Von heute aus betrachtet gibt es nur einen äußerst verstellten Weg zurück in das Gefühl von gestern. Die Verfügbarkeit von Musik aus allen Zeiträumen, in denen man selbst in einer ganz bestimmten Weise an dieser Musik teilhatte, sie nicht nur hörte – zu Hause, im Radio, in der Disco, im Konzert, im Kaufhaus – sondern erlebte und mit seinen ganz eigenen Bedeutungen manchmal bis zum emotionalen overload auflud; diese mühelose Verfügbarkeit macht etwas mit dieser Musik und den Erinnerungen.
Ich sitze zu Hause am Rechner und lasse mir Dateien zuschicken, die im Nu die Musik, die mir alles bedeutete, aus dem Nichts holt. Und weit mehr als das; ich kann mir Interviews ansehen von den Leuten, die diese Musik damals machten, Interviews aus dieser Zeit, aber auch solche von damals. Ich sehe mir Videos an, die irgendjemand mal in irgendeiner Fabriketage in Andy Warhols factory gemacht hat, als die velvets „Venus in Furs“ für ein paar drogengesättigte Leute spielten. Hätte mir das jemand 1981, als ich deren Platten – und kaum etwas anderes – hörte, vorausgesagt; wie hätte ich das wohl aufgenommen?
Heute bin ich diesen Leuten irgendwie näher, weil ich alles Mögliche von ihnen und über sie mit ein paar Tastenklicks hervorzaubern kann. Dem Gefühl von damals; kann mich die Technik mit diesen Möglichkeiten diesem Gefühl noch näher bringen als die Musik aus der Rille? Ich habe die Platten nicht mehr. Und einen Plattenspieler hab ich auch nicht.
Aber ich habe utube und kann mir eine Liste zusammenstellen und abspielen. Das kann Musik sein, die mich wie vom Plattenteller beschallt, es kann aber auch vieles andere sein. Zum Beispiel das Forschen nach dem Wesen der Leute, die sie gemacht haben oder gerade machen. Und das ist eine völlig neue Art der Wahrnehmung. Die Musik von Zappa hat für mich mittlerweile einen weiteren, ungemein wichtigen Aspekt gewonnen, nachdem ich eine Vielzahl von Interviews (und live videos) gesehen habe.
Der Weg zurück in das Gefühl von gestern ist zwar verstellt durch all das, was in der Zwischenzeit geschah, und die Kommunikationstechnik räumt diese Dinge nicht aus dem Weg. Aber sie eröffnet neue und neuartige Wege, um von heute aus ein neues Erleben und Empfinden zu ermöglichen. Die Menschen, die damals diese Musik gemacht haben, leben ja auch noch (zum Teil), und sie sind ebenso andere geworden.