Wer glaubt, es sei schwierig, einen Satz zu formulieren, der hundert, zweihundert oder auch dreihundert Kommata enthält, der irrt und unterschätzt die Variationsmöglickeiten, Spielpotentiale und syntaktischen Angebote zu allerlei Allotria, welche die Sprache - und das gilt nicht nur für die deutsche, vermute ich - enthält, sodass es meiner Meinung auch nicht als Provokation aufgefasst werden kann, wenn man aufgefordert, ja geradezu gedrängt, wenn nicht gar genötigt wird, einen solchen Satz, der mindestens hundert Kommata enthält, zu formulieren, einen Satz, der komplex, kompliziert,verschachtelt - also hypotaktisch strukturiert - nicht auf den ersten Blick durchschaubar, aber dennoch verständlich sein soll, der nur - um ein paar Beispiele zu nennen - als Gegenstand einer Zeichensetzungsübung dienen könnte, als Spaß in einer Unterrichtsstunde, die man vertretungshalber in einer Klasse, die man nicht kennt, halten muss oder der welchem Zweck auch immer gewidmet sein könnte, wobei es vielleicht auch sinnvoll wäre, am Beispiel eines ganz unmöglichen, äußerst komplizierten und schwer überschaubaren Satzes zu erläutern, was man einst unter dem sogenannten Kanzleistil verstand, einem Stil, der sich unter anderem dadurch auszeichnete, dass für ihn besonder lange Sätze kennzeichnend waren, deren Anfang man, wenn man denn endlich ihr Ende, das einige Seiten hinter dem Anfang liegen konnte, erreicht hatte, vielleicht schon längst vergessen hatte, so dass man sich veranlasst sah, diesen Satz, nein, dieses Satzungeheuer, noch einmal zu lesen bzw. mit ihm zu kämpfen, bis man es schließlich besiegt, also den Satz verstanden hatte, um dann, wenn auch noch immer ein wenig von dem allzu komplizierten, einem syntaktischen Dschungel, gleichen Satzbau erschöpft, Mut zu fassen, und sich an die Lektüre des zweiten Satzes zu machen, der, wie ist es anders denkbar, natürlich wiederum von sprachlichen Verschlingungen, Wirrnissen, labyrinthischen Konstruktionen allen Geboten der Klarheit, Eindeutigkeit, Nachvollziehbarkeit und Einfachheit, wiedersprechen Syntax geprägt ist, der einen Schrecken des Satzbaues darstellt, sich dem Verständnis breitbeinig entgegenstellt und beinahe in den Bereich der Unlesbarkeit abrutscht, woraus resultiert, dass der genannte Kanzleistil, den man man übrigens vor allem im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit pflegte, als schlechter Stil galt, eben weil er dazu neigte, unverständlich zu sein, weshalb man sich derartiger stilistischer Kuriositäten nicht befleißigen sollte, denn wer will schon in den Ruf geraten, ein mittelmäßiger, vielleicht sogar schlechter Stilist zu sein, da man doch meinen sollte, dass es für jeden erstrebenswert ist, stilistische Brillanz zu beweisen, kunstvoll die Blüten der Rhetorik in seinen Text zu streuen, eine Art sprachliche Voltigierkunst zu betreiben und auf diese Weise die Sprache zu artistischer Größe gelangen, sie die Ebenen erlesener Eleganz erreichen zu lassen und sich mit dem Ruhm, ein Sprachkünstler zu sein, zu schmücken, wenn auch eingewendet werden darf, dass nicht jeder, der seitenlanges Blabla produziert, ein Sprachkünstler ist, sondern möglicherweise und im Gegenteil lediglich als Blender, Angeber und von Renommiersucht getriebener Trottel erscheint, als ein von sprachlicher Eitelkeit durchsuppter Mensch, dem zuzuhören bzw. den zu lesen wenig lohnend erscheint, sodass es vielleicht ratsam ist, sich das alte Stilideal wieder ins Bewusstsein zu rufen, welches besagt, dass ein guter Stil von Einfachkeit, von Klarheit und Durchschaubarkeit geprägt ist, dass ein guter Stil die Unverständlichkeit zu vermeiden sucht, sich bemüht, solche den meisten Lesern unbekannte Begriffe gar nicht erst zu verwenden und der dem Gebot gehorcht, dass die Würze in der Kürze liegt.
Wochenende? Pah!