@****de
Ich glaube, da sind wir dann doch alle nah beieinander und es handelt sich eher um ein Missverständnis; egal ob Textpassagen von
@*****ina oder von mir.
@*****ina hatte z.B. geschrieben: "Das Volk hätte also nicht die NSDAP gewählt?"
Egal wie gemeint ... ob die Reichstagswahlen oder ein theoretischer Volksentscheid der NSDAP o.ä.: auch die Wahl zum Parlament ist ja ein Volkentscheid. Und ob in der Folge davon im Parlament Dinge entschieden werden oder per Volksentscheid direkt ... spannend wird es doch erst, wenn das Volk anders entscheidet, als die Volksvertreter. Bei gleichen Ergebnissen wird keiner einen massiven Handlungsbedarf sehen müssen.
Ich hatte auch anfangs schon geschrieben:
**********_Gogh:
Da wären viele Probleme zu nennen. Wenn 51 % der Bevölkerung beschließt, dass die übrigen 49 % in die Sklaverei für die erstgenannten geschickt wird, dann wäre das demokratisch, aber gleichzeitig problematisch.
Es gibt also viel zu Berücksichtigen.
Meinen Text könnte man eher auf den Volksentscheid beziehen, aber auch bei parlamentarischen Abstimmungen gilt das. Also unabhängig von Volksentscheid oder parlamentarischen Abstimmungen ... da ist "demokratisch" ein "Mehr" über das hinaus, was rein demokratisch ist. Und das ist nicht unproblematisch, wenn es kippt. Wenn sich an Spielregeln nicht mehr gehalten wird. Wenn die Mehrheit sich eben um 2/3-Mehrheiten nicht schert oder die ggf. aushebelt. Und wenn dann selbst Klagen, denen statt gegeben würde, nicht befolgt werden würden?
Tatsächlich hatten wir jüngst selbst bei uns solche Dillema. Diesel-Fahrverbote und diese Muttersauen-Standhaltung als Beispiel. Gerichte hatten hier eindeutige Urteile zu gesprochen. Bei den Sauen hielt man sich über 20 Jahre nicht an das Urteil, wenn ich es richtig verstand. Und manch ein Politker mancher Stadt oder manch Land sagte: man werde Diesel-Fahrverbote trotz Gesetzeslage und Urteilen nicht umsetzen. Was dann? Zwangshaft für diese Politiker, die gegen Gesetze wissentlich verstoßen. Tagessätze Strafe vom Rechtsträger, die dann an den selben Rechtsträger gehen würden???
(Tatsächlich ergab irgendwo ein Gutachten, dass bei einer Sache das Land theoretisch 400 Euro pro Tag an die Landeskasse Strafe hätte zahlen können/müssen, also sich selber überweisen würde).
Allerdings liegt eben hier ein Dilemma drin. Solange mehrheitlich (mit einfacher Mehrheit!!!) der Konsenz da ist, Minderheitenschutz zu gewährleisten und sich z.B. an eine notwendige 2/3-Mehrheit zu halten, dann haben wir eine "gute" Demokratie. Dieses Plus ist aber nicht zwingend demokratisch, sondern außerhalb eine Selbstverpflichtung auf Basis von Ethik, Moral, politischen Grundsätzen, die nur solange funktioniert, solange eine einfache (!) Mehrheit sich dran hält.
Wenn man (Staat, Volk) sich nicht selber dran hält und dann auch nichts dagegen tut, weil eben da die Mehrheit in die andere Richtung da ist (egal ob Volk oder Parlament), funktioniert das nicht mehr, aber es bliebe demokratisch.
Nachtrag
@*****ina (aber auch alle):
Es ist ja nicht so lange her, dass Herr Lindner meinte, Klimapolitik solle man den "Experten" überlassen und damit ein sehr eigenes Verständnis von "Experte" an den Tag legte.
Wobei ich da dennoch den Gedanken, den ich schon mal brachte, für nicht verkehrt halte. Nehmen wir das Beispiel "Umweltminister". Hier keinen Politiker, sondern einen "Experten" (bewussst schwammig vormuliert). Die Minister nicht als Entscheider (was sie streng genommen auch bei unserer Staatsform nicht sind, da sie immer nur auf paralamentarischer Grundentscheidung agieren können), sondern als höchste Beamte, die Ausführende sind und Vorschlagsrecht haben.
Anders formuliert: wer solch ein höchster Verwantwortlicher wird (also "Miniister" in meinem Sinne) hätte kein Stimmrecht im Parlament, denn er kann und soll sich nicht selber (mit) beauftragen. Ich würde hier also eine Trennung von Amt und Parlament fordern. Somit hätten wir zwar keinen fachkundigen Experten als "Regierenden", aber an der Spitze des Ressorts, der wiederum aber nur beratenden, vorschlagenden und ausführenden Charakter hätte. Das Parlament gäbe aber die Vorgabe ohne seine Stimme.
Ich würde damit u.a. auch gerne von dem Personenkult wegkommen wollen, den Ministerämter Politikern liefern. Mehr Fachkunde als Minister wäre für mich wünschenswert, aber entscheidend bliebe das Parlament. Und Minister könnten sich weniger als "Könige ihres Amtes" aufspielen. Vielleicht würde mein Vorschlag da was bringen. Vielleicht würden sich aber diese parlamentarisch stimmlosen "Minister" trotzdem als Könige aufspielen. Dann wäre die Frage, wie werden sie ein- und abberufen. Wenn das Parlament das mal eben machen kann, dann würden diese Minister doch wieder nur Marionetten, denn sie müssten fürchten, bei unbequemen (aber fachlich berechtigten) Äußerungen ihren Job zu verlieren. Also bräuchten wir dann doch irgendwo pollitisch unabhängige Experten, wo man nur hoffen kann, dass auf deren Rat dann irgendwann (und sei es nach der nächsten Wahl) gehört würde.
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Neuer Nachtrag, da
@*****ina inzwischen etwas gepostet hat. Ochlokratie ... so lernt man dazu. Ja, irgendwann davon gehört.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie
(von Polybos geprägter Begriff seiner Staatstheorie)
Also einen Teil meines oben geschriebenen Textes müsste ich jetzt überarbeiten, wenn ich diesen Begriff mit verwenden würde. Dort, wo 51 % des Volkes beschließt, dass der Rest versklavt wird, hätten wir dann einen Ochlokratie. Diese Unterscheidung am Gemeinwohl zu machen ist natürlich schön und hilfreich. Allerdings könnte sehr schnell das Problem auftreten, was "gemeinnützig", was "eigennützig" ist. 49 % gemeinnützige Sklaven sind doch demokratisch, oder nicht?
Trotzdem
@*****ina für den Hinweis.