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Philosophie des Orgasmus

Philosophie des Orgasmus
Hallo, was läge hier näher in oder auf der Hand, als über eine "Philosophie des Orgasmus" zu disputieren?

Der Habermas-Schüler und Musik-Professor (dolle Kombination!) Claus-Steffen Mahnkopf hat ein gleichnamiges Buch verfasst. Das finde ich ganz grandios. Also sowohl, DASS er das geschrieben hat (gab es bisher ja noch nicht sowas), als auch WAS er geschrieben hat. Jede Zeile voller Leidenschaft, der Mann hat den philosophischen Eros im Blut. Und er geht natürlich über pure Sinnlichkeit (die nicht herabgewürdigt wird!) hinaus und entwickelt aus der Sexualität des Menschen eine Philosophie der Befreiung. Ganz großes Kino!

Seine Argumentation im Groben: Beim Orgasmus sei der Mensch ganz er selbst, also frei. Und es gebe keine Unterschiede zwischen Klassen oder Ethnien. Wohl aber - aufgepaßt! - zwischen den Geschlechtern, und zwar ganz entscheidende: Der dauernd im Mittelpunkt stehende Orgasmus des Mannes (im wesentlichen explosive Ejakulation) sei kurz, von Erschöpfung gefolgt und diene evolutionär "nur" der Fortpflanzung - das Sperma muss halt rausgespritzt werden in die Vagina, darum das Ganze. Sehr simpel.

Der Orgasmus der Frau hingegen habe evolutionär keinerlei Bedeutung - für die Fortpflanzung wird er nicht gebraucht (die Frau empfängt auch ohne Orgamus). Er sei mithin Selbstzweck und damit eben nicht minderwertig oder gar teuflisch (wie in teleologischen Argumentationen gefolgert wird mit bisweilen schlimmen Folgen), sondern im Gegenteil ein Wert an sich. Zudem sei er vielfältiger, ausdauernder als der männliche Orgamus, also komplexer auch darum höherwertig.

Männer müssten aber nicht verzweifeln. Auch sie könnten üben, andere, "weibliche" Orgasmen zu genießen.

Eine besondere Bedeutung hat in der "Philosophie des Orgasmus" die Selbstbefriedigung. Ist schon der Orgasmus ohnehin "bei sich sein" und ein "Akt" der Freiheit, so erst recht der Solo-Orgamus. Zumal den niemand einem anderen nehmen kann (na ja gut, von horrenden Verstümmelungen mal abgesehen).

Damit stellt der Autor die gängige Sexualmoral so ziemlich auf den Kopf. Onanieren ist nicht Schande, sondern Zu-sich-Kommen in Freiheit und Glückseligkeit. Der weibliche Orgasmus ist wertvoller als der männliche. Und Sexualität ist dann am besten, wenn sie nur dem Orgasmus dient, nicht der Fortpflanzung.

Genau darum, so der Autor, werde von Mächtigen seit jeher jede Sexualität, die nur dem Orgasmus dient, verteufelt und unterdrückt: weil sie die Menschen frei macht.

Soweit meine Mini-Interpretation. Würde das gerne an- und erregt debattieren *zwinker*
Eine spontane Kritik an den Thesen übe ich nicht ohne Bauchschmerzen: 1. gönne ich meinen Gedanken gerne eine Inkubationsphase um eigenen Widersprüchen auf die Spur zu kommen und 2. habe ich Respekt vor gut recherchierten und geduldig formulierten Erkenntnissen. Egal: nehmt es als ersten Aufschlag zum Warmspielen …

"Bei sich" kann der Mensch auch in anderen Situationen sein: Auf dem Gipfel eines erklommenen Berges,
in der Meditation, mit dem neugeborenen Kind auf dem Arm der Umgebung entrückt … Der Orgasmus stellt eine schöne und zweifelsohne besondere Variante dar, kann aber kein Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen.

Komplexität ist kein Qualitätsmerkmal für sich. Der komplexe Gedanke eines fünfsprachigen und universell gebildeten Philosophen hat eine ganz besondere Qualität, ist aber nicht "wertvoller" als der geniale Geistesblitz eines schwäbischen Tüftlers, dem lyrischen Reim eines verliebten Jugendlichen oder der naiven Frage eines Kleinkindes.

Dass etwas so üppiges wie der weibliche Orgasmus, ebenso wie das sehr differenziert entwickelte Organ der Klitoris im Kontext DER zentralen Funktion des Lebens (des sich Vermehrens) keinen evolutionären Zweck haben soll, scheint mir unwahrscheinlich angesichts des nahezu perfekt ausgebildeten Systems des Ressourcenmanagements aller Lebensvorgänge. Ihn von der Verteufelung direkt in die einseitig Verherrlichung zu befördern, finde ich gewagt.

Sex, der nur zum Zwecke der Fortpflanzung ausgeübt wird, die innige Vereinigung also zum Objekt einer Erwartung gemacht wird, kann vermutlich nicht alle Facetten ausreizen.
Zwangsläufig ist das aber keinesfalls; auch hier scheint mir der Umkehrschluss nicht angemessen. Als wir als junges Paar bewusst nicht mehr verhütet haben, weil wir uns ein Kind wünschten, hatte der Sex sogar eine ganz neue, andere Qualität. War die Vorstellung, dass der Samen ungehindert seine Weg in die Tiefe der Vagina sucht, bis dahin eher angstbesetzt, war der Gedanke plötzlich ein beglückender Begleiter beim Orgasmus tief in der eng umschlungenen Partnerin.

Weniger euphorisch fällt der Blick auf die Selbstbefriedigung zudem aus, wenn sie Anflüge von Suchtverhalten hat; wenn also der entspannende Zustand danach mit einem Moment von Sorgenlosigkeit einhergeht und dieser zum eigentlichen Zweck geworden ist.

Historisch gesehen ist die Kontrolle der Sexualität vor allem durch die Moralhoheit der Kirche tatsächlich spannend. Und es lohnt, sich die Wirkmechanismen der Beschämung klar zu machen.
Dem schamfrei genossenen Orgasmus allerdings eine zentrale Rolle in der Befreiung des Individuums zuzusprechen, finde ich angesichts vieler anderer Faktoren, die dabei mitwirken, übertrieben.
Geht man davon aus, das die Geschichte der menschlichen Fortpflanzung keine Geschichte von Vergewaltigungen ist, so hat der weibliche Orgasmus und die weibliche Lust sehr wohl einen Sinn in der Evolution. Die weibliche Lust mit der Erwartung auf Orgasmen, stellt die Bereitschaft der Frau sicher, den Mann überhaupt ranzulassen. Es ist allgemein bekannt, dass die Lust an den Tagen um den Eisprung besonders gross ist. Und die Erinnerung an das Gefühl des Orgasmus steigert die Lust zur richtigen Zeit, so dass sich Frau nicht nur den stärksten Jäger und Krieger aussucht, sondern auch den besten Liebhaber.

Orgasmen nach Geschlechtern getrennte Wertigkeiten zuzugestehen finde ich auch unangemessen. Das ist m. E. sexistisch.
Interessant ist in dem Zusammenhang auch die Beobachtung, dass die Bonobos (Menschenaffen) ganz regelmäßig, auch mehrfach am Tag, Sex zum Stressabbau treiben, um Spannungen in der Gruppe zu verringern. Ohne ein hormonell bedingtes entspannendes Wohlgefühl wäre das schwer erklärbar.

Man muss auch bedenken, dass die frühen Menschen als kleine Horden durch fast menschenleere Weiten streiften. Kontakt zu anderen Gruppen war lange sehr selten. Man vermutet, dass alle Männer sich mit den Frauen paarten und die Vaterschaft den Kindern nicht zuordnen konnten. Die Gruppe zog die gemeinsamen Kinder gemeinsam groß.
Gut vorstellbar, dass angenehmer Sex auch schon damals die Bindung festigte.

Größere Auswahl an Partnern gab es erst sehr viel später mit der Sesshaftwerdung und
größeren Dorfgesellschaften, die erst durch mehr Nahrung aus Feldbau möglich wurden.
Auch dass Sexualität frei macht ist unlogisch. Sie ist ein Grundbedürfnis, die Bestandteil der persönlichen Freiheit sein sollte. Aber Sexualität an sich macht nicht frei. Wird sie einem verweigert, wird man in seiner Freiheit eingeschränkt, ja. Man kann aber auch durch selbstgewählte sexuelle Abstinenz ein grösseres Mass an Freiheit erlangen als durch das Ausleben seiner Sexualität, die auch als hormoneller Zwang empfunden werden kann.
#GrafTat #Philosophin - ihr bezieht euch jetzt ausschließlich auf meine Zusammenfassung oder auf das Buch selbst?
Wie würdet ihr selbst den Orgasmus philosophisch reflektieren?
Der spezielle Hormoncocktail (den wir heutezutage genau kennen), der unser Gehirn vor, während und nach dem Orgasmus flutet, hat schon immer Menschen ein ganz besonderes Erlebnis beschert: davor eine die klaren Sinne beraubende rauschafte Sucht, die die besten Vorsätze zu pulverisieren in der Lage ist, währendessen eine Welle des erregten Hochgefühls, der Euphorie, das Gefühl, endlich das ersehnte Ziel erreicht zu haben, des entspannt Fließenlassens, aber auch des entrückten Kontrollverlustes. Das Gefühl danach ist stark abhängig von den Umständen: ein wohliges Entspannen bis zur entspannten Schläfrigkeit wenn man mit sich und der Situation im Reinen ist, eine tiefe Verbundenheit, wenn man sich dem Partner vollkommen offenbart und geschenkt hat, ein Entsetzen über die hilflose Entgleisung, ein Blick auf das triebhafte Innere, wenn man meint, einen Tabubruch begangen zu haben.
Gemessen an anderen Situationen, wo man versucht, einen Ausgleich zwischen seinen triebhaften Wünschen und rationalen Erwägungen herzustellen und geplant und beherrscht zu handeln, ist dieses Erlebnis des lustvollen Kontrollverlustes eine Ausnahmesituation.

Es ist ein sog. Flow-Erlebnis: Man ist mit jeder Faser seines Körpers und mit allen Sinnen im Hier und Jetzt gebunden, die Außenwelt scheint zurückzutreten.
Allerdings kann man solche Erlebnisse auch außerhalb des Sex haben, zb bei vielen Extremsportarten. Wer sich schon einmal eine steile Skipiste heruntergestürzt hat und in jeder Sekunde vollkommen damit beschäftigt war, die Situation zu meistern, erlebt trotz oder wegen der allgegenwärtigen Gefahr des Scheiterns (mit entsprechendem Adrenalinausstoß) eine intensive Euphorie mit anschließender Entspannung.

Auch langes, intensives Tanzen kann trancehafte Zustände mit dem Gefühl einer Entrückung verursachen.

Ich denke, dass es diese Erlebnisse des sich Lösens aus gewohnter Kontrolle sind, die uns besonders beeindrucken. Und je nach eigenem moralischen Anspruch Glück darüber oder Furcht davor auslösen.

Für die Kirche, die Mäßigung und Lösung von "niederen" Trieben predigte, war alles unkontrollierte immer "vom Teufel".
Für die Menschen, die Zugang zu den unterschiedlichen Ebenen des eigenen Ich haben, ist das Erlebnis der Entfesselung beim Orgasmus ein sinnlicher Höhepunkt.

Die Prominenz, die der Autor dem Orgasmus zugesteht, entsteht aber nicht unwesentlich aus seiner Tabuisierung bzw der mangelnden Tiefe vieler erotischer Beziehungen. Wer regelmäßig fantastischen Sex hat, aber Hunger leidet, wird evt beim Genuß eines saftigen Steaks das Gefühl haben, "frei zu sein".
Gewinnt der vollkommen triebhafte Orgasmus, der uns nicht zufällig an Tierlaute erinnernde Töne ausstoßen lässt und der uns alles um uns herum für einen Moment vergessen lässt, vielleicht auch dadurch aktuell eine neue Bedeutung, dass er uns erinnert, wie weit uns unsere Intelligenz in vielen Bereichen unseres Lebens vom Erleben dieser ursprünglich menschlichen Triebe entfernt hat?
Den größten Teil unserer Zeit und die meiste Energie verwenden wir darauf, nur mittelbar nach Befriedigung unserer Basisbedürfnisse wie Ernährung, Ruhe, Aufzucht von Nachkommen zu streben: Wir arbeiten konzentriert daran, eine Straße durch einen intakten ruhigen Wald hindurch zu planen, damit ein stinkender LKW eine Ingwerwurzel von der anderen Seite des Planeten in unserer 30 Minuten fernes Zuhause bringen kann ... damit wir abends mit einem Tee die Symptome der in unserem ausgelaugten Körper aufkommenden Erkältung lindern können; wir müssen ja freitagmorgen noch früher als sonst los zum Meeting - wer weiß welche Kreuzung diese Klimaaktivisten diesmal wieder blockiert haben ....

Unser Geist hat das Potential entfaltet, uns von unseren ursprünglich natürlichen Bedürfnissen, die wir im engen Kontakt mit der Natur unmittelbar befriedigt haben, zu entfernen. Wir versagen uns / wir vertagen die unmittelbare Triebbefriedigung, indem wir über immer abstraktere Umwege Konsumgüter und Erlebnisse als deren Ersaz kreieren.
Wir befreien uns scheinbar von unseren Trieben und transzendieren uns in Ideen, in langfristige Projekte, in ferne Traumdestinationen, in in der Ferne lockende Boni, Erträge und Anerkennungen, wir portionieren unser Essen nach Punkten und kontrollieren unser tägliches Trinken in Milliliter, einem Schrittzähler am Handgelenk überlassen wir die Hoheit über unseren Müßiggang.

Der Orgasmus ist der kurze Triumph des Triebes über unseren Geist. Ein Hohelied auf den Kontrollverlust. Er lässt KriegerInnen ermatten, Eltern die Sorgen und uns alle unsere Smartphones kurz vergessen und zwei wildfremde Menschen im Moment emulguieren.

Herrje, in diesem Tee muss mehr, als nur Ingwer gewesen sein ...
#GrafTat, trink noch was Tee, schreib noch mehr, dann gibts bald ein weiteres Buch über den Orgasmus *zwinker*

Außer mir hat hier wohl keiner Mahnkopf gelesen, so dass eine Diskussion über das Buch sinnlos ist. Ist aber nicht schlimm, weil wir hier ja nicht im Lektüreseminar sind. Das Thema scheint aber erwartungsgemäß zu geistigen Ergüssen (sorry, das musste jetzt sein!) zu animieren.

Erstaunlich ist ja, dass in den vorigen 2.500 Jahren europäischer Philosophiegeschichte ausgerechnet der Orgasmus nur wenig Beachtung gefunden hat, wo er doch im Leben der Menschen eine große Rolle spielt. Liegt das an der tief verankerten Verachtung des Körperlichen, die Platon (vielleicht sogar in diesem Ausmaß ungewollt) initiiert hat? Oder liegt es an schon angetexteten Machtstrukturen, ist also ein Instrument der Unterdrückung? Oder ist es sogar ganz richtig so, weil Philosophie sich um das Wahre, Gute, Schöne zu kümmern hat, nicht um Triviales wie Sex (wobei selbst Platon in einer Randnotiz reflektierte, ob es wohl auch eine Idee des Kotes gebe - was ja mindestens genauso trivial wäre wie Sex/Orgasmus)?
Ich bin nicht vom Fach ... deswegen ohne jede Ironie: Ist denn zu anderen Themen philosophiert worden - der Schadenfreude, des Konfliktes von Erfahrung und Innovationsskepsis, der Weigerung vieler Menschen, das Prinzip des Zufalls zu verinnerlichen? Gibt es eine branchentypische Arroganz vor vermeintlich lapidaren Themen? Eine unausgesprochene Beschränkung auf staatstragende, gesamtgesellschaftlich relevante Themen? Das Selbstverständnis, die Bewertung der Emotionen den Lyrikern zu überlassen?
#GrafTat, es ist zu nahezu allen Themen philosophiert worden, wie es sich gehört. Weil ja Philosophie eigentlich nichts anderes ist als der Wunsch, die Welt und sich selbst (und die anderen Menschen) zu verstehen, also eine Regel zu finden oder gar einen Sinn (ein Ziel des Ganzen).

Insofern: Nein, es gibt keineswegs eine Beschränkung auf staatstragende, gesamtgesellschaftlich relevante Themen - m.E. findet das sogar viel zu wenig statt; die "Philosophen", die sich z.B. in politische Diskussionen einmischen, sind in der Regel tatsächlich "nicht vom Fach" (etwa Precht ist eigentlich Germanist); eine rühmliche und berühmte Ausnahme ist da natürlich Habermas. Ansonsten ist die Zunft spezialisiert, also gibt es auch Richtungen, die sich mit den bon dir genannten Themen befassen. Nur eben der Orgasmus kam - soweit ich weiß - bisher noch nie vor.

Die Ursache liegt u.a. vielleicht in dem, was du selbst angeführt hast: Es ist Teil eines biologischen Vorgangs, der auch bei anderen Tieren nicht so viel anders zu sein scheint (dem Äußeren nach jedenfalls), so dass wohl viele Philosophen meinen, es lohne nicht, darüber mehr nachzudenken als über Herzschlag oder Stuhlgang.

Die Emanzipation (von Frau UND Mann) sowie die "sexuelle Revolution" nach der Pille haben nachhaltig eine Veränderung bewirkt - im Sexualverhalten, aber auch in der Einschätzung dessen inkl. Orgasmus. Seit der Pille sind guter Sex und Fortpflanzung nicht mehr so eng gekoppelt. Der Gedanke, dass sexuelle Lust bis hin zum Orgasmus einen Eigenwert haben und nicht nur Kollateraleffekt der Fortpflanzung sind, hat sich allmählich breit gemacht. Darum war es m.E. höchste Zeit für eine dezidierte philosophische Reflexion des Orgasmus.

Bemerkenswert übrigens: Sogar die katholische Kirche ist da auf dem Weg! Oh ja, man mag es gar nicht "glauben". Traditionell ist die katholische Sexualmoral ja schlicht biologistisch: Ziel von Sex ist Fortpflanzung (aristotelischer telos-Gedanke - nicht in der Bibel zu finden, soweit ich weiß). Darum ist Sex ohne Fortpflanzungsabsicht "böse" (keine Verhütung, keine Onanie, kein homosexueller Sex, Sex nur in der Ehe....alles ganz folgerichtig unter diesen Prämissen).

Revolutionär - und bisher zu wenig beachtet - ist m.E. die Enzyklika "Deus Caritas est" (Gott ist Liebe) von Benedikt XVI. Ausgerechnet der erbarmungslkose Ratzinger referiert von einer Befragung von Eheleuten: Die katholischen Theologen wollten wissen, was sie denn so erleben beim Sex und Orgasmus. Ergebnis: tiefe Verbundenheit miteinander, große Liebe füreinander, mehr als bei anderen Akt(ivität)en. Benedikt reiht das ein in die Liebe, die Gott schenkt (und ist). Mehr erstmal nicht. Aber man muss die Implikationen bedenken: Sexuelles Empfinden wird hier von der katholischen Kirche erstmals als etwas Besonders, ja: Gottesgeschenk gewertschätzt. Das ist revolutionär! Denn wenn auch sexuelle Liebe ein Wert ist (und nicht nur Mittel zu Fortpflanzung), dann verdient jede Liebe Respekt (auch die homosexuelle) und jeder verdient sexuelle Liebe (auch der Priester). Na gut, soweit meine radikale Interpretation.

Fazit: Da ist etwas in Bewegung, was die Reflexion von Sex/Orgasmus bei uns im Westen betrifft. Und das ist gut so *zwinker*
Die Geschichte der Menschheit ist ja zum Glück nicht nur die Geschichte der Kirche. Die Menschen vergangener Jahrhunderte und Jahrtausende waren sinnenfreudiger als die Menschen der letzten 2 Jahrhunderte in westlichen Gesellschaften (Viktorianische Zeit, Puritaner etc.).
Empfängnisverhütung bedurfte nicht nur der Pille. Auch langes Stillen, Kenntnis um die unfruchtbaren Tage und Verhütungsmittel haben seit jeher Sex und Fortpfanzung zumindestens teilweise entkoppelt.
Aber vielleicht bedurfte es der Pille, der sexuellen Revolution, der weiblichen Emanzipation, des Umdenkens in der Kirche und einem Buch über die Philosophie des Orgasmus um die Entfremdung des Menschen von seiner natürlichen Sexualität umzukehren, ein back to the roots einzuleiten.
**********hylen Mann
1.142 Beiträge
Liegt das an der tief verankerten Verachtung des Körperlichen, die Platon (vielleicht sogar in diesem Ausmaß ungewollt) initiiert hat? Oder liegt es an schon angetexteten Machtstrukturen, ist also ein Instrument der Unterdrückung?
nun-vielleicht eine Thematik, welche nicht nur in der Antike die Gemüter (oder ggf. eher weniger) erhitzt haben könnte. Auch wenn ich das Mahnkopf´sche Elaborat zugegeben nicht gelesen habe, erinnert die aufgeworfene Thematik doch recht schnell an Freuds "Das Unbehagen in der Kultur" und dazu entsprechend "Eros und Kultur" (vielleicht bekannter unter dem Titel "Triebstruktur und Gesellschaft") von H.Marcuse.
Repressive Entsublimierung vs. Sublimierung als Ausdruck eines polarisierenden Geschlechterverständnisses?
@****de Du hast mich ob der Wichtig- und Dringlichkeit des Themas überzeugt und ich fühle eine wachsende Herausforderung, auch meinerseits einen literarischen Beitrag zu leistern. Gleichwohl erkenne ich, dass ich empirisch noch Entwicklungspotential habe. Ich werde meine Anstrengungen diesbezüglich noch weiter steigern.
Meine geliebte Gefährtin möge mir in nächster Zeit meine beim Orgasmus zusätzlich zum verklärten Blick in nachdenkliche Falten gelegte Stirn verzeihen ... *schiefguck* *nachdenk*
#GrafTat, so ist es richtig in guter, aristotelischer Tradition: Immer erst empirische Feldforschung betreiben, Daten und Erfahrungen sammeln, dann kategorisieren und reflektieren! Mich bringt dein Hinweis darauf, dass auch meine Datensammlung noch nicht umfangreich genug ist *pimper* *popp* *blowjob* *spank* *leck* *mmf* . Während wir weiter sammeln (gr. "legein" - davon leitet sich "logos", "...logie", "Logik" ab!), können wir natürlich neben Körpersäften auch Hypothesen austauschen *tipp* .
Ich habe hier erst einmal genug "Milch gegeben".
Wo sind die anderen? Ihr bisher stummen Mitleser: haut einen raus!!

Ihr könnt ja auch eine Meinung vortäuschen *zwinker*
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Meinung ist kein Wert an sich, und ihre Äußerung geschieht aufgrund einer Freiheit, die – wenn sie ernstgenommen würde – den Holocaust-Leugnerinnen und allen anderen, die jedweden sonstigen hanebüchenen Dreck raushauen, jeden nur erdenklichen Rückhalt bieten müsste. Für genau das hat sich Noam Chomsky immer ausgesprochen.
#plantnurse - Du kannst statt bloßer Meinung ja auch einen gut begründeten Diskussionsbeitrag beisteuern. Ich vermute GrafTat ist da tolerant.
Nö. Wer den Witz nicht versteht, stattdessen die Holocaust-Keule schwingt und Chomsky unterschiebt, dass er sich gegen eine muntere Diskussion auf einem Bumsportal aussprach, stiehlt mir nur die gute Laune.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Einen Erwachsenen seiner guten Laune berauben zu können; welch unerwartete Machtfülle!

Zur filosofie des Orgasmus gehört, daß 75% des weltweiten Datenverkehrs dem Porno gehören.
Verschiedene Studien aus unterschiedlichen Jahren beleuchten die Zahl der Suchanfragen, das Datenvolumen oder den Stromverbrauch. Etwa 30% des Datenvolumens sind realistischer. Streamingdienste wie Netflix und Co verbrauchen etwas mehr.

5% gehen für selbstgerechte Ironie drauf, schätze ich.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
„5% gehen für selbstgerechte Ironie drauf, schätze ich.“

Viele Wiewörter, die mit „selbst“ beginnen, haben einen unwiderstehlichen Charme. „Selbstverliebt“ an erster Stelle.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Apropos selbst-; Ich halte Selbstverliebtsein bzw. Selbstgerechtigkeit (oder auch Selbstüberschätzung) für eine Spielart der Déformation Professionelle, die – sollte sie in einem Fall nicht zwingend auf eine berufliche oder Erwerbstätigkeit verweisen, sodoch – das vermeintlich ureigene Empfinden sowie die in ihm fußende Überzeugung, angemessen auf die Erscheinungen der Welt zu reagieren rechtfertigt.

So müsste es sich auch beim Orgasmus verhalten. Es sei dahingestellt, ob jemand den Orgasmus als eigentliches Zentrum seines Daseins nicht nur versteht, sondern auch jedem, der es möglicherweise nicht wissen will, in lebendigen Bildern glaubhaft machen möchte, oder ob jemand einfach nur so meint, der Orgasmus sei das eigentliche Ziel seiner Existenz: Der Punkt ist der Charakter der Ideologie.

Hier treffen sich die Ideologie und die Déformation Professionelle.
*******rse Mann
2.314 Beiträge
Eine filosofie des Orgasmus muss also jene beschreiben können, die dem Orgasmus keine Bedeutung zumessen.
#plantnurse, die Schlußfolgerung war jetzt aber etwas hopplahopp. Bitte um saubere Herleitung. Ich bin ansonsten zwar aufassungsschnell und logiksicher, hier aber kann ich nicht auf Anhieb folgen.
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