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Freiheit

**e Mann
2.564 Beiträge
Ich mag den Spagat im Dialog von fachlich kompetenten Menschen und unbelesenen Selbstdenkern. Ansonsten würde ich hier nicht diskutieren.
ich will nicht mißverstanden werden. gegen das persönliche an sich habe ich nichts einzuwenden. ich wende mich gegen das umherwerfen von im wortsinn persönlichem; auf eigenem mist gewachsenem und augenscheinlich mit nichts als der erfahrung aus der höchsteigenen lebenswelt gefüttertem. das ist einfach langweilig.

man will doch ein wenig widerhall, in dem das ein oder andere substrat aus dem ein oder anderen buch, zumindest aber ein kurzfristig im netz nachgeholtes wissen deutlich durchklingt. alles andere ist das von flusser beschriebene gerede; ein gartenzaungespräch – das er übrigens in keiner weise abwertet – das heute über kabel geführt wird.

nein, es wird lieber darüber gesprochen, daß man das wort relativismus zu hassen beginnt, oder bei kant einen krampf bekommt. die freiheit des denkens wird hier mißverstanden als frei flottierendes assoziieren. soetwas kann gerne immer wieder eingeworfen werden, humorvolles, schräges, abseitiges; aber der diskurs an sich muss sich doch auf begründete (und begründende) reflexion stützen. zumindest hier.
*******alm Paar
7.574 Beiträge
also holtz,
da hast du dich ganz toll, in zurückhaltender weise, zurück genommen! *top*

zustimmung pur!

calm
Ein paar Gedanken...
zum Vorangegangenen. Ich stimme eher Holtz zu, was das Persönliche angeht. Aber wenn das Persönliche mit interessanten Gedanken verbunden wird, die alle angehen (oder angehen könnten), dann hab ich absolut nichts dagegen.

Zu Kant: Er soll bei seinen häufigen Abendgesellschaften ein überaus unterhaltsamer Gastgeber gewesen sein. Als Einstieg in die Philosophie sind die meisten seiner (vielen!) Schriften allerdings wirklich total ungeeignet. Da ist es viel besser, sich erstmal eine Weile mit Einführungsbüchern in die Philosophie zu beschäftigen.

Wie gut man jemand versteht, hängt nämlich immer davon ab, wie viel Hintergrundwissen man bereits mitbringt. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, zu der ich als Student zum erstenmal Habermas gelesen habe und nur "Bahnhof" verstanden habe. Das lag nicht nur an Habermas' schlechtem Stil (später hat er viel verständlicher geschrieben). Es lag schlicht an meiner Unwissenheit.

Viele Jahre später hab ich längere Zeit versucht, Hegel zu lesen und zu verstehen. Aber das ist mir bis heute nicht zufriedenstellend gelungen.

Hegel ist übrigens m.E. einer der relativ wenigen Philosophen, von dessen Ideen ein grosser Teil wirklich überholt ist. Philosophie ist da normalerweise ganz anders als die Naturwissenschaft. Die überholt sich ja ständig, während die Philosophie sich mit Ideen beschäftigt, die nur selten total überholt sind.

@**a
Wenn ich hier gelegentlich mal die "Klassiker" als lohnende Lektüre anpreise, dann meine ich natürlich nicht, dass bei denen DIE Wahrheit in Stein gemeisselt zu finden wäre. Andererseits finde ich, dass man da doch eine Menge über richtiges und falsches Denken und Argumentieren lernen kann. Viele meinen ja heutzutage, dass es gar kein Richtig und Falsch gibt, wenn's ums Denken geht. Eigentlich sehr seltsam, denn wenn z.B. Ärzte aufgrund von falschen Überlegungen gravierende Fehldiagnosen stellen und pfuschen, meint doch jeder, dass es hier schon ein Falsch und ein Richtig gibt. Und auch in der Philosophie kann man gravierende Denkfehler machen.

Manchmal hab ich auch den Eindruck, dass nur das Rad wieder neu erfunden wird, weil man nicht weiss, dass es schon vor langer Zeit ein anderer erfunden hat. Sowas gibt's übrigens auch in der modernen Bewusstseinsphilosophie. Selbst sehr scharfsinnige zeitgenössische anglo-amerikanische Philosophen erfinden hier manchmal das Rad neu, weil sie die deutschen idealistischen Philosophen des späten 18ten und frühen 19ten einfach nicht kennen. Oder sie machen Fehler im Denken, die diese Philosophen schon vor 200 Jahren gesehen und vermieden haben.
*****one Frau
13.323 Beiträge
Freiheit...
leider ist meine buchbestellung noch nicht angekommen.
Joachim Gauck: Freiheit, ein Plädoyer

hier ein zitat aus dem buch:

Auf Seite 62 seines Plädoyers sagt er "Ich wünsche mir, dass sich unsere Gesellschaft tolerant, wertbewusst und vor allen Dingen in Liebe zur Freiheit entwickelt und nicht vergisst, dass die Freiheit der Erwachsenen Verantwortung heißt."

gruß

diA
**e Mann
2.564 Beiträge
Wann stehe ich auf?

Eine immer wieder entscheidende Frage für mich, die vielleicht klar macht, oder eher unklar macht, wie viel freier Wille überhaupt gegeben ist. Wenn ich mir den kurzen Moment vor dem Aufrichten im Bett so bedenke, steuere ich ihn seltenst bewusst, es sei denn, es steht ein Termin an. Ja, ich bin meistens selber überrascht, den großen Schritt in den Tag schon ausgeführt zu haben, bevor ich mir darüber Gedanken machte. Die Entscheidung, die ich traf, wird mir erst Sekunden später bewusst.

Heißt: So ich die ‘wirkliche’ Freiheit habe, aufzustehen, wann ich will, führe ich sie nicht willentlich aus. Ja, ich glaube nicht an den freien Willen.

Ein anderer Gedanke aus der Psychologie: Geht der Mensch ungern unter seinesgleichen, weil ihn bestimmte Ängste quälen, so schränkt sich sein Freiheitsgrad mehr und mehr ein. Das passiert passiv, will mir scheinen. Um der zunehmenden Einschränkung seines Handlungsspielraumes zu entrinnen, muss er sich, meist mit Hilfe eines Therapeuten, diese Freiheitsräume aktiv zurück erobern. Hier zeigt sich, dass Freiheit ständiges Bemühen erfordert.

Ein dritter Gedanke zum Zitat von Gauck: Natürlich sind das schön klingende Worte. "Liebe zur Freiheit", wau!
Die Verknüpfung zur Verantwortung gefällt mir hier trotzdem gut. Nun überlege ich, warum das speziell nur für Erwachsene gelten soll?
Für den Jugendlichen gilt doch das Gleiche. Nur ist es hier so, dass die Erwachsenen den Jugendlichen Verantwortung geben müssen, damit diese erst Freiheit erlangen können.
Leider übergeben wir unseren Kindern erst viel zu spät die Verantwortung. Ja, wir meinen schon bei der Geburt, den Entbindungstermin besser einschätzen zu können, als das Baby selbst. Es hat heutzutage in der Praxis selten genug die Chance, selbst zu entscheiden, wann es schlüpfen will.

Ach, nur so Gedanken im Bett. Nu steh ich aber auf.
@pue
Ja, ich glaube nicht an den freien Willen

Das glaube ich dir nicht. Du MEINST vielleicht, dass du daran nicht glaubst. Ein grosser Teil deines Handelns, wie bei jedem normalen Menschen, ist aber nur zu erklären, wenn man davon ausgeht, dass es erstens durch deinen Willen bestimmt ist und dass du in zahllosen Fällen auch hättest anders handeln KÖNNEN.

Mir ist nicht bekannt, dass es irgendwo eine Rechtsprechung gibt, die NICHT davon ausgeht, dass jemand auch anders hätte handeln können, als er/sie es getan hat. Es sei denn, äussere Umstände hätten es unmöglich gemacht.

Die Verknüpfung zur Verantwortung gefällt mir hier trotzdem gut

Ja, mir auch. Aber es wäre ein Widerspruch, zugleich Verantwortung ernstzunehmen und nicht an den freien Willen zu glauben. Ohne freien Willen kann es keine Verantwortung geben.
Ja, ich bin meistens selber überrascht, den großen Schritt in den Tag schon ausgeführt zu haben, bevor ich mir darüber Gedanken machte.

Es gibt ja sehr viele Dinge die wir tun, ohne uns einen Gedanken darüber zu machen - Automatismen.
Jeder scheint so seine eigenen Automatismen zu haben.
In Deinem Beispiel eben das Aufstehen.

Mit dem gleichen Beispiel könnte ich nun versuchen den freien Willen zu beweisen, da der Vorgang bei mir gänzlich anders vor sich geht und sehr viel mit einem Akt des Willens zu tun hat.

Für den Willen wäre übrigens zu beachten, dass eine einzige Handlung, die ich willentlich ausführen würde, genügen würde um die prinzipielle Möglichkeit des freien Willens annehmen zu müssen.

So z.B. auch, dass ich willentlich diesen Beitrag verfasste, wie ich auch schon willentlich mögliche Beiträge nicht verfasst habe.
Freiheit für alle...
Um @***na zu ergänzen: Das ‚transzendental’ bedeutet etwas gilt vor aller (subjektiven) Erfahrung von vornherein (a priori) für alle (Menschen). So wie für alle Menschen die Erkenntnis gilt, dass sich beispielsweise 2 Finger von einem Finger unterscheiden oder das 2 Finger immer mehr als einer sind.

Der Mensch ist also in der Philosophie von Kant in seinem Handeln immer frei. Er kann von sich aus etwas anfangen (z.B. von seinem Stuhl aufstehen oder auch nicht). Damit hat er (in der Deutung) gleichzeitig die Verantwortung für sein Handeln. Praktisch bedeutet das, dass ein Mensch die Verantwortung nicht von sich abweisen kann. So kann er nicht vorbringen, dass sein Handeln (immer) von einem anderen (z.B. Gott, Geist, Guru) bestimmt ist (Dinge die manchmal Menschen, z.T. auch Geisteskranke, zur Rechtfertigung eigener Straftaten vorbringen).

Darüber kann man natürlich diskutieren und Philosophen sollten es auch immer tun.

Dazu empfehle ich nicht Kants Hauptwerk (KrV) zu lesen, weil das, vor allem auch wegen der spezifischen Begriffe und der häufigen Wiederholungen, die in ‚unendlich’ tief verschachtelten Sätzen, meist mit den gleichen Inhalt, nur mit verschiedenen Worten, und dabei mit unterschiedlichen kategorialen Zuordnungen, dabei in der Tiefe auch nicht immer ganz genau, und sogar auch nicht immer völlig widerspruchsfrei, eingebettet sind, zu schwierig ist….; worauf @******t46 richtig hinweist (der Kant in der KrV auch wohl richtig verstanden hat - wenn ich ihn richtig verstanden habe…).

Ich empfehle (allen in ihrer Freiheit ...) eine ‚Einführung…’ (‚… leicht gemacht’, ‚….für Anfänger…’) und das eigene Nachdenken darüber. Danach kann man sich auch mit den (begründeten) Gegenpositionen beschäftigen.
**e Mann
2.564 Beiträge
Der Mensch ist also in der Philosophie von Kant in seinem Handeln immer frei.

Wenn das eine seiner Grundüberzeugungen ist, verstehe ich, warum ich ihn nicht verstehe.

Wenn die Rechtsprechung davon ausgeht, dass es einen freien Willen gibt, dann muss ich mich wohl geschlagen geben, hehe.

Ach, das ist ja alles schon vor Wochen durchgekaut worden.

Die Wikipediaseite dazu ist eine feine Zusammenfassung:

http://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille
im Handeln frei?
mag sein,aber interessant ist doch das Motiv das einen Menschen zu seiner Handlung motiviert.Jede Wirkung hat ihre Ursache und jede Ursache ist die Wirkung der Ursache zuvor.Freiheit ist abertausende subjektive Idealvorstellungen.Freiheit ist blos eine Hypothese,ebenso wie die Selbstlosigkeit und viele andere Dinge die in der Praxis nicht vorkommen - jedenfalls nicht wirklich.Ansonsten könnte man die Tatsache das ein Strafgefangener sich aussuchen darf welche Wand der Zelle er anstarrt ja auch als Freiheit bezeichnen.Freiheit findet in der Praxis immer in gewissen Grenzen statt die blos in begrenztem Ausmaß vom Betroffenen selbst definiert werden.
Handlungslücke
Freiheit bedeutet eie Lücke im (bestimmten) Handeln frei (!) auszufüllen. Die Bestimmungs-(Eck-)/Punkte mögen frei oder unter Zwang zustande gekommen sein.
@pue
Der Mensch ist also in der Philosophie von Kant in seinem Handeln immer frei.

Wenn das eine seiner Grundüberzeugungen ist, verstehe ich, warum ich ihn nicht verstehe.

Das mit dem "immer frei" ist ein bisschen irreführend. Natürlich behauptet Kant nicht, dass alles Handeln frei von äusseren Einflüssen ist. Vieles ist einfach deshalb eingeschränkt oder unmöglich, weil bestehende Naturgesetze es nicht erlauben. (Beispiel: Niemand kann aus eigener Muskelkraft 20m weit springen).

Wenn die Rechtsprechung davon ausgeht, dass es einen freien Willen gibt, dann muss ich mich wohl geschlagen geben, hehe.

Nein, nicht deshalb. Ich wollte ja nur sagen, dass ein halbwegs friedliches und geordnetes Gesellschaftsleben unmöglich wäre, wenn jeder davon ausginge, dass es nie einen freien Willen gibt.

Nehmen wir mal an, du hast eine kleine Tochter. Sie wird entführt, missbraucht und anschliessend erdrosselt. Der Täter wird gefasst und vor Gericht gestellt. Dann sagt der Richter am Schluss des Prozesses: "Tut mir leid, aber ich muss den Täter freisprechen. Er hat das Kind ja nur umgebracht, weil er gar nicht anders konnte. Einen freien Willen hat er nicht. Ich kann diesen Mann also nicht zur Verantwortung ziehen. Es ist halt nur geschehen, was laut gegebenen Naturgesetzen geschehen musste. Pech für das Kind und seine Familie. Aber so ist die Welt nunmal.

Und mich als Richter kann auch keiner kritisieren. Was ich entscheide ist ja gar keine rationale Entscheidung im Einklang mit rational zustandegekommenen Gesetzen, sondern auch nur ein Vorgang, der eben so und gar nicht anders vonstatten gehen konnte. Einen freien Willen habe ich nicht. Das wäre eine pure Illusion.

Das ist übrigens kein Beweis dafür, dass es einen freien Willen gibt. Strikt beweisen kann man es wahrscheinlich gar nicht. Aber das Gegenteil kann man genauso wenig beweisen. Und wenn das so ist, dann lebe ich lieber in einer Welt, in der man davon ausgeht, dass es einen freien Willen gibt.
**e Mann
2.564 Beiträge
Schönen guten Tag, Westost,

da hast du ein feines Beispiel genommen, denn tatsächlich habe ich eine Tochter und tatsächlich bedeutete der Fall für mich das Schrecklichste, was mir persönlich passieren könnte.

Dennoch ist das Beispiel natürlich realistisch und könnte so passieren.

Dazu ein paar Gedanken im Falle des Falles. Erstens hat das bestehende Rechtssystem den Täter nicht abhalten können, seine schreckliche Tat auszuführen. Zweitens macht mir das Rechtssystem nicht den Eindruck, dass solche Täter problemlos in die Gesellschaft zurück zu führen sind. Meine Angst bleibt also in jedem Falle, egal, wie die Rechtsprechung ist.

Bleibt das Wegsperren des Täters auf Lebenszeit. Auch das ist kaum möglich, wie man in der Praxis sieht. Bleibt, eine Verschärfung der Gesetze anzustreben, aber selbst das schützt die Kinder nicht vor Ersttätern.

So viel dazu unabhängig von der Existenz eines 'freien Willens'.

Gerade Sexualverbrecher handeln oft aus einer inneren Zwangslage heraus. Konstruieren wir mal ein Umfeld, welches typisch für einen solchen Menschen ist.
Ein Elternhaus, in der kaum über Sexualität geredet wurde, eventuell erlebte, nicht verarbeitete sexuelle Übergriffe durch Familienangehörige, übergroße 'gut gemeinte' Liebe der Eltern, damit fehlende Selbstständigkeit in der Jugend, fehlendes Selbstbewusstsein, fehlende Beziehungsfähigkeit, keine Freundin, Einsamkeit.
Das alles trifft nun auf eine Gesellschaft, in der sexuelle Tabus zwar äußerlich zum großen Teil abgebaut scheinen, der Umgang mit der Sexualität aber dennoch stark tabuisiert ist.

Das Pornographieverbot ist ein gutes Beispiel für den verklemmten Umgang unserer Gesellschaft mit Körperlichkeit. Die Gesellschaft ist der Ansicht, dass die Abbildung eines Geschlechtsakts oder eines steifen Glied Kinder und Jugendliche schädigt. Das ist mir unbegreiflich.

Ein Vater, der mit seiner Tochter in der Badewanne liegt, darf um Himmels Willen keine sexuelle Erregung zeigen. Was, wenn doch? Er wird sich schuldig oder beschämt fühlen, vielleicht beschließt er, einfach nicht mehr mit der Tochter zu baden, um dem Problem aus dem Weg zu gehen.
Vor allem kann er mit keinem darüber reden. In den Achzigern gab es bei den Grünen mal den Versuch, das Thema Pädophilie zu diskutieren. Das ließen sie ganz flott wieder bleiben, das hatte keine gesellschaftliche Akzeptanz.

Um auf unseren Täter zurück zu kommen: es gibt Untersuchungen, in denen sich, ganz knapp formuliert, zeigt, dass es gerade Sexualtäter wenig Umgang mit Pornographie haben. Es sind eben genau nicht die, die in den nächsten Sexshop gehen, um sich ein anregendes Heftchen zu besorgen und so, wenn sie schon keinen Partner haben, ihre sexuelle Bedürfnisse befrieden.

Mein Fazit:

Weder Verbot noch Bestrafung schützen meine Tochter, sondern nur eine offene Beziehung der Gesellschaft zur Sexualität.

Bei kaum einer anderen Straftat sehe ich mehr Determinismus als beim Kindesmissbrauch. Die Zwanghaftigkeit, mit der Sexualtäter sich selbst nach jahrelanger Behandlung und in vollem Bewusstsein über die mögliche Strafe wieder an Kindern vergehen, ist alles andere als ein Zeichen freien Willens.

Freiheit ist die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen. Vorraussetzung dafür ist, dass man sie sehen kann, nur dann ist Entscheidung möglich.

Schönen Sonntag, Peter
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
Schuldfähigkeit
Nehmen wir mal an, du hast eine kleine Tochter. Sie wird entführt, missbraucht und anschliessend erdrosselt. Der Täter wird gefasst und vor Gericht gestellt. Dann sagt der Richter am Schluss des Prozesses: "Tut mir leid, aber ich muss den Täter freisprechen. Er hat das Kind ja nur umgebracht, weil er gar nicht anders konnte. Einen freien Willen hat er nicht. Ich kann diesen Mann also nicht zur Verantwortung ziehen.

Tatsächlich (nicht, weil es vielleicht allgemein keinen freien Willen gäbe) kann ja jemand, mangels Schuldfähigkeit, nicht zur Verantwortung gezogen werden und das ist widerum in gewisser Hinsicht gerecht. Was aber den Täter nicht vor einer Sicherungsverwahrung mit therapeutischer Behandlung schützen wird (wenn das Gericht gut ist).

Neben äußerst debilen, infantilen Menschen, denen die Fähigkeit für die Verantwortung fürs eigene Handeln ganz oder teilweise fehlt, gibt es Menschen, die u.a. Gehirndefekte haben, die dazu führen, dass sie gefühlskalt sind bishin zu keinem Gewissen im typischen Sinne. Wie kann jemand, dem - sozusagen von Natur aus - die Fähigkeit zur Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit fehlt, da wirklcih schuldig sein. Was, wenn bei dem einen extrem, das bei einem anderen in anzätzen vorhanden ist? Hier die die Diskussion um Willensfreiheit wirklich grenzwertig, denn in der Neurologie gibt es deutliche Ansätze, dass eben nicht jeder wirklich dafür kann, was er da so macht. Hört sich krass an, schützt nicht, ist eher erschreckend, aber umgekehrt ist auch da statt dem Thema "Strafe" eher das Thema "Schutz der Gesellschaft" bei aber Resozialisierung, wenn möglich. So ist es keine Strafe im strengeren Sinne, aber der Schutz der Gesellschaft vor jemanden, der als gefährlich einzustufen ist.

Problem: muss immer erst was passieren? Passiert was, ist der Freiheitsentzug - und sei es nicht als Strafe, sondern als schutz der Gesellschaft - sicher gerechtfertigt. Aber, ist das auch gerechtfertigt, wenn noch nichts passiert ist? Wie berechtigt ist hier der Freiheitsentzug? Wie sehr besteht die Gefahr, die Falschen der Freiheit zu berauben?

*gruebel*
Sexualstraftäter
Beide Beiträge, sowohl der von Pue als auch der von Lustliebender finde ich sehr interessant und bedenkenswert.

Ich gebe auch zu, dass mein Beispiel des Sexualstraftäters vielleicht nicht besonders gut dazu geeignet war, die die Idee des freien Willens zu verteidigen.

Es stimmt sicher, dass bei einer Reihe von solchen Tätern keine wirkliche Willensfreiheit bestanden hat. In solchen Fällen sieht unser Strafrecht ja auch die Möglichkeit einer begrenzten Schuldfähigkeit vor. Zum Schutz der Gesellschaft kann dann aber immer noch ein "Wegsperren" und eine psychiatrische Behandlung in Frage kommen. Das finde ich auch völlig richtig.

Aber ich finde, dass es in vielen anderen Fällen gerechtfertigt ist, Straftätern im Prinzip Willensfreiheit und damit auch Verantwortung zuzuschreiben.

Noch was mehr Grundsätzliches zur Idee der Willensfreiheit: Ich finde es schon sehr sonderbar, wenn Gehirnforscher uns "beweisen" wollen, dass die Willensfreiheit eine Illusion ist und alles (auch in unserem Gehirn) im Prinzip nach Naturgesetzen abläuft und in diesem Sinn deterministisch ist. Das hätte ja zur Konsequenz, dass auch alles, was diese Gehirnforscher selbst sagen, nichts weiter ist, als die Folge von Ursachen, die sich in ihrem Gehirn abspielen.

Was wir als Argumente und Beweise ansehen, also was wir mit solchen Begriffen meinen, ist aber etwas grundsätzlich anderes als ein Vorgang in der Natur (wie ein Erdbeben z.B.).

Als denkende Subjekte ist es uns meiner Meinung nach einfach unmöglich, die gesamte Welt als einen nach Naturgesetzen ablaufenden Prozess zu verstehen. Da bleibt immer etwas übrig, das nicht vollständig in dieses naturalistische Weltbild passt - z. B. unser Denken.

Natürlich passiert auch irgendwas "Natürliches" in unserem Gehirn, wenn wir denken. Aber wenn wir das als nicht mehr als etwas Natürliches (Chemisch-Neurophysiologisches) verstehen wollen, dann verlieren wir genau das aus den Augen, was das Denken für uns wichtig macht. Es gibt zu unserem Denken eine Innenperspektive, die durch eine rein naturwissenschaftliche Betrachtungsweise niemals völlig erfasst werden kann.

Ich habe generell den Verdacht, dass unser Kosmos viel rätselhafter ist, als es sich die rein naturwissenschaftliche Zugangsweise vorstellen kann.

Das hilft natürlich nicht, wenn es darum geht, Gelder für die Forschung zu bekommen. Da muss man immer so tun, als ob auch die Gehirnforschung uns irgendwann bald alles ermöglicht, was wir (oder die Industrie) wissen wollen.

Die Gehirnforscher (zumindest einige von ihnen) sollten sich auch mal philosophisch mit dem auseinandersetzen, was sie so sagen und was sie uns versprechen.
**e Mann
2.564 Beiträge
Die Abstraktion macht das Denken aus. Je genauer man hinschaut, desto weniger bleibt von der Abstraktion übrig. Das ist ihr Wesen.

Determinismus schließt alles Geschehen ein und es liegt auf der Hand, dass wir nie alle Prozesse beschreiben, denn aufzählen können; die Aufzählung des status quo selbst müsste ja gleich mit aufgezählt werden.
Determinismus
Determinismus schließt alles Geschehen ein

Ja, wenn unsere Welt deterministisch wäre. Aber das wissen wir schon, dass sie das nicht ist. Jedenfalls auf der Ebene der mikrophysikalischen Vorgänge. Da gibt es wohl echten Indeterminismus. Nur hilft das nichts, wenn's um Willensfreiheit geht. Denn weder Determinismus noch Indeterminismus ist mit Willensfreiheit vereinbar.
**e Mann
2.564 Beiträge
Woher wissen wir, das die Welt nicht deterministisch ist? Ein Beweis dafür ist mir nicht bekannt.
*******alm Paar
7.574 Beiträge
@westost,
können wir auch annehmen, dass eine deterministisch gestrickte welt auch systeme hervor bringt, in denen richter auftauchen und mörder und kinder und das dieses system so verknüpft ist, dass richter mörder verurteilen, weil sie kindern was angetan haben?

dann haben wir immer noch den determinismus..............

calm*frage*
Indeterminismus
Woher wissen wir, das die Welt nicht deterministisch ist? Ein Beweis dafür ist mir nicht bekannt

Ich hatte schon vorher gesagt, dass ein strikter Beweis höchst wahrscheinlich nicht möglich ist.

Da ich selbst kein Physiker bin, verlasse ich mich auf die Ergebnisse der Quantenphysik. Die zeigen angeblich, dass es dort irreduzibel probabilistische Gesetze gibt, also keine deterministischen.

In der Naturwissenschaft gibt es grundsätzlich keine Beweise (so wie in der Logik und der Mathematik). Aber auch ohne Beweise gibt es gute und schlechte Argumente für oder gegen bestimmte philosophische Annahmen über die Welt. M.E. gibt es bessere Argumente für als gegen die Willensfreiheit. Warum ich sie für besser halte, habe ich ja in meinen vorangegangenen Beiträgen gesagt.
@calm
können wir auch annehmen, dass eine deterministisch gestrickte welt auch systeme hervor bringt, in denen richter auftauchen und mörder und kinder und das dieses system so verknüpft ist, dass richter mörder verurteilen, weil sie kindern was angetan haben?

dann haben wir immer noch den determinismus..............

Vielleicht können wir das. Aber wer das tut, muss zugleich glauben, dass auch diese seine Annahme schon seit Anbeginn der Welt (mindestens unseres Planeten, also seit ca 15 Milliarden Jahren) durch deterministische Gesetze vorherbestimmt war. Und dass er überhaupt keine Wahl hatte, durch Nachdenken zu einer anderen Annahme zu kommen.

Das finde ich wenig überzeugend.
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
Determinismus
Ich wäre - Vorsicht Sprachverwirrung - mit dem Begriff Determinismus vorsichtig, denn er könnte bis hin zum absoluten Vorherbestimmten verstanden werden.

Ich wäre mehr dafür, hier Bandbreiten, Spannen, etc. zu werten. Nehmen wir das Beispiel des Griffs auf die heiße Herdplatte, wo reflexakrtig die Hand weg gezogen wird. Hier sind wir determiniert. Dennoch lässt sich auch das überwinden. So gibt es "lockerer" und "festere" Dinge, wo wir determiniert wären (oder, wo der Begriff schwammig wird). So sind wir nun mal Menschen und - ohne Hilfsmittel - nicht in der Lage zu fliegen. Gewisser Determinismus ist der Rahmen unseres Handelns, wobei der vermutlich kleiner ist, als uns bewusst ist. Es lässt sich zeigen, dass vieles eher woanders entschieden wird (z.B. im "Bauchgefühl"), wir aber das Gefühl haben, wir hätten es bewusst entschieden. Es scheint sogar, dass teilweise es für den Menschen in seiner evolutionären-biologischen Rolle wichtig ist, zu glauben, er hätte eine breite Willensfreiheit. Was nicht hieße, er habe keine. Es ist aber wesentlich komplizierter, als vielen bewusst ist.

*zwinker*
*******alm Paar
7.574 Beiträge
ach westost,
durch deterministische Gesetze vorherbestimmt

nicht vorher bestimmt, das jetzt ist ein resultat der vergangenheit.

und was dich überzeugt resultiert aus der linie deines determinismus.

calm*malsosag*
Freiheit
Ich stimme mit Lustliebender ganz überein. Unsere Willens- und Entscheidungsfreiheit ist auf vielerlei Weise eingeschränkt. Oft auch ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Ich bin kein grosser Freund von Freud, aber er hat schon ganz recht, wenn er sagt, dass wir sehr oft nicht Herr in unserem eigenen Haus sind. Unser Ich, so wie es Freud verstanden hat, ist ständig bedrängt von anderen Instanzen (Es und Überich) in uns selbst, über die das Ich nur begrenzt Verfügungsgewalt hat.
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