@ sweet calm
wie läßt sich, deiner meinung nach, als fachmann, ein funktionierendes gesundheitssystem beschreiben?
Wann „
funktioniert“ ein Gesundheitssystem?
Was soll ein Gesundheitssystem leisten?
Wofür ist ein Gesundheitssystem
verantwortlich….wofür ein jeder für sich? Für wen? Für welchen
Preis? Um welchen Preis? Wie beurteilt man die „
Qualität“? Wie beurteilt man die „
Effektivität“?
In unserer Gesellschaft gibt es keinen klaren Konsens, noch nicht einmal eine offene Diskussion über die Beantwortung dieser Fragen. Solange das so ist, gibt’s sehr viele unterschiedliche Vorstellungen davon, wie ein Gesundheitssystem zu funktionieren habe…..
brauchen wir kassenärztliche vereinigungen? als parasiten am arsch der gesundheitskultur?
Als Einrichtung der ärztlichen Selbstverwaltung in der Gesetzlichen Krankenversicherung ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit
gegenüber den politischen Entscheidungsträgern weisungsgebunden.
Eine politisch so gewollte zwitterhafte Totgeburt, deren Geburtsfehler allerdings erst in den letzten 15 Jahren nach und nach drängend zum Vorschein kamen.
Eine Institution der ärztlichen Selbstverwaltung ist legitim und unablässlich - per se kein „Parasit am Arsch der Gesundheitskultur“.
Was manchen nicht klar ist: ein sehr großer Teil der hochqualifizierten Medizin im nichtoperativen Bereich wird im niedergelassenen Bereich durchgeführt…was politisch bis vor einigen Jahren auch explizit so gewollt war und gefördert wurde…aus guten Gründen. Fakt ist, dass der weitaus größere Teil der hochqualifizierten Fachärzte mittlerweile im niedergelassenen Bereich tätig ist. Die „doppelte Facharztschiene“ ist eine ideologische Schimäre….an den meisten Kliniken kann der Patient heute froh sein, wenn er während des Aufenthalts ein kurzes Gespräch mit einem der deutschen Sprache halbwegs mächtigen Arzt erhaschen kann.
Die Politik stranguliert seit ca. 10 Jahren den niedergelassenen Facharztbereich mit dem Ziel, die hochqualifizierten Fachärzte wieder in den Angestelltenstatus der Kliniken zurückzuzwingen, beziehungsweise den Abgang von Fachärzten aus dem Krankenhausbereich zu unterbinden. Dies gelingt…in nicht allzu ferner Zukunft wird es keine Facharztmedizin in Form von Praxen mehr geben.
Mit absehbar desaströsen Folgen für die ökonomische Effizienz und die fachliche wie menschliche Qualität der Patientenversorgung. Aber so ist´s halt gewollt….
Wer wissen möchte, wie´s kommen wird, möge sich die Versorgungsstruktur in England und den Niederlanden ansehen…
Die politische Motivation ist (nicht nur aber) hauptsächlich die, einer vermeintlich besseren Regulierungsmöglichkeit, was die Kosten des Gesundheitswesens betrifft.
Krankenkassen in vielheit mit vielfachen verwaltungen?
Die vermeintliche Konkurrenz der Krankenkassen untereinander war mal politisch gewünscht…mittlerweile wohl nicht mehr…wer weiss das schon…es gibt keine rationale gesundheitspolitische Strategie….nur utopistisch motivierte Ressentiments und das aktionistisches Hin- und Herschieben von Kosten…und Defiziten...
eine pharmaindustrie, die mehr geld für reklame als für die forschung ausgibt?
Tja, die scheint sehr gute Connections zu haben…bei allen Parteien….Nicht nur Seehofer scheiterte am Versuch einer Teilkontrolle der Pharmakosten, auch Schmidt.
Fakt ist: das Gesundheitssystem in der heutigen Form ist absehbar zu dem jetzigen Preis nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Wobei wir entgegen der Darstellung der meisten Politiker und Medien weniger ein
Ausgabeproblem haben (mit der Ausnahme, dass in den letzten Jahren in großem Umfang ursprünglich kassenfremde Leistungen zur Entlastung der Sozialversicherungen vom Staat den Krankenkassen aufgebürdet wurden und ein pharmaindustrieunabhängiger, gesellschaftlicher Konsens darüber, welche Medikamente aufgrund ihrer Preis-Leistungsrelation im Rahmen der solidarischen Versicherung erstattungspflichtig sind und welche nicht, überfällig ist.)
Wir haben hauptsächlich ein
Einnahmeproblem:
- Immer höherer Altersdurchschnitt der Bevölkerung: immer höhere Inanspruchnahme der Krankenversicherung aufgrund der altersassoziierten Zunahme der Morbidität
- Immer weniger beitragszahlende Bürger finanzieren immer mehr nichtbeitragszahlende Bürger (Rentner, HarzIV´ler, nicht arbeitende Immigranten)
Da muss man kein Rechengenie sein, um zu erkennen, dass das nicht funktioniert.
Und es gibt nur zwei Lösungsansätze: höhere Beitragssätze und/oder Reduzierung des Leistungskatalogs. Das kann man jetzt betrüblich finden oder „ungerecht“, aber es ist die unabänderliche Realität…