"Zur psychologischen Phänomenologie der Löcher"
So lautet der Titel eines im besten Sinne witzigen sartirischen Feuilletons von Kurt Tucholsky - wer seinen "Tuch" im Schrank stehen hat, wird eingeladen, mal nachzuschlagen !
Darin stellt Tucholsky unter anderem die interessante Frage, warum es keine halben Löcher gibt.
Nichts ist auf jeden Fall kein Loch - weil ein Loch schon wieder etwas ist. Und insofern stimme ich meiner Vorschreiberin von S. 2 zu, wonach das logische Gegenstück zum Nichts nicht etwa Sein, sondern Etwas ist.
Weil Etwas - ein Gedanke beispielsweise, oder eine Melodie aus dem Lautsprecher - muß nicht unbedingt "sein" - es kann gewesen sein. Dadurch, daß etwas vorbei ist, wird es noch lange nicht zum Nichts. Es verbleibt eine Erinnerung, möglicherweise kann etwas auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Zukunft auch über das Ende seines Seins hinaus entfalten - ein Beischlaf beispielsweise, oder eine Atombombe. Wenn beider Existenz beendet ist, ist da etwa dann Nichts ? (Gut, nach manchen Geschlechtsverkehren hat man da wirklich das Gefühl, als wäre da wirklich Nichts gewesen - aber das ist weniger ein philosophisches, als ein Sexualtechnisches oder Sozialpsychologisches Problem.)
Nichts als Entität gibt es wohl nicht - nur als philosophisch-abstrakten Begriff. In der Alltagssprache jedoch ist Nichts eine durchaus inhaltsreiche Angelegenheit. Wenn man beispielsweise jemand fragt, was lost ist, er zöge so ein Gesicht, und er antwortet: Nichts - dann ist da nicht Nichts, sondern etwas, und zwar meistens sogar etwas viel. Nichts ist also insofern eine sprachliche Chiffre, die etwas, möglicherweise sogar eine Entität, vor dem fragenden Subjekt verbirgt. Die Entität kann beispielsweise der Liebhaber im Kleiderschrank der Frau sein, oder eine rätselhafte Abbuchung auf dem Konto des Ehemanns. "Das ist Nichts ! Mach Dir keine Gedanken !" - Doch gerade das Gegenteil ist dann regelmässig der Fall.
In einem Feuilleton in der ZEIT, die ich eine Zeit lang las, eigentlich sogar ziemlich lange, etwa von 1980 bis 1990 - ja da las ich mal eine Geschichte über Heideggers Bruder, einen biederen schwäbisch Sparkassenangestellten, der unter Stottern litt - nur wenn er eine Fasnachtsrede zu halten hatte, sprach er flüssig - aber mit einem skurrilen Wortwitz, für den seine Auftritte in der Region berühmt gewesen waren. Er war in seiner Heimat zu Lebzeiten wesentlich prominenter gewesen, als sein Bruder, der "Professor". Die Autorin des Feuilletons unkte sogar, daß Heideggers Bruder hinter Ausprüchen wie dem vom nichtenden Nichts als gostwrither stecken könnte - warum auch nicht ?
Die Vernichtung - von der Nichtung sorgfältig zu unterscheiden, was aber bitte jemand tun möge, der hinsichtlich Nichts etwas kompetenter ist, als ich - ist ein Akt, der wiederrum nur durch "etwas" geschehen kann: eine Entität muß aktiv werden zum Zwecke der Vernichtung. Wird eine Frage wie die obige mit "Nichts - mach Dir keine Sorgen!" beantwortet, setzt quasi automatisch der Prozeß der Vernichtung von "Nichts" ein - bleibt Nichts einfach so im Raum stehen, droht der Beziehung durchaus Gefahr von Nichts, was es daher zu vernichten gilt.
Möglicherweise ist die Nichtung - was ich allerdings als reine Spektulation betrachtet wissen will - nichts anderers als der Vorgang der Leugnung von Etwas: "Ach - Nichts !"
Nichtiger Gruß vom
Nacktzeiger, dessen outfit erst durch Nichts komplett wird.