Es gibt Dinge, die ich geben kann. Dazu gehören u.a. meine Zeit und meine Aufmerksamkeit. Bei „Liebe“ von „geben“ zu sprechen, bedeutet etwas anderes, da ich über „Liebe“ nicht wie über Zeit verfügen kann. Ich „habe Liebe“ nicht, die ich einem kommenden, zu mir passenden Menschen „geben“ könnte. Was ich vielleicht „haben“ kann, ist eine Sehnsucht nach einem Menschen, mit dem ich das leben und erleben möchte.
Wenn ich liebe, dann besteht eine besondere Verbindung zu einem Menschen. Liebt dieser mich auch, entsteht eine besondere Art der Kommunikation. Man könnte das als Liebesspiel bezeichnen, bei dem es nicht mehr sehr sinnvoll ist, nur einen von beiden zu betrachten, der etwas gebe, das man dann „Liebe“ nennt. Es ist vielmehr ein fortlaufender Tausch von besonderen Zeichen der Liebe. Das sind selbstredend nicht nur Worte. Ist dieser Tausch für beide befriedigend, dann gibt es nichts, das strittig wäre, und er muss nicht verhandelt werden. Es gibt sie aber, diese strittigen Dinge, und sie werden mit der Zeit offenbar, wenn die besonderen Zeichen der Liebe nachzulassen beginnen.
Das ist der allseits bekannte Wechsel von der Verliebtheit zu etwas anderem, das man Beziehung nennen könnte. Diese kann auf Liebe basieren, was aber nicht hieße, daß diese nicht verhandelbar sei. Menschen treffen unter ganz bestimmten Bedingungen aufeinander, die viel zu komplex sind, als daß sie restlos aufzuklären wären. Es sind aber Bedingungen, unter denen so etwas wie Liebe entstehen kann. Diese Liebe wird selbst zu einer Bedingung des Lebens, und zwar zu einer beherrschenden. Aus diesem Grund ist die Rede von bedingungsloser Liebe unangemessen, zumindest aber erklärungsbedürftig.
Die Vorstellung, man gäbe etwas einfach so und ohne etwas zurückzuerwarten, ist hoffnungslos romantisch. Es gibt per se nichts gegen Romantik einzuwenden, auch nicht gegen das hoffnungslos Romantische, solange es als eine Bedingung bestimmter Möglichkeiten gesehen und nicht zu einer hermetischen Ideologie wird.
Man kann die Liebe zweier Menschen als reines Mysterium verstehen und jeden Versuch, es begrifflich zu fassen, als vergeblich ansehen. Man geht dann etwa davon aus, daß man es mit einer geheimnisvollen Macht zu tun hat, der man sich hingibt, unterwirft, anheimfällt, anvertraut. Typischerweise wird dabei einerseits die Fähigkeit, dieses Mysterium als solches zu erkennen und zuzulassen betont und andererseits der Versuch, es begrifflich zu fassen als bedauernswert vernunftbesessen und bloßgestellt. Für mich ist das eine Variante des Glauben-Wissens-Konflikts, der zu überspitzten Zuweisungen führt. Man tendiert dazu, die Position der jeweils anderen Seite zu extremisieren. Die einen werden zu blinden Gläubigen, die anderen zu blinden Wissenschaftlern. Beides trifft in aller Regel nicht zu.
Vielmehr sehe ich ein mehr oder weniger bewusstes Verhalten, das die Bedingungen, unter denen eine Liebe lebt, fortlaufend modifiziert, verändert, erneuert. In diesem „mehr oder weniger“ gibt es dann den einzelnen Menschen, der zwischen „sehr naiv“ und „sehr vernünftig“ (re)agiert, und das mit einer individuellen Bandbreite, in der ein indivdueller Schwerpunkt auszumachen ist.