Ich und Gott
@ sundowner
Ich bin mir da keineswegs so sicher über den Zustand des Universums ... aber das braucht aus meiner Sicht garnicht vertieft zu werden. Im Plutarch kann man eine Anekdote aus dem Leben des Alkipiades nachlesen, dem ein "Einhorn" gebracht wurde. "Aufgeklärt", wie der Tyrann war, lies er es sezieren, und es wurde eine Art Gehirnwucherung festgestellt, womit der Fall dieses "Wunders" für ihn erledigt war. In einem kleinen Nebensatz (in der Deutschen Übertragung) sagt Plutarch dann so schön: wie töricht von Alkipiades, weil es doch gleichgültig sei, ob die Götter ein Einhorn direkt wachsen liesen, oder dafür einen Wucherung im Gehirn hätten entstehen lassen.
Abstrakt: Mit welchen technischen Kunstgriffen jener mögliche Gott operiert, ist letztendlich nicht entscheidungserheblich. Er kann auch "hinter" einem aus der Sicht des menschlichen Verstandes unendlichlichem Unversum "stehen" oder "stecken" - in anderen Dimensionen, körperlos, nicht mit physikalischen Mitteln erfassbar.
@ mystic
Die Existenz des ICHs - des erkennenden, nocht tiefer: des wahrnehmenden Subjekts ist wohl die einzige wirklich sichere Welterkenntnis, die ich wirklich habe - ich persönlich. Ob hinter dem Nickname mystic4you wirklich ein Mensch steckt, oder ob dies alles nur eine Illusion, ein Traum ist, kann man nicht wissen - auch eine uralte Geschichte, in meiner Erinnerung aus irgend welchen Veden, Upanischaden oder sonstigen altasiatischen Überlieferungen. Gleichgültig ob man "die Welt" nur träumt, oder ob sie real so existiert, wie ich sie wahrnehme: ohne ein existierendes ICH könnte ich auch nicht von meiner Existenz träumen.
Es ist eine bittere und für gläubige Rationalisten schier unerträgliche Tatsache, daß sichere Erkenntnis über "ich bin" hinaus bis heute nicht möglich geworden ist. Noch nicht einmal ein Mensch kann dem anderen seine Existenz als Ich-Subjekt nachweisen. Auch eine zu diesem Zwecke von Bierdeckelphilosophen stets angebotene Ohrfeige kann Bestandteil eines Traumes oder einer Illusion sein.
Meine persönliche Vermutung jedoch ist, daß es tatsächlich nur ein ICH gibt, nämlich meines - Du und alle anderen Menschen sind ebenfalls ICH. Anders formuliert: sofern ich gestern noch nicht Du gewesen war, werde ich es morgen irgendwann sein, genauso, wie ich Jesus Christus sein werde, Adolf Hitler oder Ilona Staller (auf letztere Reinkarnation freue ich mich sogar - im Gegensatz zu den vorigen Beispielen). Und wenn ICH dann tatsächlich alle möglichen subjektiven Existenzen durchlaufen haben wird, ist dann möglicherweise endlich Schluß: das Nirvana.
Denn die Frage nach dem "Leben nach dem Tode" also der Fortsetzung der Existenz des Ich-Subjekts über den physischen Tod hinaus ist - meiner Meinung nach - auch nur im Sinne dieser Pascal'schen Wette, also strategisch zu beantworten. Einen schier rationalen Beweis oder eine Wiederlegung dieser Annahme ist ebenswo wenig möglich, wie die der Existenz eines Gottes.
@ sundowner @ mystic
Selbstverständlich richtigen sich die jeweiligen Ausführungen an Euch beide - die Adressierungen sollen nur die Schwerpunkte in Euren jeweiligen Beiträgen fokussieren.
Darüber, wie diese Gottheit beschaffen ist, stelle ich keine großartigen Spekulationen vor. Auch das Bild des Richters - etwa ein mürrischer, aus Resignation verbitterter Amtsgerichtsrat - ist nichts anderes als ein Bild. Das Gott mich für mein Leben, so wie ich es meskosmisch und diesseits methaphysischer Spekulationen wahrnehmen kann, "zur Verantwortung" zieht, ist auch nur eine auf der christlich-jüdischen Tradition beruhende, strategische "worst case"-Annahme. Daß Gott existiert, ist für mich weniger eine Hoffnung, als eine Befürchtung. Denn wenn er existiert, und wenn er allmächtig ist, dann muß es wirklich ein ziemlich unangenehmer Zeitgenosse sein: Leiden, wohin man schaut.
Es kann natürlich auch gut sein, daß jener Sponti-Spruch sich als wahr erweisen könnte: das Gott lebt, es ihm gut geht - aber er sich inzwischen mit einem etwas weniger ehrgeizigen Projekt beschäftigt - also keinen Einfluß auf meine weitere Existenz nimmt, nehmen will oder nehmen kann. Dann liegt er jenseits dessen, was man in der Physik den "Ereignishorizont" nennt und ist irrelevant. Sollte diese Annahme zutreffen, liefe sie in strategischer Sicht auf das selbe Ergebnis hinaus, wie seine Nichtexistenz.
Methaphysischer Gruß vom
Nacktzeiger