@Ralf
Ich würde Dir auch gerne danken, denn die Herzlichkeit, die aus Deinen Zeilen spricht, ist einfach wunderbar. Politisch kann ich dem aber nur bedingt zustimmen.
Und ich empfinde es als ärgerlich, wenn dieser Mut, diese Bereitschaft solidarisch und friedlich ein Regime zu stürzen in Frage gestellt wird.
Diesen Mut habe ich nie in Frage gestellt.
ich bin überzeugt, dass mutige Menschen in der Masse viel erreichen könnten und auch dafür sorgen könnten, dass das Kapital in Schranken gewiesen wird.
Ich glaube das nicht mehr.
Zumindest nicht für Mitteleuropa in den nächsten Jahrzehnten.
Prägend war für diese Ansicht bei mir zum einen wie gesagt der Natodoppelbeschluss und die Ostermärsche. Sodann die Bergarbeiterstreiks von 86/87 vor allem in England. Die Streiks im Pott, von denen Du sprichst, bei denen "viel erreicht wurde" habe ich vollkommen anders wahrgenommen: De facto wird der Steinkohlebergbau in Abwicklung mit mehr Geld aus Brüssel subventioniert, als die Arbeiter an Löhnen erhalten. Hier wird lediglich die Illusion der heilen Welt der Industriegesellschaft noch eine Weile aufrechterhalten, mehr nicht.
Im Informations- und Dienstleistungssektor, der mittlerweile 80% aller sogenannten Arbeitsplätze ausmacht, tendiert der Organisationsgrad der Beschäftigen gen Null. Von der damaligen HBV habe ich bei meiner letzten Kündigung vor nunmehr dreizehn Jahren so gut wie keinerlei Unterstützung erfahren. Seitdem sind die Lohn- und Beschäftigungsverhältnisse im Handel auf unterirdischem Niveau angelangt, Einerbesetzung von Ladengeschäften mit all der Überfallgefahr und Stundenlöhne von unter 5 Euro sind eher die Regel als die Ausnahme. Ähnlich die Situation im Speditionsgewerbe und den ambulanten Pflegediensten.
Weder auf einem LKW-Bock noch in den Ladengeschäften einer Filialkette ist Solidarität leb- und fühlbar, das ist der große Unterschied zu den Gemeinschaftsduschen im Bergbau oder einer Werkskantine.
Trotzdem hast du in gewisser Weise recht, weshalb ich ja seit etwa einem Jahr meinen Senf hier abdrücke und nicht mehr bei Xing:
Die ganze Chose kann nicht mehr lange gutgehen, das pfeiffen die Spatzen von den Dächern.
Allerdings sind die überkommenen Solidaritäts-Institutionen Teil des Schweinesystems geworden und üben eine primär sedative Funktion aus. Auch die romantische Verklärung der Montags-Demonstrationen ist solch Opium für das Volk.
Wir fangen ganz von vorne an.
Solidarität und Erotik sind identisch und mächtiger als das Kapital.
Das müssen wir aber alle erst wieder neu lernen und ganz neu organisieren.