Du hast Recht, das klingt schräg. So viel bisher über den „großen Geist“ geschrieben wurde, so wenig gab es bisher zum „Kleingeist“ zu lesen. Die beiden Pole, von denen ich ausgehe, stelle ich mir so vor:
Der „große Geist“ ist hinreichend gebildet, um einen realistischen Blick auf sich, die Welt und die Menschen zu haben. „Gebildet“ ist er auf einer breiten Basis; er kommt mit kulturellen und geistigen Dingen zurecht und verfügt über soziale Kompetenzen, weil er sich selbst und seine persönlichen Verflechtungen mit Menschen und Dingen gut reflektieren kann. Der „Kleingeist“ ist in einigen oder allen dieser Dinge eingeschränkt, und zwar derart, daß er keinen realistischen Blick auf sich, die Welt und die Menschen hat, weil er nicht gut reflektieren kann. Daß für mich dabei die Sprache eine zentrale Rolle spielt, betone ich an dieser Stelle.
Ich hüte mich davor, zu psychologisieren, weil ich mir sehr sicher bin, daß ich mir solcherlei Urteile nicht anmaßen kann. Daß es sich bei dem Bedürfnis, sich als besser, stärker oder mächtiger beweisen zu müssen um ein „psychologisch-emotionales Problem“ handelt, kann durchaus sein. Es ist aber für mich keine wichtige Frage. Mich interessiert nur, daß es ein unangemessenes, schlechtes soziales Verhalten ist, das ich aber nicht den sogenannten Kleingeistern zuschreibe. Ich habe im Ausgangstext, um nicht missverstanden zu werden, darauf aufmerksam gemacht, daß eine theoretische Zweiteilung in große und kleine Geister keine schlichte Trennung zweier sich ausschließender Typen bedeutet (Zitat unten). Deshalb ist ein „Kleingeist“ auch nicht notwendigerweise in allen Dingen, die beim „großen Geist“ angesprochen werden, eingeschränkt.
Sprachliche Eingeschränktheit und Kriterienarmut sind übrigens kein verlässlicher Hinweis auf Kleingeistigkeit und Verbohrtheit, und ebensowenig ist eine vielschichtige Vorstellungswelt und das damit einhergehende sprachliche Vermögen ein Garant für eine flexible und tolerante Grundhaltung. Es gibt jene mit dem Bedürfnis, ihre sprachlichen und Urteilskompetenzen zu erweitern und diese, die ihren Kleingeist und ihre Verbohrtheit hinter Wissen und Beredsamkeit verbergen.