Philosophie des Orgasmus
Hallo, was läge hier näher in oder auf der Hand, als über eine "Philosophie des Orgasmus" zu disputieren? Der Habermas-Schüler und Musik-Professor (dolle Kombination!) Claus-Steffen Mahnkopf hat ein gleichnamiges Buch verfasst. Das finde ich ganz grandios. Also sowohl, DASS er das geschrieben hat (gab es bisher ja noch nicht sowas), als auch WAS er geschrieben hat. Jede Zeile voller Leidenschaft, der Mann hat den philosophischen Eros im Blut. Und er geht natürlich über pure Sinnlichkeit (die nicht herabgewürdigt wird!) hinaus und entwickelt aus der Sexualität des Menschen eine Philosophie der Befreiung. Ganz großes Kino!
Seine Argumentation im Groben: Beim Orgasmus sei der Mensch ganz er selbst, also frei. Und es gebe keine Unterschiede zwischen Klassen oder Ethnien. Wohl aber - aufgepaßt! - zwischen den Geschlechtern, und zwar ganz entscheidende: Der dauernd im Mittelpunkt stehende Orgasmus des Mannes (im wesentlichen explosive Ejakulation) sei kurz, von Erschöpfung gefolgt und diene evolutionär "nur" der Fortpflanzung - das Sperma muss halt rausgespritzt werden in die Vagina, darum das Ganze. Sehr simpel.
Der Orgasmus der Frau hingegen habe evolutionär keinerlei Bedeutung - für die Fortpflanzung wird er nicht gebraucht (die Frau empfängt auch ohne Orgamus). Er sei mithin Selbstzweck und damit eben nicht minderwertig oder gar teuflisch (wie in teleologischen Argumentationen gefolgert wird mit bisweilen schlimmen Folgen), sondern im Gegenteil ein Wert an sich. Zudem sei er vielfältiger, ausdauernder als der männliche Orgamus, also komplexer auch darum höherwertig.
Männer müssten aber nicht verzweifeln. Auch sie könnten üben, andere, "weibliche" Orgasmen zu genießen.
Eine besondere Bedeutung hat in der "Philosophie des Orgasmus" die Selbstbefriedigung. Ist schon der Orgasmus ohnehin "bei sich sein" und ein "Akt" der Freiheit, so erst recht der Solo-Orgamus. Zumal den niemand einem anderen nehmen kann (na ja gut, von horrenden Verstümmelungen mal abgesehen).
Damit stellt der Autor die gängige Sexualmoral so ziemlich auf den Kopf. Onanieren ist nicht Schande, sondern Zu-sich-Kommen in Freiheit und Glückseligkeit. Der weibliche Orgasmus ist wertvoller als der männliche. Und Sexualität ist dann am besten, wenn sie nur dem Orgasmus dient, nicht der Fortpflanzung.
Genau darum, so der Autor, werde von Mächtigen seit jeher jede Sexualität, die nur dem Orgasmus dient, verteufelt und unterdrückt: weil sie die Menschen frei macht.
Soweit meine Mini-Interpretation. Würde das gerne an- und erregt debattieren