusel seine Häppchen heraus, wie aus einem kalten Buffet diese leckeren kleinen orangefarbenen Früchte mit den dekorativ vertrockneten Blättchen drum herum. An der Balgerei um den Hummer beteiligt er sich dagegen aus Prinzip nicht. Er kann "cuckold" sein (oder das weibliche Gegenstück) - aber nicht deswegen, weil es ihn "sexuell erregen" würde, sondern einfach nur, weil es im Vergnügen macht, zuzuschauen, wie jemand anderes seine Arbeit tut und sich abrackert, wo er sich normalerweise abrackern müsste.

"Verpflichtung" ist ihm ein Greuel - und er haßt nichts mehr, als regelmässige "dates" in Familien, Vereinen oder mit Freunden. Den Melancholiker mit zu den Eltern zu nehmen, ist für seinen Partner stets mit dem Risiko verbunden, enterbt zu werden. Denn der Abscheu des Melancholikers vor dieser Verpflichtung ist so gewaltig, daß er sich mit enormem Fleiß daneben benimmt, unmöglich macht, kein Fettnäpfchen auslässt - um ja bloß nicht mehr eingeladen zu werden.

Der Melancholiker ist alles andere als unglücklich - im Gegenteil. Sein Glück ist still und bescheiden, leise und heimlich. Am glücklichsten ist er, wenn er alleine ist, sich gerade von jemand oder etwas verabschiedet hat. Er lässt gerne los, und entspannt sich. Er sitzt auf Parkbänken und alleine vor leeren Cafés in der Fußgängerzone, mit einer Zeitung oder einem Buch als Schutz vor Ansprache. Er spaziert über Wald und Feldwege, fährt mitunter auch Motorrad - weil: da hat er seine Ruhe vor dem Rest der Welt. Mit großer Sorgfalt widmet er sich kleinen Freuden: Nudeln mit Tomatensoße, Pellkartoffeln mit Quark, selbstgedrehten Zigaretten, eine Dose Bier von der Nachttankstelle - das sind die Feste des Melancholikers, die er genießen kann, wie andere einen Faschingsball.

Er kann ein guter Freund sein, wenn klargestellt ist, daß der andere ihm nicht nahekommen kann - deswegen bevorzugt er Freundschaften mit Leuten, mit denen von vorneherein eine Distanz gesichert ist, allzu große Nähe zuverlässig ausgeschlossen ist. Es sind nicht die Berufskollegen und Sportsfreunde, sondern die ganz anderen, zu denen er sich hingezogen fühlt, und denen er sich öffnen kann. Er liebt die Randständigen und Parias, die Nebelkrähen und outlaws - und natürlich: seinesgleichen, mit denen er sich nächtelang über den Unsinn der Welt auslassen kann, und dabei mitunter befremdliche Fröhlichkeit an den Tag legen kann.

Er ist kein Tröster im Unglück, aber einer, der Wege aus dem Unglück aufzeigen kann - kreativ, wie er nunmal ist. Seine Hilfe ist nicht altruistisch - ihn reizt die Aufgabe, und das Experiment. Er hilft auch nur dann gerne, wenn es nicht mit ernsthafter Arbeit verbunden ist, aber ist aus Gleichgültigkeit materiellen Dingen gegenüber auch recht großzügig. Er liebt höflich-distanzierten Umgang, und gepflegte Konversation in kleiner Runde und unter 4 Augen. Doch von Dauer sind seine Freundschaften nie - irgendwann wird es immer zu eng für ihn, zu nervig - und er bricht aus, gibt sich wieder kratzbürstig und unnahbar.

Seine soziale Bedeutung liegt gerade in seinem Aussenseitertum, seiner Kreativität. Die Melancholie ist der Nährboden der Künstler, der Entdecker und Wegbereiter, aber auch der Kassandra, die sich vor den Danaern auch dann fürchtet, wenn sie Geschenke bringen. Eben weil er alles grundsätzlich anders macht, alles anders sieht - und rabenschwarz.

In seinem Bestreben von der Normalität weg öffnet er neue Türen, produziert Ideen und Erkenntnisse - auch ohne damit für sich selbst "nachhaltigen Erfolg" zu erzielen. Dafür fehlen ihm die nötigen sozialen Eigenschaften. Wenn er überhaupt je berühmt wird, dann posthum. Seine Fähigkeit, Lösungen und Wege ab- und jenseits der Normalität zu finden, macht ihn in der Krise zum Mann (oder zur Frau) der Stunde. Wenn die unfassbare Katastrophe eintritt (die der Melancholiker schon immer geahnt hat), das Unmögliche (das für den Melancholiker nie unmöglich war) möglich gemacht werden muß, empfindet er eine wohlige Behaglichkeit. Die Welt dreht sich um - und dreht sich auf einmal um ihn selbst, den Aussenseiter - hervorragend beschrieben in der "Pest" von Camus. Mit dem Teufel zum Schachspiel setzt er sich mit perverser Wollust an einen Tisch. Die private wie öffentliche oder allgemeine Katastrophe ist sein Karneval, spornt ihn zu Höchstleistungen an. Doch sowie der Pulverdampf sich verzogen hat, verschwindet er wieder im Hintergrund. Der Sieg, der Erfolg, die Rettung - das ist sein Aschermittwoch - und hinterlässt nichts in ihm, als eine gewisse Leere und Müdigkeit. Freude empfindet er nicht. Den sich nun alsbald nach vorne Schlängelnden, die die Früchte seiner Kreativität ernten, setzt er wenig Widerstand entgegen, läßt sich einfach und billig abfinden, beiseite schieben. Denn sowie das sichere Ufer wieder erreicht ist, Normalität einkehrt, wendet man sich wieder vom ihm ab, und wieder den grinsenden Strahlemännern zu - und auch der Melancholiker verliert wieder jedes Interesse, verzieht sich wieder in seine grummelnde Abgeschiedenheit.

Melancholische Grüße vom

Nacktzeiger
~
*haumichwech* *rotfl* *lach*


die lach tränen wegwischend
*******alm Paar
7.574 Beiträge
*top*
cicco!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

und das alles nackt geschreibselt! *ggg*

@*******iger, hau das boot nicht so voll, sonst sinkt es!

calm*wink*
wenn es sinkt
können wir immer noch so tun, als ob wir zeitung lesen und uns retten-vor ansprachen...
Javinia
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