Melancholie

ich denke, melancholie hat auch geschwister,
euphorie und trübsinn!

Melancholie als Muse, Personifizierung, Zeichen von Genie

Es liegt in Schwermut etwas Unerklärliches. Wer Leid oder Kummer hat, weiß, weshalb er traurig oder bekümmert ist. Fragt man einen Schwermütigen, was der Grund seiner Schwermut sei, was als Last auf ihn drücke, so wird er antworten:

ich weiß es nicht, ich kann es nicht erklären. Darin liegt die Unendlichkeit der Schwermut. Jene Antwort ist durchaus richtig; denn sobald der Mensch den Grund weiß, ist die Schwermut behoben. Dahingegen ist bei dem Trauernden das Leid ganz und gar nicht damit behoben, daß er weiß, weshalb er Leid trägt.

Søren Kierkegaard

Das Schöpferische, wenn es einer großen Anstrengung entsprang, läßt uns ausgeleert und melancholisch zurück.
Rolf Hochhuth

Melancholie versetzt uns in die Lage, Schönheit zu erfahren. Wenn ich Schönheit sage, so meine ich nicht eine Postkartenschönheit, die höchstens hübsch gemacht genannt zu werden verdient: perfekte Sonnenuntergänge vor einem Küstenpanaorama, malerische Rundblicke von einem Berggipfel aus ...(....).Die Schönheit, die mir vorschwebt, ist wilder: der gewaltige Ozean, der sich unter friedlichen Sonnenstrahlen aufbäumt, oder finstere, gezackte Berggipfel, die an den Händen blutige Spuren hinterlassen, oder diese unvergesslichen Gesichter, die uns wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit von Nase oder Mund als einmalige Eindrücke dynamischer Harmonie in Erinnerung bleiben. (...) Das aufgewühlte Meer offenbart ein erhaben schmerzdurchdringendes organisches Prinzip. Ebenso steht das zerfurschte Gesicht im Bezug zu einem tätigen, agilen Geist. Dieses Meer, dieses Gesicht: beide sind wirklich schön, weil sie den Tod, den sie in sich tragen, nicht verschweigen. Das stürmische Meer offenbart Zerstörung und Schöpfung; das vom Leben gezeichnete Gesicht zeigt Verfall ebenso wie Wachstum.
Schönheit ist also tatsächlich nur erfahrbar, wenn wir eine melancholische Grundverfassung m8itbringen, die in uns die Ahnung lebendig erhält, dass alle Dinge dieser wedlt vergänglich sind. (...) Wer die Berührung mit dem Tod vermeiden will, verzichtet auf Schönheit zugunsten von Niedlichkeit, von kraftloser Auflehnung gegen den Verfall. Wer dagen den Tod nicht ausklammert, öffnet sein Herz für Erfahrungen von unvergleichlicher Lebnendigkeit.

Wilson, Eric G. : Unglücklich glücklich. Von europäischer Melancholie und American Happiness, Stuttgart 2009, S.136-138

Melancholie liegt allem zu Grunde, so wie am Ende und tiefsten Punkt aller Flüsse das Meer liegt. Kann es anders sein in einer Welt, in der das Nichts von Dauer ist, in der alles sterben muss, was wir geliebt haben und was wir lieben werden? Ist also der Tod das Geheimnis des Lebens? Wie die Nacht, die das Universum umfängt, so umfängt die Dunkelheit ewiger Trauer mehr oder weniger eng jede ernste, denkende Seele.
Henri Frederic Amiel

Melancholie ist die leichtgewordene Traurigkeit.
Italo Calvino

Wenn wir es mit unseren diversen Spielarten von Befremdung, Lähmung und Gereiztheiten aushalten, werden wir eine überraschende Entdeckung machen: Melancholie verbindet uns in unserem Wesen.
Eric G.Wilson

Melancholie ist die leichtgewordene Traurigkeit.