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Erkenntnis des Tages!449
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ist erkenntnis möglich?

Bin gespannt auf die Fortsetzung, aber aus dem, was ich geschrieben habe, folgt mit Sicherheit nicht, dass ich zum Relativisten geworden wäre.

Die Rahmenbedingungen sind für mich die Wirklichkeit, also der Kosmos, in dem wir alle leben, und der für alle derselbe ist.

Wahrheit ist natürlich Wahrheit wie sie für Menschen möglich und denkbar ist. Ein anderer Wahrheitsbegriff wäre für uns nicht denkbar. Und deshalb macht es keinen Sinn, davon zu sprechen, dass es viele Wahrheiten gibt, je nach Bezugssystem. Es gibt nur EIN Bezugssystem. Nämlich unser Kosmos. In bezug auf ihn sind Aussagen entweder wahr oder falsch.
@sweet_calm
Bitte nicht böse sein, aber das mit dem Meeresspiegel ist wirklich eine Spitzfindigkeit und kein wirklicher Einwand. Naturgesetze haben Anwendungsbedingungen. Sie gelten im Einzelfall nur, wenn die Anwendungsbedingungen erfüllt sind. Wenn sich der Luftdruck ändert, weil der Meeresspiegel höher ist, haben wir es mit einer Änderung der Anwendungsbedingungen zu tun. Das widerlegt nicht die Gültigkeit des Gesetzes.

Ich hätte auch statt vom Meeresspiegel gleich den Luftdruck als eine der notwendigen Anwendungsbedingungen nennen können. Dann kann der Meerespiegel sein wie er will. Mit einer Änderung von Wahrheit hat das alles wirklich nichts zu tun.
*******alm Paar
7.574 Beiträge
wowowo.......................
Die Rahmenbedingungen sind für mich die Wirklichkeit, also der Kosmos, in dem wir alle leben, und der für alle derselbe ist.

............das sind satte 5€ronen für's phrasenschwein! *ggg*

calm*wink*
@sweet_calm
Ich weiss nicht genau, wie du das gemeint hast.

Nur zur Verdeutlichung: Wenn ich sage, der Kosmos ist für alle derselbe, dann meine ich, dass er so ist wie er ist, und nicht so wie wir ihn erfahren oder uns wünschen oder denken. Ich kann die Realität des Kosmos nicht durch Wunschdenken verändern. Das ist erkenntnistheoretischer Realismus. Eine nicht ganz unangesehene philosophische Position.

Leute, denen die Realität so wie sie nun einmal ist, aus ideologischen Gründen nicht passt, gibt es genug. Aber die halte ich für autoritär und gefährlich. (Z.B. die Kirche, die sich lange gegen die Wissenschaft gewehrt hat, weil sie nicht in ihre Ideologie gepasst hat).

Relativismus (es gibt viele Wahrheiten und sie ändern sich laufend) bedeutet immer, dass Wahrheit auf Macht reduziert wird. Wahr ist dann das, was die Mächtigen als wahr gelten lassen. Leider begreifen das viele Relativisten nicht.
*******alm Paar
7.574 Beiträge
lieber westost,
wir halten es mit schopi, wir sehen die welt nicht so wie sie ist, sondern sie ist so, wie wir sie sehen.

calm*wink*
Das erinnert mich an alte Zeiten und meinen spontanen Ausruf "Was interessiert mein Leben, wie die Welt ist?" *smile*
**e Mann
2.564 Beiträge
Wenn ich sage, der Kosmos ist für alle derselbe, dann meine ich, dass er so ist wie er ist, und nicht so wie wir ihn erfahren

Wie ist er denn so?
Wie ist er denn so?


....das weiß der liebe gott allein...
*******alm Paar
7.574 Beiträge
menno,
bitte nicht der schon wieder!
*streit*
*******enza Mann
3.454 Beiträge
Aufrichtigkeit
Gut, dass hier jemand (!) ist (das bist jetzt du, sweet_calm), der das alles nicht so bierernst nimmt wie ich es manchmal tue, wenn's um Philosophie geht.

Das Kompliment gebe ich gerne zurück, denn ich finde es sehr gut, dass hier endlich mal wieder jemand ein wenig mehr Ernst reinbringt.

Die Mädels haben wir jedenfalls auf den letzten Seiten damit erfolgreich vertrieben.

Es war mir leider nicht vergönnt, die Sprachphiosophie des 20. Jahrhunderts so intensiv zu verfolgen, wie sich das zwischen Deinen Zeilen andeutet. Ich konnte nur gerade noch aus den Augenwinkeln die Bedeutung der "linguistischen Wende" entdecken, bevor mich die Hinwendung zum Pragmatismus dazu zwang, mithilfe der Kollateral-Benefikationen der Philosophie meine Kinder zu ernähren.

Insofern musste ich die Bedeutung dieser Wende eher im praktischen Alltag weiter erforschen. Zu den für mich prägenden Erfahrungen gehört dabei die (politische) neoliberale Wende, und die endgültige Zertrümmerung der Diskursethik im Format "talkshow" durch Heiner Geissler.

Es gibt ja zwischen der Ebene individueller Erkenntnisse und von Pue bevorzugten Ebene des kollektiven Schwarms "Menschheit" noch diese Ebene der einander widersteitenen Interessenguppen unterschiedlicher Größe, die wir im Rahmen der Politeia behandeln.

Hier wird nach wie vor diskutiert, und scheinbar um Wahrheit als demokratischem Konsens gerungen. In der politischen Wirklichkeit wurde aber die Sprache längst von den Interessengruppen instrumentalisiert. Heiner Geisler sprach später davon, es sei darum gegangen, "Begriffe zu besetzen."

Das Ringen um die von der TE-Frage involvierten philosophischen Standpunkte, das du mit Pue auf den letzten Seiten durchdekliniert hast, ist ja bei aller Differenz in der Sache in jedem Fall gepägt von dem aufrichtigen Bestreben, den anderen verstehen zu wollen. Die semantischen Differenzen der verwendeten Begriffe solange aneinander abzuschleifen, bis hinreichende Einigkeit besteht.

Diese Aufrichtigkeit ist im politischen Alltag schon lange nicht mehr gegeben.

Im Beziehungsalltag schon gar nicht. Lol.
Und in Internetforen erst recht nicht.

Inwieweit diese Aufrichtigkeit in den noch bestehenden philosophischen Fach-Nischen überhaupt noch vorhanden ist, oder vielleicht auch dort längst im Ringen um Drittmittelgelder den Bach runterging, vermag ich nicht zu beurteilen.

Wie gehe ich damit um, wenn der Empfänger meiner Nachricht, diese Nachricht partout nicht so dechiffrieren will, wie ich sie meine?

Natürlich führt auch dies in einen diskurslogischen Zirkel.
Dieser macht einen rasend.

Und diese Raserei ist geeignet, endlich die Energien des Eros freizusetzen.

Ich weiß nicht ob das von der akademischen Philosophie bereits thematisiert wurde. Ich nannte das in einigen freds bereits die sexistische Wende. Blödes Wort vielleicht.
@Jincandenza
Danke für das Kompliment. Wir sind hier zwar nicht an der Uni in einem Philosophie-Seminar, aber ein bisschen Ernsthaftigkeit scheint auch mir angebracht, wenn's um echte Diskussion gehen soll.

Ein paar Einzeiler mir Smileys sind da als Beiträge nicht immer hilfreich. (Das war jetzt offensichtlich ein kleiner Seitenhieb auf sweet_calm. Hoffentlich nimmt man mir das nicht allzu übel).
Noch kurz was zum Meeresspiegel
Mir ist inzwischen aufgefallen, dass an dem Gedankenexperiment mit der Meeresspiegelerhöhung etwas falsch ist - ganz abgesehen davon, dass es meinen Punkt zu wissenschaftlichen Theorien sowieso nicht widerlegt.

Ich weiss nicht, ob 5,000m soviel wie 5 Kilometer bedeutet oder 5 Meter. Ist aber im Prinzip auch egal. In jedem Fall würde es bedeuten, dass sich die Masse der Erdkugel erheblich erhöhen würde. Das bedeutet wiederum, dass die Schwerkraft an der Oberfläche der Erde höher würde. Dann wäre die Luft über dem Meerespiegel schwerer (dichter). Das Resultat wäre, dass Wasser auf mehr als 100 Grad erhöht werden müsste, um es zum Kochen zu bringen.
Schopi
wir halten es mit schopi, wir sehen die welt nicht so wie sie ist, sondern sie ist so, wie wir sie sehen

Jetzt wird's wirklich lustig. Der Sonderling Schopi war sicher kein Dummerle, aber da gibt es, was die Erkenntnistheorie angeht, sicher andere Kaliber in der Geschichte der Philosophie.

Ausserdem würde ich Schopenhauer nicht so wie du interpretieren. Aber nehmen wir mal an, er würde das unterschreiben. Was folgt daraus?

Bis ins Mittelalter war die Ansicht weit verbreitet, dass unser Planet der Mittelpunkt des Kosmos war. So sah man damals die Welt (besonders die Kirche, und das war natürlich auch in ihrem Interesse).

Daraus folgt jetzt also schon rein logisch: damals war die Erde der Mittelpunkt des Kosmos (die Welt ist ja angeblich so wie wir sie sehen).

Seltsamer weise ist sie es jetzt nicht mehr. Jetzt sehen wir die Erde als ein winziges Stäubchen, irgendwo zum Rand hin, in einer Galaxie, die eine von Millionen von Galaxien im Weltraum ist. Fürwahr eine sonderbare Verwandlung des Kosmos.

Und es kommt noch schlimmer. Wenn jemand unter LSD oder sonstwelchem Einfluss die Welt als eine sieht, in der man fliegen kann, und dann vom Hochhaus springt. Fliegt der dann, weil die Welt ja so sein muss wie er sie sieht. Oder fällt er wie ein Stein aufs Pflaster und ist platt, weil die Welt nunmal so ist wie sie ist und nicht so, wie er sie gesehen hat?

Und wenn einer Halluzinationen hat und Gespenster sieht, gibt's dann Gespenster (die Welt "ist so wie wir sie sehen")?

Ihr Subjektivisten und Relativisten macht es euch zu leicht! Denkt doch mal ein bisschen genauer über die Konsequenzen eurer Auffassungen nach. Vielleicht stellt sich dann heraus, dass da was nicht ganz stimmen kann.
Die Welt erfahren
Noch kurz was zu Pue, der mich mit folgendem Satz zitiert hat:

Wenn ich sage, der Kosmos ist für alle derselbe, dann meine ich, dass er so ist wie er ist, und nicht so wie wir ihn erfahren

Das war von mir missverständlich ausgedrückt. Selbstverständlich brauchen wir sinnliche Erfahrung, um herauszufinden wie die Welt wirklich ist. Aber die Welt existiert nicht in Abhängigkeit von unserer Erfahrung.

Wir können uns auch nicht immer auf unsere Erfahrung verlassen. Die Welt ist nur über Erfahrung erkennbar für uns, aber sie ist nicht unsere Erfahrung.

Jetzt könnte ich mich des längeren auf Kant einlassen, der gemeint hat, dass objektive Erkenntnis von subjektiven Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung abhängt. Raum und Zeit als unsere beiden Anschauungsformen, 12 Kategorien wie z.B. der Begriff der Kausalität, und ein transzendentales Ich als Vereinigungspunkt der Erfahrung. Alle zusammen sind laut Kant notwendig, damit wir überhaupt die Erfahrung der Welt haben können, die wir als vernunftbegabte Wesen nun einmal haben. Aber selbst daraus folgt für Kant nicht, dass die Welt einfach so ist, wie wir sie sehen. Kant ist kein Philosoph, der Erkenntnis der Welt auf unsere Sichtweise der Welt reduzieren will wie das hier von manchen vorgeschlagen wird.
Pause
Ab heute nachmittag bin ich für eine Woche verreist. Dann können alle, denen es danach ist, in Ruhe über mich, bzw. meine angeblich so falschen Meinungen, herfallen. Reaktionen dazu von meiner Seite wird's voraussichtlich erst in einer Woche geben.
**e Mann
2.564 Beiträge
Uff, das ist gut, fehlt mir doch leider die Zeit, deine Thesen heute noch in kleinste Stücke zu zerreißen (-;

Nein, nichts für ungut, ich führe solche Debatten sehr gerne und lerne daraus sehr viel. Gerade die unterschiedlichen Positionen ergeben doch eine würzige Kontroverse. So lerne ich, dass ich zu den Relativisten zähle obwohl mir wirklich deucht, dass deine Thesen keinen Deut unrelativer daher kommen.

Wie gesagt, gut, dass es ein bisschen Zeit hat, hinke ich doch schon arg hinterher.
@pue
Danke für die freundlichen Bemerkungen zu unserer Debatte. Wäre ja auch langweilig, wenn alle immer einer Meinung wären. Wir können die Diskussion gern fortsetzen, wenn ich wieder da bin. Und hoffentlich interessieren sich auch andere noch für unser Thema und schalten sich ein.

Nur noch ein Wort zum erkenntnistheoretischen Relativismus. Vielleicht hilft's bei der Klärung, was ich damit meine und warum ich ihn für einen gefährlichen Irrweg halte.

Unser Erkenntnisvermögen ist offensichtlich sowohl generell begrenzt als auch spezifisch in dem Sinn, dass unser Gehirn bzw. unser Geist, Intellekt, wie immer man's nennen soll, in einer ganz bestimmten Weise beschaffen ist. Erkenntnis der Welt ist also immer eingeschränkt, wenn man so will, auf das, was unser beschränkter Geist leisten kann. Man könnte dann auch sagen: Alle unsere Erkenntnis ist relativ zu unserem geistigen Vermögen.

Dann könnte man sogar Kant einen Relativisten nennen. Das macht aber wohl keiner, weil die subjektiven (in unserem Subjekt verankerten) Erkenntnisbedingungen laut Kant bei allen dieselben sind. Man kann dann nicht sagen, dass es verchiedene Wahrheiten gibt. Deine, meine, die von gestern und die von morgen, etc.

Weil die subjektiven Erkenntnisbedingungen immer die gleichen sind, macht es nicht viel Sinn zu sagen, dass es keine objektive Erkenntnis und keine objektive Wahrheit gibt. Natürlich ist das immer objektive Erkenntnis wie sie uns möglich ist. Nicht Erkenntnis wie sie einem allwissenden Gott möglich wäre, der ein ganz anderes, unbegrenztes Erkenntnisvermögen hat. Nicht, dass ich an die Existenz von sowas glaube. Aber das tut nichts zur Sache.

Ich glaube auch, dass wir uns überhaupt nicht vorstellen können, wie sowas funktionieren würde. Schon unsere eigene Vorstellung davon wäre ja wieder nur möglich unter unseren beschränkten Bedingungen.

So. Aber jetzt kommt jemand daher wie Michel Foucault, bzw. kam daher, denn er ist ja schon eine Weile tot, und verwandelt Kant's Erkenntnistheorie in ein relativistischen Form, indem er behauptet, Wahrheit und Erkenntnis seien immer relativ zu historisch variierenden, sogenannten Diskursformationen (Weisen des Denkens, Forschens etc.) Kant's für alle gültigen subjektiven Erkenntnisbedingungen werden also uminterpretiert in Denkschemata, die sich im Laufe der Geschichte verändern. Er redet dann von hisorischen A Prioris, was eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Entweder ist etwas im Kantischen Sinn apriori. Dann kann es sich nicht historisch wandeln. Oder es ist historisch. Aber dann können wir über solche Denkschemata im Prinzip auch immer hinauskommen. Sie sind dann keine unüberwindbaren Denkbeschränkungen.

Das kuriose bei Foucault ist dann, dass er uns etwas als objektiv wahre Theorie präsentiert - das Denken und Erkennen vollzieht sich angeblich notwendigerweise in historisch vorgegebenen Bahnen - und merkt aber nicht (wie leider viele andere Relativisten), dass das dann auch auf ihn selbst zutreffen müsste. Also auf sein eigenes Denken.

Er tut so, als ob seine relativistische Theorie der Wahrheit objektiv wahr ist. Das muss er ja auch, denn andernfalls würde ihn keiner ernstnehmen. Wenn er zugeben würde, dass laut seiner eigenen Theorie auch seine Metatheorie über Wahrheit und Denken bloss innerhalb einer historisch vorgegebenen Diskursformation als wahr gelten kann, dann verliert er so gut wie alle Überzeugungskraft. Denn dann kann jeder Opponent einfach sagen, okay, was bei dir als wahr gilt, gilt bei mir noch lange nicht als wahr, denn ich bin nicht in deiner Diskursformation gefangen.

Foucault war dann später immerhin so konsequent, Wahrheitsfragen überhaupt nur noch als Machtfragen zu thematisieren. Aber genau das ist es, was mir den Relativismus so unsympathisch macht. Wir können nicht mehr rational argumentieren und gemeinsam nach der Wahrheit suchen. Ich hab's schon in einem anderen Beitrag gesagt: Wahr ist dann nur noch, was die Mächtigen als wahr gelten lassen. Nicht das, was alle, wenn sie nur sorgfältig argumentieren würden, als objektiv wahr erkennen.

Wenn ein Mord geschehen ist, will ich wissen, ob es objektiv wahr ist, dass der Beschuldigte den anderen Menschen absichtlich umgebracht hat. Nicht ob der Richter, die Geshworenen oder der angebliche Mörder das für wahr halten. Entweder es ist wahr oder es ist nicht wahr.

Die Wahrheit herauszufinden, kann schwierig, manchmal sogar unmöglich sein. Aber wenn wir nur noch an relative Wahrheiten glauben und den Begriff von objektiver Wahrheit für unsinnig halten, dann herrscht nur noch dir reine Willkür. Und bei der gewinnt immer der, der die Macht hat und nicht der, der objektiv recht hat.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Foucault war dann später immerhin so konsequent, Wahrheitsfragen überhaupt nur noch als Machtfragen zu thematisieren.
...
das, was alle, wenn sie nur sorgfältig argumentieren würden, als objektiv wahr erkennen.

Sowas Ähnliches meinte ich ja auch mit meinem Hinweis auf die Verkommenheit des politischen Diskurses. Und es ist fraglich, ob der akademische Philosophiebetrieb im Ringen um Gelder und Planstellen sich da groß unterscheidet.

Das Problem in der Philosophie ist ja, dass diese Grund-Bedingungen aufrichtiger, oder wie du es nennst "sorgfältiger" Kommunikation bzw Argumentation auch wieder nur kommunikativ/argumentativ hergestellt werden können. Die Philosophie implodiert gewissermaßen in der permanenten Aufdeckung der von ihr selber dabei stillschweigend vorausgesetzen Annahmen.

Im dritten Jahrtausend müssen wir uns einfach eingestehen, dass solche zirkulären Zusammenhänge an sich nicht "unseriös" sind, sondern ganz wesentlich im Ringen um Wahrheit eingewoben sind.

Sie werden in der formalen Logik durch rekursive Funktionen blitzartig deutlich. Zirkelschluss und infiniter Regress sind kein Beweis für die Falschheit einer Theorie, sondern systemimmanent.

Der Präzisionsanspruch der analytischen Sprachphilosophie findet analog zur Physik seine Grenzen im heisenberg-artigen Unschärfe-Dilemma der Semantik der verwendeten Fachtermini. Ockhams Rasiermesser vermag die Schärfe eines linguistischen Rastertunnelelektronenmirkoskops auch nicht mehr weiter zu steigern. Und zwar prinzipiell nicht mehr.

Einen Ausweg sehe ich persönlich nur in der poetischen Verwendung der Fachtermini.

Wenn ich groß bin, schreibe ich mal einen fiktiven Roman, in dem Gottlob Frege und Wittgenstein es mit Lou Andreas Salome treiben.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
die DNA stellt sich mir mathematisch dar....

Hier ist Vorsicht geboten: Im Gegensatz zu einer Markovschen Kette von bits, wie sie in der Informationstheorie erforscht wird, spielen bei der DNA meines Wissens die elektrischen Wechselwirkungen, die durch die Faltung entstehen, eine sehr wichtige Rolle. Die DNA sieht zwar aus wie ein zerknüllter Lochstreifen, aber die Frage, wie er nun genau zerknüllt wurde, ist äußerst wichtig. Die Löcher alleine sagen nur die halbe Wahrheit.

Absolute Wahrheit finde ich in dem Satz: "Es ist, wie es ist." Reine Selbstbezüglichkeit und im Aussagewert gleich null.

Erkenntnis entsteht gerade da, wo Widersprüche auftauchen.

Ich denke zwar, dass der Aussagewert von Tautologien nicht wirklich null ist, aber er ist in der Tat meist recht gering. Und das mit den Widersprüchen würde ich voll unterstreichen.
**e Mann
2.564 Beiträge
Hallo Jincandenza,

nun las ich die vielen Beiträge hier, schrieb nebenbei meine Entgegnungen zu Ostwests Standpunkten und lese jetzt gerade dein hervorragendes vorletztes Posting. Ich sage auf diesem Weg Danke, ein anderer ist mir leider verwehrt.

Das wollte ich nur kurz schreiben, bevor euch der nächste Artikel aufgrund Überlänge erschlägt.
**e Mann
2.564 Beiträge
Nun denn, Ostwest, ich fange noch einmal hier an:

Was auf dem Zettel zu sehen ist, ist keine Sprachhandlung, da nicht zu erkennen ist, wer sie vollzogen hat, wann sie gemacht wurde, und auf welche Realität sie sich bezieht.

Eben, hier fehlen dir konkret die Rahmenbedingungen, die Relationen zur Beurteilung von Wahrheit. Nur ein gesetzter Rahmen lässt die Aussagen wahr oder falsch erscheinen. Die kritische Relation ist hier der Zeitfaktor.

Das Zitat widerspricht meines Erachtens ganz eindeutig deinen früheren Aussagen, dass wir Ideen nicht durch Denken hervorbringen, sondern dass sie einfach so über uns kommen. Das soll dann auch Willensfreiheit widerlegen.

Da ging es um die Protonen, nicht wahr?

Der Konflikt, den die Protonen mit sich bringen, liegt in der Sache selbst. Ich habe zwei Sätze:

• Gleiche Ladungen stoßen sich ab
• Im Atomkern gibt es nur positive (und neutrale) Ladung

Ich denke, dass kann nicht sein. Hinter dem Gedanken steht kein willentlicher Denkprozess, sondern spontanes Stutzen. Die Sätze scheinen sich zu widersprechen und mir kommt die Idee, dass es eine weitere Kraft braucht.
So, der letzte Schritt ist der spannende. Unsere Sprache sagt, die Idee kommt, fällt mir ein oder: ich wusste sofort, mir war direkt klar...
Ich glaube, die Sprache ist da sehr genau: Es heißt nicht, ich stellte die Idee her oder machte den Gedanken, und wenn ich mich genau beobachte, stelle ich fest, dass ich eben diese Einfälle nicht steuern kann, nicht willentlich herstelle. In gewissem Sinne kann ich nicht anders.
Beobachte dich, wenn du schreibst, beobachte genau, wie du zu einem 'Einfall' kommst. Ich bin sicher, dass du den kreativen Moment nicht wirklich erleben und beschreiben kannst. Die Idee ist schon da. Natürlich überprüfst du sie direkt und sortierst solche Einfälle aus, die anderen Erkenntnissen widersprechen. Und man hat natürlich viele Assoziationen, die man wieder verwirft. Das ist aber nur ein Prüfen, eine Nachbearbeitung der Einfälle und nicht der Einfall selbst. Gute Einfälle sind genial, Assoziationen, die im Gehirn ablaufen und erst Sekunden später an die Oberfläche des Bewusstseins dringen.
Ich könnte keine Musik machen, wenn ich einen Ton beim Improvisieren erst denken müsste. Dazu ist keine Zeit. Es sind für mein Bewusstsein automatisch ablaufende Prozesse, die ich nicht steuern kann.

Ich bin übrigens sehr dafür, unser juristisches System zu ändern. Seit meiner Jugend mache ich mir viele Gedanken über Schuld. Ein Richter, der mittels einer Matrix die Frage nach von Schuld zu klären hat, möchte ich nicht sein. Verstehen wir alle, wirklich alle zur Tat führenden Bedingungen, wird Schuld nicht mehr nachzuweisen sein. Natürlich muss sich die Gesellschaft vor Halunken schützen, doch suchen wir die 'Fehler' meist an der falschen Stelle.

So, nu geht es ein wenig hin und her, weil ich deine Postings nach und nach abarbeite, Pardon.

Die Rahmenbedingungen sind für mich die Wirklichkeit, also der Kosmos, in dem wir alle leben, und der für alle derselbe ist.

Dass im All andere Rahmenbedingungen herrschen, wurde schon geschrieben. Auf Erden aber herrschen auch Rahmenbedingungen, die zu verschiedenen Wahrheiten führen. Banal, aber der Satz: 'Die meisten Menschen haben Schlitzaugen' ist weltweit Unsinn, gilt aber in Japan. Gleich geladene Teilchen stoßen sich ab, im Atomkern aber nicht. Anderer Rahmen, andere Wahrheiten.

Nun kannst du einwenden, solche wahren Sätze sind nicht universell wahr, also können sie nicht aufgestellt werden. Dann komme ich aber schlecht weiter: 'Wenn du rechts rum fährst, kommst du zum Bäcker'. Wenn ich die Auskunft nicht als wahr einschätzen dürfte, bekäme ich kein Frühstück. So banal das ist, geht es aber in 99% der Fälle um solche Binsenweisheiten, die nur in kleinstem Rahmen gelten.

Um wahre Aussagen machen zu können, muss ich, wie bei einem Mikroskop die Schärfe, meine Bedingungen genau einstellen. Zum Erkennen der Klimaentwicklung brauche ich weltweite Daten, während ich bei quantenmechanischen Versuchen besser das Fenster zu mache.

Wo ich gerade dabei bin. Letztere ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert und in Bezug auf wahre Aussagen faszinierend:

Ich bekam neulich Post aus der Schweiz mit einem kleinen Foto von mir am Steuer des Bandbusses. Klar, 'ne Knolle wegen Überschreitung der zugelassenen Geschwindigkeit.
Das Foto war recht scharf und ich dachte mir, zu welchem Zeitpunkt das wohl fotografiert worden ist. Ah, stand ja da: 17:45:34. Daneben die Geschwindigkeit zu diesem Augenblick: 134 km/h.
Wie aber konnte der Blitzer die Geschwindigkeit exakt zu dieser Uhrzeit erkennen? Gar nicht, dachte ich. Auf dem Foto ist der Ort des Fahrzeugs zu sehen, aber nicht seine Geschwindigkeit. Um letztere festzustellen, braucht es mindestens zwei Messungen zu verschiedenen Zeiten. Zu verschiedenen Zeiten befindet sich das Fahrzeug aber an zwei verschiedenen Orten. Ich habe aber nur ein Foto!? Ein Dilemma.
Nicht für mich, sondern die Schweizer Polizei: Sie muss mir nun erklären, wie ich an einem bestimmten Ort eine bestimmte Geschwindigkeit haben kann.
Bin gespannt, was sie antworten wird.

Das war eine Analogie auf ein Phänomen den die Heisenbergsche Unschärferelation mit bringt. Hier scheinen sich zwei 'Wahrheiten' im Wege zu stehen: es ist nicht möglich, gleichzeitig Impuls und Ort eines Elektrons zu erfassen. Die These kommt aber noch zu einem viel gravierenderen Problem daher: In diesen Größenordnungen verändert alleine das Messen der Position des Teilchens dessen Impuls! Mit dem Versuch, eine Aussage über das Ding zu machen, verändere ich es.

Gut, bei einem Elektron wird keiner so genau hin schauen und es fällt nicht jedem gleich auf. Unter erkenntnistheoretischen Aspekten ist der Vorgang aber eine Sensation. Die exakte moderne Wissenschaft bestätigt hier in Analogie das Problem der Rekursivität in der Philosophie: Ich kann nicht gleichzeitig die wahre Welt denken und eben diesen Gedanken ausklammern, verändert er doch die Welt gerade. Und nebenbei: alleine in der Zeit, die der Gedanke benötigt, hat sich die Welt schon geändert.

So, nu fahr ich mal zum Bäcker, will frühstücken.
Ja, so wie bei Platon
Ja, genau so (um im Stil der Platonische Dialoge zu antworten *zwinker* ).
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
verändert alleine das Messen der Position des Teilchens dessen Impuls! Mit dem Versuch, eine Aussage über das Ding zu machen, verändere ich es.

Ja, so meinte ich die Rückübertragung der Heisenbergschen Unschärferelation als Metapher auf die Semantik der Diskurs- und Definitionsproblematik. Sowohl für die Epistemologie als auch die Wissenschaftstheorie.

Wir können in kleinen Zirkeln vielleicht hinreichende Einigkeit über die verwendeten Termini durch gegenseitiges "Abschleifen" herstellen. Dies geschieht vielleicht in den philosophischen Fachschaften. Aber dass das für alle Menschen möglich ist, muss bezweifelt werden.

Diese Zwischenebne der "Communities" ist äuerst interessant. Sie stellt einerseits ein Bindeglied dar zwischen dem Denken des Individuums und der Intelligenz Menschheit als Schwarm (auf diese beiden Ebenen hast Du, Pue, ja öfter hingewiesen). Und ich muss dabei auch an Popper denken, mit seinen drei Welten.

Diese Welt III ist nicht einheitlich!

Die Rahmenbedingungen sind für mich die Wirklichkeit, also der Kosmos, in dem wir alle leben, und der für alle derselbe ist.

Wenn ich nicht irre, war es Hegel auf den der Unterschied zwischen dem "an sich" und "für sich" zurückgeht? Vor diesem Hintergrund wäre der Satz nämlich falsch: Der Kosmos mag "an sich" für alle Menschen derselbe sein. Aber über dieses "Ding an sich" können wir nach Kant nur wenig bis gar nichts Verbindliches aussagen.

Hingegen ist der Kosmos
für
jeden Einzelnen ein ganz anderer. Schlicht durch die unterschiedlichen Facetten ebendieses Kosmos, die jeder von uns in seiner je unterschiedlichen Lebenserfahrung kennengelernt hat. Dieser Kosmos ist also mitnichten für alle derselbe.
@Westost46
Ich begrüße dich und freue mich, dass du wieder da bist. Man merkt sofort wie wieder ein - wenn auch vielleicht manchmal etwas kalter (rationaler), aber klarer - Wind hier (herein)weht.

LG yokowakare
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