Von Schamlippen und versautem Sex
Hallo zusammen!Wir Menschen haben die Sprache gemacht. Sie ist tradiert, etwas historisch Gewachsenes, sich aber auch - träge - Veränderndes. Wir geben die Sprache an unsere Kinder weiter. Und mit der Sprache sicher auch viel an Sichtweise auf die Welt, d.h. auch mit dem Beibringen von Sprache vermitteln wir automatisch Werte über diese Welt.
Unser Denken ist Sprache, unsere Sprache ist unser Denken. Und wir benutzen sie mit einer Selbverständlichkeit, als könnte es nicht anders sein. Bis dann vielleicht doch jemand über etwas - hier Sprachliches - stolpert und es hinterfragt:
https://www.zeit.de/campus/2 … en-sex-sprache-queer-studies
Ich liebe Schamlippen. Vielleicht habe ich mich auch mal gefragt, warum in dem Wort "Scham" drin steckt, aber die Scham empfunden. Das lag aber vielleicht auch daran, dass mich meine Eltern sehr liberal erzogen und u.a. mit uns Kindern FKK-Urlaube machte und ich Nacktheit als sehr natürlich erlebte. So reicht sicher ein Wortteil wie "Scham" in "Schamlippen" nicht aus, dass man sich beim Gedanken an Schamlippen schämt, aber auch ich erinnere mich an Schamgefühle, die ich in meiner Pubertät hatte, über die ich heute anders denken würde.
Aber ich habe mich damals schon gefragt: wieso ist Sex "versaut" bzw. "schmutzig"? Das schien mir irrig, denn war das nicht etwas ganz Natürliches? Schließlich: wie kam die Menschheit zu Kindern? Und warum sollte so etwas, was so viel Lust bereitet, schlecht sein?
Man weiß heute, dass z.B. Scham- und Ekelgefühle stark angezogen sind. Erziehung geschieht vor allem auch mit Sprache. Ich glaube, da wir eben auch (seelisch) fühlende Wesen sind, dass Gefühle - und seien sie noch so latent dabei - bei uns eine ganz massive Rolle spielen. U.a. reicht die pure geistige Logik nicht einfach aus, dass wir etwas als wahr oder richtig verstehen, wir müssen es auch fühlen. Sonst fühlt es sich halt falsch an.
So habe ich zwar kein Schamgefühl mit "Schamlippen" verbunden (sondern eher eine freudige Vorstellung) und Sex nie als schmutzig emfpunden (mich aber da aktiv gegen gewehrt!), aber, wenn ich gewisse Zeilen las, wie "spreizte die Schenkel" empfand ich immer eine latente Erregung aufkommen. Schon "spreizte", selbst in einem ganz normalen Text, konnte sowas bei mir auslösen. Und wenn ich einen alten Text las, dann war natürlich schnell auch die "feuchte Grotte" lustvoll, wenn er "Speer" dann in sie drang. Manchmal lernt man schnell gewisse Vokabeln einer Sprache und sei es die eigene.
Aber neben den Lust-auslösenden Gefühlen: wie sehr prägt diese Sprache auch umgekehrt? Wie sehr ins Negative? Wie sehr ins Diskriminierende? Wie sehr prägt sie unser Leben und welche "Chance" haben wir, uns davon wieder zu lösen und zu "befreien"?
Denn wir dürfen ja nicht vergessen, dass lange Zeit eine starke Sexualfeindlichkeit geherrscht hat (u.a. durch den Einfluss der Kirche) und wir eine Männer-dominierende Gesellschaft hatten, von der wir uns leider immer noch nicht ganz gelöst haben. Das spiegelt sich nicht nur in der Sprache, es wird auch sprachlich weitergegeben!
Wenn Jungs mit Autos und Mädchen mit Puppen spielen sollen, dann ist das von Erwachsenen schon ein massiver Eingriff, der sprachlich stattfindet. Aber würden Eltern (Ausnahmen bestätigen die Regel!) ein Kind nicht auch automatisch erst mal so erziehen, als wäre es ganz selbstverständlich, dass es heterosexuell werden wird?
Vieles der Erziehung passiert über Sprache. Und über das hinaus, was man als "Erziehung" kennzeichnen würde, passiert Prägung eines Menschen (z.B. Ekel, Scham) nochmals mehr über Sprache. Die Sprache als wirklichkeitskonstruierendes Mittel.
Also: Schamlippen? Vulvenlippen? Wie prägend ist die Sprache? Was sollten wir ändern?