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Nietzsches-Zárathustra

*******s10 Mann
194 Beiträge
Bibliographische Angabe:
Reinhard Gasser: Nietzsche und Freud. 1997. De Gruyter.

Die biographische Methode mag ihre Berechtigung haben. Sie stammt aus der Hermeneutik der Romantik, und wurde schon oft kritisiert bzw. weiterentwickelt. Zum Verständnis philosophiegeschichtlicher und kulturgeschichtlicher Zusammenhänge kann sie relativ wenig beitragen. Zur Erschliessung des genuin philosophischen Gehalts auch wenig, sie kann immerhin genealogisch einiges erklären und auch Theorien konkret-anschaulich fassbar machen. Dekonstruktivistische Hermeneutik à la Derrida schafft es dann durch akribische Analyse auch autobiographischer Textsorten auch dem philosophischen Gehalt eines Werkes neue Aspekte abzugewinnen. Diesen Ansatz finde sehr produktiv. Aber diese Methode ist in der Regel nicht gemeint, wenn man Biographie und Werk verbindet.
Das Problem ist, dass ein problematisches Frauenverhältnis im Leben eines Philosophen dessen Philosophie der Frau nicht widerlegen kann. Ebenso umgekehrt, eine problematische Philosophie der Frau hat nicht zwangsläufig ein problematisches Leben mit Frauen zur Folge. Rousseaus Erziehungskonzept ist nicht deswegen falsch, weil er selber ein schlechter Erzieher war. Kants kategorischer Imperativ ist nicht deswegen falsch, weil er selbst im Leben zwanghaftes Verhalten gezeigt hat. Insofern muss man Biographie und Philospohie trennen. Das ist natürlich nicht besonders romantisch, weil wir das Bild des edlen Weisen so gerne vor uns haben. Und weil es natürlich auch eine richtige und wichtige Feststellung ist, wenn man aufzeigt, dass ein Mensch inkonsistent ist, wenn philosophisches Werk und eigen Lebenspraxis nicht zusammenpassen. Daraus folgt aber nicht, dass das philosophische Werk falsch ist oder Ähnliches. Der Gehalt von philosophischen Gedanken muss anders kritisiert, thematisiert, problematisiert werden - mit Argumenten. Ansonsten haben wir eine Diskursvermischung, Ebenenvermischung oder noch einmal anders gesagt, einen Kategorienfehler - was methodisch doch sehr fragwürdig ist. Und abendländische Philosophie verpflichtet sich nun mal der Logos, sei es auch in einer logozentrismus-kritischen Form.
*******s10 Mann
194 Beiträge
Zur Sprache und Auslegung im Zarathustra aus der vagen Erinnerung ein paar Hinweise:


• Philosophie in narrativer Form als konsequente Umsetzung der Kritik am Logozentrismus (das Singuläre, das Konkrete, das Endliche, der Polemos statt das Allgemeine, das Abstrakte, das Ewige, der Logos)
• Zarathustra ist nicht Nietzsche, Nietzsche ist nicht Zarathustra, Zaratustra ist eine fiktive Figur, angelehnt an den iranischen Zoroaster: Zarathustra selbst ist nur ein Teil/eine Funktion innerhalb der Philosophie von Nietzsche, Zarathustra ist auch kein Heilsbringer, er ist auch nicht der "Übermensch" selbst, er ist eine Funktion innerhalb von Nietzsches bei Heraklit angelehnten Geschichtsphilosophie
• Sackgasse Biologismus: Nietzsches genealogisches Denken ist nicht biologisch / darwinistisch, sondern psychologisch. Gerade die Entwicklung vom Menschen zum Übermenschen könnte sozialdarwinistisch fehlgelesen werden.
• Parallelen zu Christus: biblischer Sprachstil, Persiflage von Zitaten aus der Bibel, Werdegang von Zarathustra (Einsamkeit, Hinwendung zu den Menschen, Predigten), Alter von Zarathustra
• Tiersymbolik: z. B. Adler (König), Schlange (Verführung)
• Stadt Bunte Kuh: Anspielung auf Buddha
• Gattungen: Pseudo-Evangelium, Gleichnisse, Fabeln (so die prominenten "drei Verwandlungen")
• bewusste Verschlüsselung, z. B. "Von jungen und alen Weiblein": ironischer Grundton, Dialog mit einer alten Frau, bei der Zarathustra als Unwissender entlarvt wird
*******enza Mann
3.454 Beiträge
@eusebius
danke für Deine sehr kompetenten Beiträge

weil es natürlich auch eine richtige und wichtige Feststellung ist, wenn man aufzeigt, dass ein Mensch inkonsistent ist, wenn philosophisches Werk und eigen Lebenspraxis nicht zusammenpassen. Daraus folgt aber nicht, dass das philosophische Werk falsch ist oder Ähnliches.

Das sehe ich ähnlich. In anderen Foren/Gruppen hier kommt bei der bloßen Erwähnung des triggerwortes Nietzsche sofort irgendeine Bemerkung (meist von einer Frau), die sein angeblich problematisches Verhältnis zu Frauen thematisiert. Die Berechenbarkeit, die inzwischen dahintersteckt, ist schon fast wieder lustig.

Der Gehalt von philosophischen Gedanken muss anders kritisiert, thematisiert, problematisiert werden - mit Argumenten. Ansonsten haben wir eine Diskursvermischung, Ebenenvermischung oder noch einmal anders gesagt, einen Kategorienfehler - was methodisch doch sehr fragwürdig ist. Und abendländische Philosophie verpflichtet sich nun mal der Logos, sei es auch in einer logozentrismus-kritischen Form.

Ich bin ja auch geneigt, dem zuzustimmen und habe gleichermaßen ein eher konservatives Idealbild der dahinterstehenden Diskursethik (bis vor kurzem gehabt).

Wir sind aber als heutige mit dem Problem konfrontiert, dass alle sprachanalytischen Bemühungen, solche Diskursvermischungen, Ebenenvermischungen etc formal zu beschreiben, im Grunde gescheitert sind. Was uns in talkshows und auch noch im Feuilleton selbst renommierter Zeitungen anstarrt, ist im Grunde ein diskursethisches Ausschwitz.

Nietzsche lese ich aber so, dass er dies WOLLTE!

Er hat genau gesehen, dass es keine Möglichkeite gibt, den logozentrismus, wie du es nennst, "formal korrekt" zu kritisieren oder zu widerlegen, weil der Rekurs auf die "Form" ein ganz wesentliches Merkmal des Logos ist. Deshalb wählte er zunehmend eine lyrische Sprache, die im akademischen Wissenschaftsbetrieb nur Kopfschütteln hervorrufen konnte.

Formal korrekt ist nur die "kleine Vernunft".
Die "große Vernunft" kommt direkt aus dem Leib.

Nietzsche wollte den Sand fressen, die Backförmchen durften die anderen Kinder ihm gerne klauen und ihn für die zerstörten Kuchen auch gerne eine Schaufel auf den Kopf hauen.
@****hon
Du hast Recht. Wir werden auf diese Weise keinen Konsens finden. Ich will das jetzt nicht unnötig auslatschen. Du stellst Thesen auf. Und diese Thesen begründest tatsächlich sehr anregend. Vielen Dank. Aber erlaube mir eine andere Sicht.

Wenn ein Künstler keine unglückliche Kindheit vorzuweisen hat, wird er nicht ernst genommen. Biografische Herleitungen sind (für mich) letztlich der Versuch, ein Bild zu formen, wie ein Verstehen am schlüssigsten erscheinen mag - oft vom Künstler selbst stilisiert. Aber es ist dennoch nur eine Option des Denkens. Wir orientieren uns an Wahrscheinlichkeiten und Überlieferungen. Das ist gut so. Es ist aber nicht gut, wenn wir deshalb das Unwahrscheinliche ausblenden. Schlüsselerlebnisse sind nicht immer im familiären Umfeld zu suchen. Nicht jedes Kind, dass ohne Vater aufwächst, wird ein Religionsstifter.

Biografische Daten liefern Indizien. Sie liefern schnell nachvollziehbare Erklärungen und Betrachtungsweisen. Dennoch steht das Werk erst einmal für sich. Es ist ein eigener Kosmos. Eine Fantasie, eventuell eine zeitgemäß, logische Schlussfolgerung.

Das Zeitalter der Entstehung des Textes ist neben der Biografie des Autors, ein weiterer Faktor des Verstehensprozesses, wie auch die reine Textanalyse, der Vergleich und die Relevanz im Kontext des Zeitgeistes. Weitere Disziplinen, wie die beispielsweise die Psychologie mögen sich dazu gesellen.

Was ist Zarathustra dann heute noch? Religion? Märchen? Philosophie? Ein Zeitvertreib für Intellektuelle? Wo greift das Buch heute?
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Was ist Zarathustra dann heute noch? Religion? Märchen? Philosophie? Ein Zeitvertreib für Intellektuelle? Wo greift das Buch heute?

Zunächst und vor allem ist es eine klasse Identifikationsfigur für alle männlichen Intellektuellen, die sich von der Welt oder einem Weibe mißverstanden fühlen.

Allemal besser als Werther, oder?
Was ist Zarathustra dann heute noch? Religion? Märchen? Philosophie? Ein Zeitvertreib für Intellektuelle? Wo greift das Buch heute?
Zunächst und vor allem ist es eine klasse Identifikationsfigur für alle männlichen Intellektuellen, die sich von der Welt oder einem Weibe mißverstanden fühlen.

Allemal besser als Werther, oder?

Den Zarathustra las ich wohl erst spät.
Der Werther und der Beginn meiner Beschäftigung mit Nietzsche fielen allerdings in das gleiche Zeitfenster.

Beipackzettel, bezüglich der Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten, lagen indessen nicht bei.
Ein echter Mangel, wie ich finde...
*******s10 Mann
194 Beiträge
Weltschmerz und Geschlechterprobleme klingen für mich eher nach einer Schopenhauerschen Nietzsche-Lesart. Nietzsche ist witzig, kraftvoll, lustig, zynisch, farbig, dynamisch. Deleuze hat einmal teffend gesagt, Nietzsche sei der Philosophie, der die Kategorie der Kraft in die Philosophie eingeführt hat.

Bei Nietzsche und den Frauen ist es ähnlich wie bei Nietzsche und den Juden: Man wirft Nietzsche vor, er sei ein Antisemit gewesen. Ja richtig, er hat auf den Juden rumgehackt. Was aber auch richtig ist: auf den Christen und Deutschen hat er noch viel mehr rumgehackt. An Platon und Sokrates hat er kaum ein gutes Haar gelassen. Nur Goethe hat er in Ruhe gelassen. Also wenn Nietzsche was negatives über die Frau schreibt - über wen hat er nichts Kritisches oder Böses gesagt. Nietzsche ist Provokateur - und leider in seiner Schlussphase ein kranker Mann. Da muss man auch sehr vorsichtig sein, dass man seine letzten Schriften hermeneutisch nicht einach in seine Werke hineinmischt, die er in gesundem Zustand geschrieben hatte.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
leider in seiner Schlussphase ein kranker Mann.

Als ich vor ein paar Tagen in der Vorrede das Gleichnis mit dem Seiltänzer las, über den der Possenreisser noch hinwegspringt, kamen mir hieran zum ersten Mal Zweifel.

Im Seiltänzer entdeckt Zarathustra ja seinen ersten "Gefährten", mit dem er sich vor allem ob des Moments der dauernden Gefahr verbunden fühlt.

Der Possenreisser dagegen hat den Logos komplett hinter sich gelassen, mit dem Kollateralschaden natürlich, dass ihn niemand mehr ernst nimmt.

Das Kokettieren des Genius mit dem Wahnsinn ist ja fast schon ein Stereotyp, das sich historisch allerorten durch diese - sagen wir - Endphase der Romantik zieht.

Zumindest theoretisch wäre es denkbar, dass Nietzsche sich am Ende mehr oder minder bewußt dazu entschlossen hat, sich in die Rolle des Possenreissers zu begeben, ein Pferd zu umarmen, um endlich in Ruhe ungestört weiter nachdenken zu können. Zumal er denkerisch an einem Punkt war, wo er ob der mangelnden Jüngerschar sowieso nicht mehr daran glaubte, dass ihm in diesem Zeitalter noch irgendwer folgen könne/wolle. Und also weiteres Schreiben reine Zeitverschwendung wäre.

Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu, meine Brüder, bedarf es des Löwen.

erstes Buch. Von den drei Verwandlungen.

Ist natürlich reine Spekulation. Eine historisch-medizinische Analyse würde sicherlich offenbaren, dass er tatsächlich und objektiv abgeschmiert ist.
*******s10 Mann
194 Beiträge
Nietzsches Krankheit wird eigentlich von niemandem bezweifelt. Nicht ganz sicher ist, ob Siphilis die Krankheitsursache war, aber wahrscheinlich. Das ist relativ gut dokumentiert, weil er auch in Universitätskliniken untersucht und behandelt worden ist. Auch schriftstellerisch ist mit Beginn der sogenannten "Wahnsinnszettel" ein deutlicher Bruch erkennbar. Dazu kamen dokumentierte Schlaganfälle und Lähmungen.
Übrigens war der Wahnsinn in Nietzsches Zeit ein bliebtes Thema, als das andere der Vernunft wird es aber der Aufklärung immer stärker zum Thema. Von diesem Thema bei Nietzsche auf eine Absicht, den Wahnsinnigen zu spielen oder zu sein, zu schliessen - ist wohl etwas abenteuerlich.

Zitat vom Befund des aufnehmenden Arztes:

"Pupillen different, rechte größer als die linke, sehr träge reagierend. Strabismus convergens. Starke Myopie. Zunge stark belegt; keine Deviation, kein Tremor! Facialisinnervation wenig gestört, fühlt sich ungemein wohl und gehoben. Gibt an, daß er seit acht Tagen krank sei und öfters an heftigen Kopfschmerzen gelitten habe. Er habe auch einige Anfälle gehabt, während derselben habe sich Pat. ungemein wohl und gehoben gefühlt, und hätte am liebsten alle Leute auf der Straße umarmt und geküßt, wäre am liebsten an den Mauern in die Höhe geklettert"

Diagnose: progressive Paralyse

Beschreibungen aus Basel:

11. Januar: Ganze Nacht nicht geschlafen. Sprach ohne Unterlaß. Stand öfters auf. Frühstückt mit großem Appetit. Fortwährend motorische Erregung. Legt sich zuweilen auf den Boden. Spricht verworren.
12. Januar: Fühlt sich so unendlich wohl, daß er dies höchstens in Musik ausdrücken könne.
13. Januar: Zeigt einen ungeheuren Appetit, verlangt immer wieder zu essen. Singt, johlt, schreit.
14. Januar: Fortwährend gesprochen und gesungen. Besuch der Mutter. "Mutter macht einen beschränkten Eindruck." Ein Bruder der Mutter starb in einer Nervenheilanstalt. Die Schwestern des Vaters waren hysterisch und etwas exzentrisch. (Angaben der Mutter.) Vater durch Fall von der Treppe hirnkrank. Nietzsche unterhält sich anfangs harmlos mit der Mutter, dann plötzlich: "Sieh in mir den Tyrannen von Turin." Redet dann verworren weiter.
15. Januar: Sehr laut. Laut schreiend und gestikulierend.
17. Januar: Parese des linken Facialis viel deutlicher. Sprache: Keine nachweisbaren Störungen."

Die progressive Paralyse ist das Spätstatium vom Lues. Damals wurden sowohl die Geschlechtskrankheit Tripper als auch Syphilis synonym unter Lues subsumiert und nicht unterschieden. Daher ist unklar, was Nietzsche genau hatte. Es gibt Hinweise auf Syphilis, auch Hinweise auf eine Infektion bei einem Bordellbesuch in Köln.
Der in verschiedenen Quellen ziemlich genau dokumentierte Krankheitsverlauf entspricht einer Syphiliserkrankung. Nietzsche selbst soll einmal von einer mögliche Infektion gesprochen haben, in einem anderen Kontext hingegen stellt er dies in Abrede. Otto Binswanger hatte eine andere Hypothese: er glaubte an eine psychologische Genese der progressiven Paralyse. Aus heutiger Sicht ist dies aber abwegig, und bereits damals war Binswanger alleine mit dieser Idee.
Nach Wahn und Grössenwahn, übermässiger Agitiertheit sollen Apathie und Verblödung gefolgt haben. Dann soll er selbst nahestehende Menschen nicht mehr erkannt haben und auf wesentliche Ereignisse wie z. B. den Tod seiner Mutter überhaupt nicht mehr reagiert haben. Am Schluss kam ein Schlaganfall dazu.
Eine Obduktion gab es nicht, die die Diagnose gesichert hätte.

Auffällig ist aber die einseitige Pupillenveränderung, die - neben allen anderen Berichten und Indizien - doch auf auf ein physiologisches Problem hinweist und die These von einem freiwiligen Wahnsinn eigentlich ausschliesst.
*******s10 Mann
194 Beiträge
So, ich habe noch einen präziseren Text als den meinen im Netz gefunden, der Nietzsches Krankheit sehr präzise aufarbeitet:

http://www.saez.ch/pdf/2000/2000-01/2000-01-1382.pdf
*****one Frau
13.323 Beiträge
@Eusebius10
danke für den link!

aus heutiger sicht( nicht meine idee) könnte Nitzsche unter einer bipolaren störung gelitten haben, die sich zunehmend richtung Borderline- Synndrom entwickelt hat.
aber ich bin kein mediziner.
was ich kenne ist:
genialität und "wahnsinn" liegen sehr dicht beieinander.
vielleicht bin ich durch meine professionelle sicht besonders empfänglich für bestimmte dinge.
episode:
irgendwann hatte ich eine jungen mann zu begutachten, der unter multiplen störungen litt:
Asperger Authismus, bipolare Störung... alles mögliche.
die interaktion war sehr schwer.
als ich ihn zum schluss fragte, was sein leben schwer macht, sagte er:
"das leben ist nicht schwer, es ist das schwerste."
diese worte werde ich nie vergessen.

gruß

diA
*******s10 Mann
194 Beiträge
Leider nein.
Es handelt sich bei Nietzsche eindeutig um eine progressive Paralyse.
Das ist etwas anderes als Borderline oder Asperger...

Liebe Grüsse
Eusebius
*****one Frau
13.323 Beiträge
@Eusebius10
wie gesagt, ich bin kein mediziner.
Nietzsche begeistert mich und auch nicht.
es kommt auf den datenabgleich an...also das wahrnehmen des "Ja, so ist es". oder eben nicht.
anders kann ich seinen Zarathustra nicht lesen.

schön, dass du Deleuze erwähnt hast, meinen favortiten in hinsicht der betrachtung der " klassiker".
*******enza Mann
3.454 Beiträge
@eusebius
Auch von mir ein Danke für die Quellenangaben.

Nietzsches Krankheit wird eigentlich von niemandem bezweifelt.

Ja, das war auch mehr als Scherz gedacht.

Obwohl:

...habe auch einige Anfälle gehabt, während derselben habe sich Pat. ungemein wohl und gehoben gefühlt, und hätte am liebsten alle Leute auf der Straße umarmt und geküßt, wäre am liebsten an den Mauern in die Höhe geklettert"
...
Ganze Nacht nicht geschlafen. Sprach ohne Unterlaß. Stand öfters auf. Frühstückt mit großem Appetit. Fortwährend motorische Erregung. Legt sich zuweilen auf den Boden. Spricht verworren.
...
Fühlt sich so unendlich wohl, daß er dies höchstens in Musik ausdrücken könne.
...
Singt, johlt, schreit.
...
Sehr laut. Laut schreiend und gestikulierend....

Eigentlich ganz normaler Beziehungs-Alltag, oder?

------------------

Ich bin mit dem ersten Buch fast durch.

Unter welcher Fragestellung sollte man dies erste Buch als Einsteiger primär lesen? Was ist seine Hauptintention hier in Abgrenzung zu den folgenden Büchern? In welchen Stellen (Zitaten) manifestiert sich das am Deutlichsten?
*******s10 Mann
194 Beiträge
Ich schreibe hier gerne weiter, wenn ich es schaffe: Wir fahren morgen nach Spanien und wenn es mir gelingt eine günstige Internetverbindung zu schaffen, philosophiere ich in den Ferien gerne weiter über Nietzsche...

Tschüss
Roland
@Jincandenza
Das erste Buch des Zarathustra, aber da sage ich Dir sicher nichte Neues, wenn Du es fast durch hast, steht ganz im Zeichen des Übermenschen. Nach Abschluss dieses ersten Buches schrieb Nietzsche an seinen "Freund" Overbeck, Theologe und wie Nietzsche vorher auch Professor in Basel folgende Zeilen: "Ich bin durch das ausschliessliche Zusammensein mit idealistischen Bildern und Vorgängen so reizbar geworden, dass ich im Verkehr mit den jetzigen Menschen undglaublich leide und entbehre." Es ist der "jetzige Mensch", der Nietzsche nicht mehr genügt. Der Mensch, der jetzige Mensch, war für Nietzsche ein Wesen im Übergang. Wenn die Evolution, auf die sich Nietzsche ohne auf Darwin zu verweisen beruft, bis zum Menschen geführt hat, warum sollte sie im Menschen enden? Ich denke, das ist der Ansatz, der Nietzsche zum Übermenschen führt. Nietzsche sagt auch: "Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und Vieles ist in euch noch Wurm." Der Fortschritt lag für ihn darin, wenn "die Menschheit als Masse dem Gedeihen einer einzelnen stärkeren Species Mensch geopfert" würde. Ich persönlich setzte diese Vision Nietzsches vom Übermenschen in Bezug zu den aktuellen Diskussionen z.B. zur PID. Sind wir mit der Entscheidung im deutschen Bundestag in dieser Woche nicht bereits auf dem Weg, diese Übermenschen selbst zu schaffen? Dies als Denkanstoss? Nietzsche lebt!!
*******enza Mann
3.454 Beiträge
@pyrrhon
Natürlich hast Du vollkommen recht, in diesen Fragestellungen ist Nietzsche aktueller denn je.

Ich denke da vor allem an seine Formulierung des aus sich SELBST rollenden Rades, die er vor allem in den letzten Kapiteln des ersten Buches verstärkt gebraucht.

Dies vor allem in Abgrenzung zu einem "aus dem ICH rollenden Rad" wie es die Widersprüche einer rationalistischen Sprachanalyse nahelegen würden.

Jetzt mal unabhängig davon, ob wir "der Menschheit" oder auch einer aus ihr gezüchteten "Übermenschheit" überhaupt eine kollektive Intelligenz unterstellen können.

Sicherlich bergen PID, Neuroenhancer, NLP, Programmiersprachen oder ein fettes Konto das Potential, die Wirkmächtigkeit einzelner Menschen(gruppen) noch effizienter herauszuschälen. Sicher gibt es da heute schon Unterschiede zwischen den Menschen, die nahezu einer Speziesdifferenz gleichkommen, wie Sloterdijk so wunderbar formulierte.

Die Frage nach dem woher und wohin führt aber notwendig ins Spirituelle und in einem Nebengleis in die Kapitalismuskritik. Der Begriff des (kolletiven) Unbewußten, wie wir ihn heute kennen, war Nietzsche ja in dieser Form noch nicht geläufig, er war da wohl Inspirator für Freud.

Ich finde es immer wieder belustigend, wie meine Zeitgenossen, nachdem sie ach so kühn Gott ermordet haben und sich aus der Unterdrückung christlicher Sexualmoral befreit dünken, nichts Besseres zu tun haben, als panisch so schnell wie möglich ein neues deduktives, altruistisches Moralsystem als Ersatz für den Dekalog aus der Taufe zu heben.

Es geht aber um die Bestie, den Minotaurus, der im selbst wohnt. Ich kann nicht abschätzen, wie geheuer Nietzsche dies Ungeheuer war. Mir sitzt er (Nietzsche) vor allem als ideeller Schalk im Nacken, der mich regelmäßig zwingt, meine schönen Labyrinthe wieder zu zerstören.

.
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Trümmerfrauen
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*panik* *streit* *headcrash* *heul* *nono* *sternchen* *troet*
sekundär
Inzwischen habe ich im Netz etwas recherchiert und bin auf zwei Aufsätze gestossen, welche, wie ich finde, durchaus lesenswert sind. Beim Lesen ist mir vor allem aufgefallen, dass die Kernthesen (Gott ist tot, der Übermensch, der Wille zur Macht, etc.) im Zarathustra doch sehr unterschiedlich interpretiert werden können. Einen klaren Konsens finde ich nicht - zumindest nicht, wenn er über die erste, faktische Deutung hinausgehen soll.


www.kahl-marburg.privat.t-online.de/kahl_nietzsche2.pdf

www.kahl-marburg.privat.t-online.de/kahl_nietzsche1.pdf
Sekundärliteratur
Ich denke, dass es am meisten hilft, wenn man Nietzsche selbst als Interpreten seines Zarathustra heranzieht. Er hat sowohl vorher (vor der Veröffentlichung) als auch in nachfolgenden Schriften immer wieder dazu geäussert. Nach meinem Verständnis war die Arbeit, Safranski hat in seiner Biographie über Nietzsches Denken formuliert, es sei "eigentlich keine Arbeit, sondern ein ekstatisches Spiel" an Zarathustra einer der wesentlichen Gründe für seinen Zusammenbruch. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.
Die Äußerungen Nietzsches zu Zarathustra sind interessant, wichtig und daher unabdinglich. Da bin ich ganz bei Dir. Aber kennst Du nicht dieses Phänomen, dass andere Menschen etwas an Dir oder in Dir erkennen, dass Dir selbst nicht bewusst ist, weil Dir eben der Blick von außen fehlt?

Zarathustra ist für mich gerade deswegen so sehr reizvoll, da er nicht gealtert ist. Der Text entzieht sich jeglichen Zeitgeist und doch beschreibt er die Fähigkeit eines Geistes zu einer bestimmten Zeit. Verschiedene Strömungen des letzten Jahrhunderts, seien sie politisch oder philosophisch motiviert, haben den Text durch ihre jeweilige Brille gedeutet. Für mich stellt sich daher die Frage, durch welche Brille wir heute schauen?
*****one Frau
13.323 Beiträge
@Phyrron
Nach meinem Verständnis war die Arbeit, Safranski hat in seiner Biographie über Nietzsches Denken formuliert, es sei "eigentlich keine Arbeit, sondern ein ekstatisches Spiel" an Zarathustra einer der wesentlichen Gründe für seinen Zusammenbruch. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.

ich denke durchaus, dass sein Zarathustra für ihn ein erklärungsversuch war.
eine neue dimension, nachdem er nahezu alle zu seiner zeit als " Moral" geltenden grundsätze verneinte.
das können wir heute mit einer gewissen gelassenheit sehen, die sich gern im reich des Dionysos verankert sieht.

Nitzsche sollten wir heute im kontext seiner zeit betrachten.

schelmisch grüße

diA
@ diANaone + yang66
Ich finde die Widersprüche in euren beiden Kommentaren interessant. Während yang das zeitlose im Zarathustra erkennt, eine Meinung, der ich mich sofor anschliessen kann, sieht diANaone die Lektüre Nietzsches als Werk seiner Zeit. Warum lesen wir dann heute noch Platon oder, um in einem aktuelleren Bild zu bleiben, warum erfreuen sich viele heute noch an den Essays von Michel de Montaigne. Kann man auch Goethe nur als Produkt seiner Zeit sehen, oder hatte er etwas Wichtiges zu sagen, dass auch seiner Nachwelt gut tut? Hat Lessing mit seinem Nathan nicht grundlegendes gesagt zu einem Thema, dass in der heutigen Gesellschaft zu wenig diskutiert wird (aber müsste!!).

Nietzsche hat weit vorausgesehen. Das hat ihn am Ende geistig zerstört. Sein Skeptizismus stünde vielen Entscheidungsträgern in Politik und Gesellschaft heute gut zu Gesichte! Nietzsche lebt.
*****one Frau
13.323 Beiträge
@Phyrron
Warum lesen wir dann heute noch Platon oder, um in einem aktuelleren Bild zu bleiben, warum erfreuen sich viele heute noch an den Essays von Michel de Montaigne. Kann man auch Goethe nur als Produkt seiner Zeit sehen, oder hatte er etwas Wichtiges zu sagen, dass auch seiner Nachwelt gut tut? Hat Lessing mit seinem Nathan nicht grundlegendes gesagt zu einem Thema, dass in der heutigen Gesellschaft zu wenig diskutiert wird (aber müsste!!).
warum lesen wir interessierten die klassiker?
um zu vergleichen.
aussage um aussage.
das ist es doch, was philosophie ausmacht: das nachdenken und dann das weiterdenken.
ansonsten könnten wir unsere hefte schliessen mit den worten:" es ist alles gesagt", unserer wege gehen und nicht weiter darüber nachdenken.
käme so ein fort- schritt im sinne eines fort( voran)schreitens der erkenntnis auf? ich denke: nicht.
*****one Frau
13.323 Beiträge
zu Goethe...
als bekennender schreiber, der ein gespanntes verhältnis zu Goethe hat, war mir Richard Friedenthal´s "Goethe- sein Leben und seine Zeit"
ein prüfungsthema wert.

das am rande.

gruß

diA
@ diANaone
Vielleicht ist ja bereits alles gesagt, nur noch nicht von allen??

Aber ernsthaft, im Grunde bin ich bei Dir. Allerdings stimme ich nicht in der Absolutheit des Weiter-Denkens überein. Es muss zuweilen auch ein Zurück-Denken sein, das zur Erkenntnis führt. Nietzsche sagt z.B. "dass die Erkenntnis auch der hässlichsten Wirklichkeit schön ist" Wer will denn heute die hässliche Wirklichkeit erkennen?
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