An allem nagt der Zahn der Zeit
Ich las vor Jahren ein Buch, dass mich sehr beschäftigte – mich immer noch beschäftigt.An allem nagt der Zahn der Zeit: Vom Reiz der Vergänglichkeit – Midas Dekkers
Der Inhalt dreht sich – wie schon im Titel annonciert – um die Zeit.
Es ist meinem Empfinden nach unserer kostbarstes Gut und trotzdem vergeuden wir es mit den Belanglosigkeiten unserer „Wertegesellschaft“.
Welchen Stellenwert hat „der Mensch“ in der heutigen Gesellschaft?
Was macht in der heutigen Zeit den Menschen aus?
Was ist der Mensch?
… Auto, Haus … Designer-Sakko? … das 20 Jahre jüngere Modell an der Seite?
Was ist Zeit und welche Bedeutung hat es für „unser“ Leben?
Vorweg, ...auch ich folgte über viele Jahre dem von mir verstandenen „Ideal“ der (deutschen) Leistungsgesellschaft, wurde anerkannt und aufgrund der erbrachten Leistung von dem ein oder anderen hofiert. Es gab mir die gewünschte Anerkennung, andere neideten mir meinen Erfolg, repräsentiert durch Statussymbole – ergo – ich war erfolgreich (ein guter Deutscher?).
Allerdings machte ich dann Erfahrungen, die meine Leistungen und meinen Erfolg in Frage stellten, die die Symbole meines Erfolgs ihrem Wert beraubten.
• all mein Wohlstand & Komfort bekam einen schalen Beigeschmack als mir vor Augen geführt wurde, worauf der Wohlstand der 1. Welt basierte
• Krankheit ließ mich spüren, dass das Leben flüchtiger sein kann als ich es in meiner (Lebens-)Planung vorgesehen hatte
• der Tod eines unendlich geliebten Menschen machte mir klar, was für mich im Leben von Bedeutung ist
>> Versuchungen bekämpft man am besten mit Geldmangel und mit Rheumatismus <<
Joachim Ringelnatz (1883-1934), dt. Lyriker, Erzähler & Maler
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Sarkasmusmodus an …
Damit ich nicht zur „persona non grata“ werde, huldige (oder ist es eher heucheln?) ich natürlich die Werte unserer Gesellschaft.
Ich entspreche augenscheinlich dem modernen Mann, metrosexuell, ohne ein Haar am Körper, fitness-gestählt und mit Botox-bereinigtem Antlitz.
Ich kontrolliere mein Gewicht, meinen Kontostand, habe das rundum-sorglos Versicherungspaket, dass natürlich auch meine Altersvorsorge beinhaltet, und wirke immer jovial und leistungsbereit.
Statt artgerechter Ernährung und Auslauf vertraue ich auf Nahrungsergänzungsmittel und stolziere laut klackernd mit Stöcken durch die von Gefahren bereinigte „Natur“.
Und so nebenbei, was interessiert mich mein Gelaber von gestern?
Als moderner Mensch gehe ich mit der Zeit, folge jedem trend und passe mich so der gesellschaftlichen Strömung an.
Ich bin kein Konformist, lediglich anpassungsfähig.
… aus.
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Zu Anfangs folgte ich den Lehren von Epikur, dann mischte es sich mit dem Weltbild der Kyniker und um diesen Rahmen nicht zu sprengen, suchte ich Ausgleich mit Ironie & Sarkasmus.
Doch wie man wahrscheinlich erkennt, ist dieses Konglomerat an philosophischen Richtungen nicht unbedingt leicht in Einklang zu bringen, so dass ich mich neuerdings zeitweise als Hedonist empfinde, wahrscheinlich als Ausgleich für die deformierenden Einflüsse meines unbewussten Lebens.
(Peter Sloterdijk – Kynismus und Zynismus)
Aber ich wollte jetzt nicht ein Buch vorstellen, es soll ein Diskussionsvorschlag sein … und nebenher wollte ich mich als neues Mitglied für die Aufnahme bedanken.
Meine Frage an Euch:
Wie bekommt ihr den Spagat zwischen Philosophie und Realität hin?
Wie schützt ihr Euch vor aufkommenden Zynismus?
Ich wünsche einen sinnerfüllten Tag,
MondZeit