Schönen guten Tag, Westost,
da hast du ein feines Beispiel genommen, denn tatsächlich habe ich eine Tochter und tatsächlich bedeutete der Fall für mich das Schrecklichste, was mir persönlich passieren könnte.
Dennoch ist das Beispiel natürlich realistisch und könnte so passieren.
Dazu ein paar Gedanken im Falle des Falles. Erstens hat das bestehende Rechtssystem den Täter nicht abhalten können, seine schreckliche Tat auszuführen. Zweitens macht mir das Rechtssystem nicht den Eindruck, dass solche Täter problemlos in die Gesellschaft zurück zu führen sind. Meine Angst bleibt also in jedem Falle, egal, wie die Rechtsprechung ist.
Bleibt das Wegsperren des Täters auf Lebenszeit. Auch das ist kaum möglich, wie man in der Praxis sieht. Bleibt, eine Verschärfung der Gesetze anzustreben, aber selbst das schützt die Kinder nicht vor Ersttätern.
So viel dazu unabhängig von der Existenz eines 'freien Willens'.
Gerade Sexualverbrecher handeln oft aus einer inneren Zwangslage heraus. Konstruieren wir mal ein Umfeld, welches typisch für einen solchen Menschen ist.
Ein Elternhaus, in der kaum über Sexualität geredet wurde, eventuell erlebte, nicht verarbeitete sexuelle Übergriffe durch Familienangehörige, übergroße 'gut gemeinte' Liebe der Eltern, damit fehlende Selbstständigkeit in der Jugend, fehlendes Selbstbewusstsein, fehlende Beziehungsfähigkeit, keine Freundin, Einsamkeit.
Das alles trifft nun auf eine Gesellschaft, in der sexuelle Tabus zwar äußerlich zum großen Teil abgebaut scheinen, der Umgang mit der Sexualität aber dennoch stark tabuisiert ist.
Das Pornographieverbot ist ein gutes Beispiel für den verklemmten Umgang unserer Gesellschaft mit Körperlichkeit. Die Gesellschaft ist der Ansicht, dass die Abbildung eines Geschlechtsakts oder eines steifen Glied Kinder und Jugendliche schädigt. Das ist mir unbegreiflich.
Ein Vater, der mit seiner Tochter in der Badewanne liegt, darf um Himmels Willen keine sexuelle Erregung zeigen. Was, wenn doch? Er wird sich schuldig oder beschämt fühlen, vielleicht beschließt er, einfach nicht mehr mit der Tochter zu baden, um dem Problem aus dem Weg zu gehen.
Vor allem kann er mit keinem darüber reden. In den Achzigern gab es bei den Grünen mal den Versuch, das Thema Pädophilie zu diskutieren. Das ließen sie ganz flott wieder bleiben, das hatte keine gesellschaftliche Akzeptanz.
Um auf unseren Täter zurück zu kommen: es gibt Untersuchungen, in denen sich, ganz knapp formuliert, zeigt, dass es gerade Sexualtäter wenig Umgang mit Pornographie haben. Es sind eben genau nicht die, die in den nächsten Sexshop gehen, um sich ein anregendes Heftchen zu besorgen und so, wenn sie schon keinen Partner haben, ihre sexuelle Bedürfnisse befrieden.
Mein Fazit:
Weder Verbot noch Bestrafung schützen meine Tochter, sondern nur eine offene Beziehung der Gesellschaft zur Sexualität.
Bei kaum einer anderen Straftat sehe ich mehr Determinismus als beim Kindesmissbrauch. Die Zwanghaftigkeit, mit der Sexualtäter sich selbst nach jahrelanger Behandlung und in vollem Bewusstsein über die mögliche Strafe wieder an Kindern vergehen, ist alles andere als ein Zeichen freien Willens.
Freiheit ist die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen. Vorraussetzung dafür ist, dass man sie sehen kann, nur dann ist Entscheidung möglich.
Schönen Sonntag, Peter