Nur Mut
Völlig losgelöst vom bisherigen Geschehen - ich habe Lust, mich bald auf den bisherigen Gesprächsverlauf einlassen - möchte ich dem Thema entsprechend etwas persönliches von mir geben, obgleich der philosophische Anspruch dessen wohl eher zwischen den Zeilen zu deuten ist.
Das Glück hat für mich einen neuen, und doch vertrauten Namen bekommen. Es begann im ausgehenden Teeniealter, als ich sie kennen lernte - DIE EINE. Sie nur anzusehen, war magisch für mich. Allerdings war mir das damals nur eine Ahnung, ein ferner Ruf aus dem tiefsten Inneren, welchen ich nicht einmal als solchen wahrgenommen habe.
Damals war ich noch etwas schüchtern, hielt mich ihrer nicht würdig. Zudem kämpfte ich noch mit mir selbst - verloren in einer Welt, die nicht die Meine war. Der Zeitgeist frisst seine Kinder.
Und doch kam es dazu, das wir uns kennen und nach mehreren Jahren auch lieben lernten. Aber es hat nicht zu mehr als einer Liebschaft gereicht, auch wenn diese Zuneigung damals schon tief und aufrichtig war. Diese Aufrichtigkeit war es, welche uns voreinander abhielt. Heute weiß ich, ich musste erst mich selbst finden, bevor ich sie verstehen und finden konnte - diesen für mich so wundervollen Mensch, der sie ist.
Wir waren lange Freunde - gute Freunde. Vor etwa 15 Jahren haben wir uns dann gänzlich aus den Augen verloren. Das Studium zog mich weg. Dann lebte ich viele Jahre in Berlin. Während dieser Zeit hatte ich mehrere Beziehungen, die sehr schön und erfüllend waren - keine Frage.
Wieder zurück in Stuttgart habe ich sie vor etwa 6 Wochen zufällig wiedergetroffen. Anfänglich war die Freude, eine gute, alte Freundin zurück gewonnen zuhaben, bereits sehr erfüllend.
Es hatte sich aber etwas verändert. Ich bin gereift, wie sie auch. Nach dem langen Gang durch viele, tiefe, dunkle Täler, mehrere frühlingshafte Auen und manch Gipfelsturm war ich inzwischen mit mir im Reinen - bei mir selbst angekommen. Ich hatte den Mut, all das auszusprechen, was ich mich früher nie getraut hätte. Blanke Ehrlichkeit hat etwas sehr Befreiendes. Ich gab mir die Blöße, zeigte Schwäche und gestand ihr meine immer währende Liebe, ohne es in all der Zeit wirklich so empfunden zu haben. Erst jetzt, da ich sie wieder in meiner Nähe spürte, wußte ich, da ist noch etwas offen. Zumindest wollte ich meinen Frieden mit ihr finden.
Wir gingen zusammen aus, hatten Spaß im miteinander. Und wieder schlich sich diese frühere Unsicherheit ein. Schließlich küssten wir uns. Es war so vertraut und doch so neu.
Retrospektiv stellt sich mein bisheriges Leben nun völlig anders da. All die Jahre, da ich mit mir haderte, erscheinen nun in einem völlig anderem Licht. Mich selbst und meine Entwicklung zu verstehen, gelingt mir jetzt in völlig neuem Maß.
Was nun geschehen wird? Ich weiß es nicht. Es gibt keine Pläne, nur den Moment. Und das ist alles, was ich will.