Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Premium Couples
904 Mitglieder
zum Thema
Attraktivität und Gerechtigkeit624
Ist es in Ordnung, jemanden Anhand von bestimmten Kriterien schön zu…
zum Thema
Was macht eine/n gute/n Sub/Bottom aus?46
Passend zum vor kurzem hier entstandenen Thread "Was mach einen guten…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

... es gibt (gar) keine Gerechtigkeit...

@Morticia
Zu dem Teil deines Beitrags, der von den an MS erkrankten Menschen handelt, kann ich nichts sagen, da ich wirklich nicht sehe, was das mit der Wahrheit oder Unwahrheit von Aussagen zu tun hat.

Die Wirksamkeit von Medikamenten und anderen, eher unorthodoxen medizinischen Hilfsmitteln hängt sehr oft nicht davon ab, ob es gut bestätigte Hypothesen über ihre objektive Wirksamkeit gibt, also unabhängig von Placeboeffekten. Die Wahl solcher Mittel ist jedem freigestellt. Die Hauptsache ist, sie wirken. Ich sehe da keinen Zusammenhang mit der Frage, welche Aussagen wahr sind und welche nicht.


Nun zum nächsten Punkt: Ich hatte gesagt:

... wenn ich jemand sagen will, welche Gründe ich habe, eine bestimmte Aussage für wahr zu halten, und er mir im Brustton der Überzeugung erwidert, dass es keine objektive Wahrheit gibt und mir allenfalls meine "eigene" Wahrheit zugesteht, d.h. ohne sich mit meinen Gründen/Argumenten auseinanderzusetzen -, wenn das eintritt, dann breche ich lieber das Gespräch ab. Ich kann ihn als Gesprächsparter nicht mehr ernstnehmen. Mit strikten Relativisten zu argumentieren bringt einfach nichts

Morticia sagt nun:

Da ist, glaube ich, der Knoten. Eine "eigene Wahrheit allenfalls zuzugestehen", sie also als etwas zu definieren, das "wertmäßig" unter der absoluten Wahrheit liegt, ist nicht das, was "Relativisten" (gegen diese Bezeichnung sträubt sich mir alles!) tun.

Das stimmt, dass tun sie normalerweise nicht. Sie halten jede Überzeugung für gleichberechtigt, weil es ja angeblich jedem zusteht, zu glauben, was er für wahr hält.

Die eigene Wahrheit ist in dem Moment nicht mehr fehler- und lückenhaft, in dem ich sage, dass eine absolute Wahrheit nicht existiert. In dem Moment wird jede einzelne, individuelle Wahrheit zu der einzigen, die irgendein Mensch erreichen kann

Nein, nicht automatisch fehlerhaft. Allerdings ist mir nicht klar, was der Ausdruck "eigene Wahrheit" eigentlich bedeuten soll. Ausser es heisst einfach dasselbe wie der Ausdruck "das, was ich für wahr halte". Nur Relativisten wollen den Unterschied zwischen "wahr sein" und "für wahr halten" einebnen. Ich glaube die meisten Menschen wollen das aber nicht. Insofern sind sie dann auch keine Relativisten.

Wenn aber jemand behauptet: "...dass es eine absolute Wahrheit nicht gibt", dann befindet er/sie sich in einem performativen Selbstwiderspruch. Ich hab das schon mehrfach erklärt und bis jetzt noch kein schlagendes Gegenargument gehört.

Selbst wenn der in obigen Zitat genannte Zuhörer sich Deine Gründe genau anhört und sie sorgfältig nachvollzieht, kann er Deine Wahrheit akzeptieren, ohne Deine Argumente für sich anzunehmen

Dann akzeptiert er meine Gründe, ohne sie überhaupt verstanden zu haben. Sein "Für-wahr-halten" meiner Behauptung ist reiner Zufall. Oder er will mir einfach einen Gefallen tun. Das würde ich nicht mal "akzeptieren" nennen. Es macht nämlich auch jede weitere Diskussion witzlos.

Wenn er meine Gründe sorgfältig nachvollzieht, wie du sagst, dann hat er entweder gute Gegengründe, oder nicht. Wenn nicht, dann macht es doch nur Sinn "meine" Wahrheit anzunehmen, wenn er meine Gründe für hinreichend hält.
Ich sehe mich endgültig außerstande, hier auf alles einzeln einzugehen. Das ist schade, denn mir liegt daran. Aber nebenher hab' ich auch noch ein Leben, das gerade ganz und gar nicht langweilig ist. Seufz.

Über Gödel weiß ich gar nichts und den performativen Selbstwiderspruch verstehe ich nicht endgültig. Sicher, ich könnte mich einlesen und intensiver in die Beiträge gehen. Allein, mir fehlt wirklich die Zeit.

Wo fange ich bloß an? *panik*

Interessanter Weise lautete der Tagesspruch in der NRZ von heute:

"Zwei Wahrheiten können sich nie widersprechen."
Galileo Galilei (1564-1642), ital. Physiker und Astronom

Westost46, was ich mit dem Beispiel vom MS-Kranken illustrieren wollte, ist, was auf viele menschliche Überzeugungen zutrifft. Der Mann hat für sich das Heil gefunden und meint, das müsste auch für den Andern das Heil sein. Selbstverständlich ist das für ihn Wahrheit.

Sein Freund sieht das nicht so und womöglich wird auch sein Arzt ihm einreden, dass das alles Einbildung ist.

Die Aufgabe lautet also, den Freund in diesem Bereich loszulassen, indem er sich klarmacht, dass der einen anderen Weg hat - der schwerer sein mag, aber es ist SEINER und auf den hat er ein Recht. Na, Nebensache. Weiterhin lautet der Job, sich der Wissenschaft zu stellen. Die Wissenschaft sagt, das hilft nicht, aber ich fühle, dass es mir besser geht. Was ist also wahr?

Wie auch immer er sich entscheidet: irgendwo endet die Liste der Fakten bei Glauben. Weil er nicht im Stande sein wird, bis ins Letzte zu verifizieren.

Und, tut mir leid, ich finde nun mal bei jedem wissenschaftlichen Fakt den Punkt, wo ich zweifeln kann, indem ich sage: "Vielleicht ist alles ganz anders."

Ach, so langsam geht mir die Puste aus.


Ich KANN die Wahrheit eines andern für voll gültig nehmen, ohne meine eigene über den Haufen zu werfen. Das kann ich nur dann, wenn ich mich freimache von der Vorstellung, eine allerletzte, absolute Wahrheit sei möglich.

Das heißt aber eben gerade nicht, dass es KEINE Wahrheit gäbe.

Ein lieber Freund hat mir gerade klargemacht, dass Logik faschistisch sein kann. Und ich habe erkannt, dass ich mit ihr tatsächlich schon einige Male in meinem Leben voll vor die Wand geknallt bin.

Also Logik bis in die hinterste Ecke voranzutreiben, hilft nix. Vielleicht ist das das, was mit "kalter Logik" gemeint ist.

Logik hat ihren Wert, ganz klar, aber sie wird niemals den vollen Raum ausfüllen. Entweder frier'n die Schultern oder die Füße.

Holtz, Dein Beispiel:
Was ist, wenn du dich mit jemandem unterhältst, der zufällig der Überzeugung ist, daß er entscheiden muss, wen seine Tochter heiratet – um genau zu sein, entscheidet er, wer seine Tochter heiratet. „Zufällig“ deshalb, weil er zufällig in einem Land aufgewachsen ist, in dem genau das üblich ist. Würdest du dann sagen „Okay, finde ich persönlich jetzt nicht ganz so toll, aber es ist halt seine Wahrheit. Deshalb akzeptiere ich es.“?
ist ziemlich durchschaubar. *mrgreen* Egal. Ich kann verstehen, dass das für den Mann so gut und richtig ist. Wie ich damit umgehe, ist aber eine ganz andere Frage. Wie würde ich denn denken, wäre ich er? Ob und wie ich mich einmische, hängt von der Situation ab - sprich, ich wäge ab: Ist es mir das wert? Was ist dann nötig? Und was ist möglich? Danach entscheide ich, was für mich Sinn macht - also was ich sagen oder tun werde.

Woher schließlich sollte ich die Hybris nehmen, meine Wahrheit über seine zu stellen? Nicht verwechseln: die Frage nach der Wahrheit würde nicht mein Handeln bestimmen.

Ich hasse es, wenn meine Beiträge länger und länger werden. Definitiv.
Was meinst du mit "durchschaubar"?
@Holtz
Na, hör' mal! Es geht um Frauenrechte! Das MUSS die Frau doch triggern! *liebguck*
Du meinst, ich habe das Beispiel gewählt, um dich zu "triggern"?
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
Fälle I und II erweitert...

Vor Gericht steht folgender Fall:

Fall I

Ein Fußgänger, der zufälliger Weise an einer Weiche vorbeikam, sah, wie ein Zug heranbrauste. Dummerweise war auf dem direkten Gleisweg eine Gruppe von 5 Menschen, die sicher den Tod gefunden hätten, hätte er die Weiche nicht auf das andere Gleis gelegt, wo nur einer ging, der dann starb...


und


Fall II

Wie zuvor stehen die 5 Leute auf der Gleisspur, die der Zug befährt. Der Angeklagte steht auf einer Brücke mit der weiteren Person, die recht dick ist. Er stößt diese Person von der Brücke runter, damit der den Zug blockiert und die 5 gerettet sind, weil der Zug durch den Körper des Dicken gestoppt wird, wobei der gestoßene stirbt.




Zu den Fällen: natürlich sollte man gedanklich davon ausgehen, dass im zweiten Falle klar ist, dass der Zug durch diese dicke Person gestoppt wird.

Interessanter Weise gibt es eine große Mehrheit (leider habe ich diese Zahlen nicht mehr oder die Quelle, außer, dass es ein Artikel in "Bild der Wissenschaft" war), die im ersten Fall das Leben des einen opfern würden, um 5 zu retten, im zweiten Falle jedoch nicht mehr, denn diese Tat, einen zu Schubsen, wird wohl als aktiver(er) Mord/Totschlag bewertet, als das (aktive!) Umlegen eines Hebels.

Wobei hier natürlich auch Rechenexempel weitergehend gemacht werden können. Bei fiktiven Gedankenspielen stirbt einer und dafür können 100, 1.000, 1.000.000 Menschen überleben. Wie viel Wert ist ein Leben?

Der, der hier in beiden Fällen aktiv handelt, begeht eigentlich eine Tötung, die so gesehen als Mord ausgelegt werden müsste, da sie vorsätzlich ausgeführt wurde. Täte er nichts, wäre die Frage, ob man 5 mal "unterlassene Hilfeleistung" anrechnen müsste, was aber sicher in keinem Land Recht wäre.

Wie auch immer: Grundsätzlich denken also viele schon, dass es "gerecht" ist, wenn einer für viele stirbt. Das ist in der Gesellschaft weit verbreitet. Allerdings sind viele, die so denken, schnell aus der Fassung zu bringen. Z.B. (gerade bei dem ersten Fall):


Was, wenn die eine Person, die zu Tode kommt, ein Verwandter von Dir (dem angesprochenen, der das Beurteilen soll) ist?


Hier sieht plötzlich die Welt anders aus.

Genauso interessant:


Der eine, der stirbt, ist Albert Einstein...
(oder eine andere, tolle Persönlichkeit).


Dass einer für mehrere geopfert wird, schien unter dem Begriff "Schadensminimierung" akzeptabel. Aber plötzlich gibt es Personen, die scheinbar wichtiger, wertvoller als andere sind. Jedenfalls beurteilen hier viele die Situation ganz anders, als zuvor. Der eine wird nicht mehr so schnell fürs Allgemeinwohl geopfert!

Hier zeigt sich sehr schnell, dass das Gerechtigkeitsempfinden nicht wirklich so einheitlich ist, wie man meinen könnte. In meinen anderen Beispielen versuchte ich dies ja auch schon zu zeigen, dass eine Aztekengesellschaft sicher noch ganz anders urteilen würde. Das Gerechtigkeitsempfinden ist sicher auch sehr stark kulturell geprägt.
Das Wesen solcher Szenarien ist ihr Simulationscharakter. Wenn man das Milgrim-Experiment danebenstellt, fällt der Unterschied der tatsächlichen Umsetzung auf: Hier können wir nicht sehen, was wir dort sehen können; das Verhalten in der Situation. Es gibt hier also nur das vermeintlich gerechte Verhalten, nicht aber das tatsächliche.

Das ist auch nicht durchzuführen, und der Grund, aus dem das nicht geht, ist eben der Dreh- und Angelpunkt: was hier im Versuch aus ethischen Gründen nicht überprüfbar ist, kann nicht simuliert werden, weil kein Setting denkbar ist, in dem tatsächlich niemand zu Schaden kommt.

Wenn wir hier allerdings die Frage haben, ob bzw. in welchen Formen es Gerechtigkeit gibt, ist das eine empirische Frage. Die Theorie der Gerechtigkeit, wie jeder sie in vielfältiger Weise mit sich herumträgt, ist gewissermaßen auch empirisch, aber nur, wenn man davon ausgeht, daß die persönlichen Vorstellungen unverfälscht formuliert werden. Weil man meiner Auffassung nach nicht davon ausgehen kann, bleiben die Diskussion empirischer Beispielfälle oder die Gegenüberstellung eines vermeintlich gerechten Verhaltens mit Moral-, Rechts- und weiterer Philosophien.

Interessant finde ich übrigens, was mir in diesem Zusammenhang einfällt; die Losung „Frauen und Kinder zuerst!“
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
@****ost

Hier nachträgliche Kommentare von mir.

Einmal zu:

(1) Wenn Gerechtigkeit immer nur subjektiv wäre, könnte es in keiner Gesellschaft eine auch nur halbwegs gut funktionierende Strafjustiz geben.

Hier wäre wieder die Frage, wie "subjektiv" und "objektiv" sprachgebräuchlich verwendet wird. Wenn "objektiv" einfach eine Vielfalt oder Mehrheit an subjektiven Meinungen ist, dann hast Du recht. In anderer sprachgebräuchlicher Bedeutung: Klar kann eine Gesellschaft oder eine Strafjustiz funktionieren, denn über die Mehrheit der subjektiven Meinungen lässt sich Demokratie verwirklichen und damit auch alles andere in diesem Bereich.

Wikipdia:

objektiv steht als Adjektiv für:

• unvoreingenommen, nicht von Gefühlen und Vorurteilen bestimmt, siehe Objektivität
• gegenständlich, wirklich, tatsächlich, unabhängig von einem Subjekt und dessen Bewusstsein existierend, siehe Objektivismus

...

Objektivismus

Mit Objektivismus bezeichnet man:

• eine Grundhaltung oder Strömung aufgebaut auf einem Konzept strengster Objektivität
• in der Philosophie eine Position, die im Gegensatz zum Subjektivismus die Bildung von Begriffen und Wahrheits- und Geltungsbedingungen von Sätzen an die Eigenschaften von Objekten, nicht an Eigenschaften des urteilenden Subjekts knüpft.

...

Nach wie vor bin ich kritisch mit dem Begriffen "objektiv", da er schnell zu Sprachverwirrung führt.




In islamischen Ländern gibt es die Trennung von Moral und Religion allerdings nicht. Auch die Strafjustiz ist da weitgehend von der Religion/Scharia bestimmt.

Diese Aussage ist mir leider zu pauschal. Die meisten islamischen Länder wenden die Scharia nicht an und haben ganz deutlich von der Scharia und manchmal auch vom Koran abweichende Gesetze.

Grundsätzlich sehe ich es aber schon als richtig, dass viele Religionen eigentlich Gesetze außerhalb der religiösen Grundlagen (oder denen widersprechende) ablehnen. Dies gilt auch für die Christlichen, wo fundamentale Christen nicht weniges innerhalb unseres oder vieler westlicher Staaten ablehnen.

Wer sagt: "Es gibt keine Wahrheit"begeht keinen logischen Fehler.

Hmmm... ist das nicht doch (auch) ein logischer Fehler???

*gruebel*


@**ie
Unsere Gesetz haben als Basis nicht die Etkik sondern die Moral. Die Moral basiert wiederrum auf die christliche Religion

Ich würde zu Westost hier noch ergänzen, dass es u.U. ja so ist, dass gewisses Grundgerechtigkeitsempfinden (z.B.: Du sollst keinen töten) über einen gewissen Humanismus Einzug in die Religion(en) genommen hat. Manches sogar entgegen gewisser jüdisch-christlicher Grundüberzeugung. So war z.B. der Vatikan der letzte Staat der Welt, der die Sklaverei abgeschafft hat! Warum? Weil es Textstellen (in der Nähe der 10 Gebote) gibt, die da Lauten "Sei gut zu Deinen Sklaven!". Also ist die Sklaverei im Einklang mit Judten- und Christentum.

*zwinker*
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
@***tz

Simulationcharakter hin oder her, das spielt für mich hier weniger eine Rolle.

Du hast sicher nicht unrecht, wenn die Frage persönlich gestellt wird/würde:

"Sie stehen an einer Weiche und ..."

Hier mag es große Unterschiede geben in der Antwort und der tatsächlichen Tat.

Es geht hier aber ja nicht um eigene Handlungsweisen, sondern um die Beurteilung anderer bzw. einer Tat anderer, die deswegen nicht real stattgefunden haben muss. Zumindest Fall I findet sich ja in dem von Westost angesprochenen Beispiel, ob ggf. ein von Terroristen entführtes Flugzeug abgeschossen werden darf, wenn Gefahr ähnlich dem 11. September besteht. Zu solchen Szenarien und auch realen Begebenheiten gab es i.d.R. die mehrheitliche Meinungen, dass ein oder wenige Leben geopfert werden können oder sollten, wenn mehrere dadurch gerettet werden können.
Ich finde es nicht angemessen, theoretische Fälle zu besprechen, die durch ihre mangelnde Realitätsnähe oder befremdliche Konstellation eher geeignet sind, von einer tasächlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Rechtsempfinden zu entfernen. Da kam nicht umsonst die Verunsicherung durch den Dicken hoch, der mit seinem Körper einen Zug doch gar nicht aufhalten kann. Da kann man gleich die Frage stellen, würdest du ein fremdes Leben oder deine Großmutter opfern, wenn du damit fünf andere vor dem sicheren Tod bewahren kannst, egal, wie.

Die Inszenierung sollte helfen, einen Zugang zum eigenen wahrscheinlichen Verhalten zu finden, aber auch ein perfektes Setting ist ein Setting. Meine Auffassung zur Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber ist ja auch davon abhängig, ob ich persönlich einen gekannt habe, der wegen Ladendiebstahls abgeschoben und dann im Herkunftsland abgeknallt wurde.
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
Meine Auffassung zur Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber ist ja auch davon abhängig, ob ich persönlich einen gekannt habe, der wegen Ladendiebstahls abgeschoben und dann im Herkunftsland abgeknallt wurde.

... weswegen ich nicht umsonst ja auch anfügte, dass z.B. bei den Veränderungen, dass der "Eine" ein Verwandter, Bekannter sei, schon veränderte Aussagen folgten.

Hier wären Du und ich also gar nicht groß auseinander und insgesamt sind für mich die Aussagen bzw. Erhebungen (gern mit dem Milgram-Experiment) ausreichender Beleg dafür, dass ein Gerechtigkeitsempfinden bzw. Umsetzen keine einheitliche Sache ist, sondern sehr individuell.
@Lustliebender
Ein paar Bemerkungen:

Meine Behauptung: "Wenn Gerechtigkeit immer nur subjektiv wäre, könnte es in keiner Gesellschaft eine auch nur halbwegs gut funktionierende Strafjustiz geben" war nicht besonders glücklich formuliert.

Mit "funktionierend" habe ich gemeint: durch das Gerechtigkeitsgefühl einer grossen Mehrheit anerkannt, sodass es nicht ständig Revolten gegen die Rechtsprechung gibt.

Aber das ist nicht alles, was ich hätte sagen sollen. Die während der Nazizeit ausgeübte Strafjustiz hat auch (in diesem Sinn) "funktioniert", einfach weil die Mehrheit der Bevölkerung die Nazidiktatur unterstützt hat. Dennoch wird die Mehrheit der heutigen Bevölkerung, wie ich jedenfalls inständig hoffe, sagen, dass die Art und Weise, wie die Nazis mit Regimegegnern umgegangen sind, himmelschreiendes Unrecht war.

Was ich damit sagen will, ist, dass es auch mit bezug auf Gerechtigkeit, und Ethik überhaupt, richtige und falsche Auffassungen, sowie gute und schlechte Gründe gibt. Und richtig heisst nicht: richtig ist halt das, was die Mehrheit für richtig hält. Also ähnlich wie bei empirisch wahr und falsch. Wahr ist nicht, was die Mehrheit für wahr hält. Die Mehrheit kann sich gründlich irren.

Die Idee von Demokratie wäre übrigens auch falsch verstanden, wenn sie davon ausginge, dass ein demokratischer Staat sich immer nach der Mehrheitsmeinung im Volk richten soll. Wenn die Mehrheit einem Diktator zujubelt, dann ist das noch immer keine Demokratie.

Das ist es auch, was ich an Auffassungen wie die von Morticia für so falsch und gefährlich halte. Wenn man jedem seine "eigene" Wahrheit zugesteht, und diese "Wahrheit" zufällig mehrheitlich total faschistisch ist, dann kann sie nur sagen "ist halt Pech für die, die darunter zu leiden haben" (z.B. die Geschwister Scholl, oder sechs Millionen Juden). Man kann manches gegen die Nürnberger Prozesse sagen, aber hätten die Ankläger der Alliierten sagen sollen: "Na ja, das waren halt deren Wahrheiten und Überzeugungen darüber, was gerecht und ungerecht ist. Die dürfen wir nicht bestrafen"?

Zur Logik: Ich kann wirklich nicht sehen, was an dem Satz "Es gibt keine Wahrheit" rein logisch gesehen falsch ist - im Sinn der Aussagenlogik. Die Existenz von irgendwas zu bestreiten kann empirisch/faktisch falsch sein. Aber das macht eine entsprechende Aussage nicht schon unlogisch im Sinn der Aussagenlogik
*******enza Mann
3.454 Beiträge
Interessanter Weise gibt es eine große Mehrheit (leider habe ich diese Zahlen nicht mehr oder die Quelle, außer, dass es ein Artikel in "Bild der Wissenschaft" war), die im ersten Fall das Leben des einen opfern würden, um 5 zu retten, im zweiten Falle jedoch nicht mehr, denn diese Tat, einen zu Schubsen, wird wohl als aktiver(er) Mord/Totschlag bewertet, als das (aktive!) Umlegen eines Hebels.

Ich würd daraus jetzt mal schlußfolgern, dass die Mehrheit der Leser von "Bild der Wissenschaft" vermutlich Übergewicht hat. Im Gegensatz zu den Mitgliedern dieser Gruppe, die deshalb den Fall mehrheitlich etwas anders beurteilt.

Zur Logik: Ich kann wirklich nicht sehen, was an dem Satz "Es gibt keine Wahrheit" rein logisch gesehen falsch ist - im Sinn der Aussagenlogik. Die Existenz von irgendwas zu bestreiten kann empirisch/faktisch falsch sein. Aber das macht eine entsprechende Aussage nicht schon unlogisch im Sinn der Aussagenlogik

Die Quantoren der Logik haben mit der Ontologie wenig am Hut.

Dieser Satz "Es gibt keine Wahrheit" wäre bestenfalls die Übersetzung eines logischen Formalismus a la "Für alle Elemente q1...qn der Menge der Aussagen des Typs 'p ist wahr' gilt: 'qx ist falsch'" oder so ähnlich. Da dieser Formalismus sich selbst mit einschließt, flipfloppt sein eigener Wahrheitsgehalt hin und her, je nach Ordnungsebene der Betrachtung.

Dat blinkt ungemein.

Die ontologische Frage 'wer oder was ist überhaupt dieses "Es"', das da irgendwas rausrückt, hatten wir sexistisch-psychologisch vor geraumer Zeit mal unter

Philosophie: ER-SIE-EEEEES!!!!

angerissen. Vor dem "ES" hatten wir das "ICH" und das "DU" diskutiert.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
perforiert
Ich habe nicht alles verstanden, was du sagst, aber ich habe den Verdacht, dass hier wiedermal ein Missverständnis vorliegt, und zwar darüber, was mit dem Ausdruck "Performativer Selbstwiderspruch" gemeint ist.

Es handelt sich dabei nämlich nicht um einen logischen Selbst-Widerspruch.

OK.

Wer wäre dann Deiner Meinung nach diskursethisch in der Verpflichtung diesen Begriff des "performativen Selbstwiderspruchs" in Abgrenzung zum "logischen Selbstwiderspruch" zu präzisieren?

Ich habe versucht, darzustellen, dass der Begriff des Widerspruchs aussagenlogisch an sich schon recht frickelig ist. Ein System, das sich selbst widersprechende Aussagen mitverwalten will, wäre noch frickeliger. Ich habe meine Zweifel, dass das Adjektiv "performativ" wirklich zur Klärung beiträgt.

Als Linguist assoziiere ich mit "performare" in erster Linie die von Chomsky herausgearbeitete Unterscheidung zwischen "performance" und "competence" auf der Ebene der Syntax. Aber das wär ja nicht das erste Mal, dass uns in Babel die Wörter ausgehen.

"Sattt? Wie soll ich satt sein, wenn ich nur Löcher gegessen habe?"

(Obelix in "Asterix bei den Schweizern")

@Westost46
Zur Logik: Ich kann wirklich nicht sehen, was an dem Satz "Es gibt keine Wahrheit" rein logisch gesehen falsch ist - im Sinn der Aussagenlogik. Die Existenz von irgendwas zu bestreiten kann empirisch/faktisch falsch sein. Aber das macht eine entsprechende Aussage nicht schon unlogisch im Sinn der Aussagenlogik

Genau. Die Frage, ob es überhaupt eine Wahrheit gibt, ist nicht unbedingt eine Frage der Logik, sondern eher eine Frage, ob die Aussage richtig oder falsch ist. Das ist nicht dasselbe. Im Übrigen ist die Aussage, dass es keine Wahrheit gibt, gerade nicht wahr.

Nach dem Wahrheitsbegriff der griechischen Klassiker ist wahr, das was ist. Also die Dinge so, wie sind. Zu einem ähnlichen Wahrheitsverständnis kamen z.T. auch christliche Philosophen wie Augustinus oder Thomas von Aquin. Nach Thomas von Aquin entsteht Wahrheit dann, wenn der Verstand die Dinge so sieht, wie sind.

Anselm von Canterbury, neben Thomas von Aquin der zweite große Theologe und Philosoph des Mittelalters, geht noch ein Stück darüber hinaus, indem er wahre Erkenntnis mit dem richtigen Tun verbindet. Denn es genügt nicht, die Wahrheit nur zu erkennen. Man muss auch entsprechend handeln.

Neuere Vertreter wie z.B. Karl Marx und Friedrich Nitzsche definieren Wahrheit völlig anders, sinngemäß: Die Wahrheit wird erst durch den Menschen geschaffen. Was wahr ist, bestimmt der Mensch.

Die Frage ist folglich nicht die, ob es Wahrheit bzw. überhaupt eine Wahrheit gibt, sondern die, welcher Wahrheitsbegriff der "richtige" ist und unser Handeln bestimmen sollte! Davon hängt nämlich auch die Frage ab, was als gerecht und als ungerecht empfunden wird.

Die Zeit des Nationalsozialismus ist ein Beispiel dafür, was Furchtbares geschehen kann, wenn der Mensch sich seine eigene Wahrheit schafft. Denn seinerzeit galt es als wahr, dass Juden und Angehörige "minderwertiger" Rassen keine Menschen im eigentlichen Sinne sind, sondern Untermenschen. Wie wir alle wissen, führte dies dazu, dass viele, die diesen Unsinn geglaubt haben, ohne jegliche Skrupel zu Massenmördern wurden und sich dessen nicht einmal bewusst waren.
Ja, so ist. Um das Unfassbare später begreiflich zu machen, hat man oft verbreitet, dass die Täter Bestien und völlig entmenscht waren. Das ist allerdings, bis auf einige wenige, die wirklich sadistisch und böse waren, nicht wahr. Der Wahrheit am nächsten kommt in diesem Zusammenhang das Buch von Robert Merlé "Der Tod ist mein Beruf", verfilmt unter dem Titel "Aus einem deutschen Leben" mit Götz George in der Hauptrolle.
@AllgaeuNeuling
Danke für deinen Beitrag. Nur schnell zur weiteren Klärung: Es gibt natürlich seit vielen Jahrzehnten alle möglichen Logiken, von denen ich leider wenig bis gar keine Ahnung habe. Aber hier haben wir es mit Aussagenlogik zu tun. Und mit dem Wahrheitsbegriff.

Hauptsächlich um den letzteren Begriff ging es den antiken und mittelalterlichen Denkern und Philosophen/Theologen, die du genannt hast. Und auch um Aussagenlogik im Sinne der Logik korrekten Denkens und Schlussfolgerns.

Ob es Wahrheit gibt (und nicht bloss beliebige Meinungen ("meine Wahrheit"), die angeblich jedem zustehen) ist keine Frage der Logik. Wir stimmen da völlig überein.

Bis weit ins 19. Jahrhundert ging es den meisten Philosophen nicht nur um Erkenntnis, sondern Philosophie sah man als unerlässlich, um richtig zu leben - Philosophie als Lebensform. Auch hier sind wir anscheinend einer Meinung.

Die Frage ist folglich nicht die, ob es Wahrheit bzw. überhaupt eine Wahrheit gibt, sondern die, welcher Wahrheitsbegriff der "richtige" ist und unser Handeln bestimmen sollte! Davon hängt nämlich auch die Frage ab, was als gerecht und als ungerecht empfunden wird

Genau. Ich würde sogar das Wort richtige hier nicht in Anführungszeichen setzen. Alle, die hier die Gleichberechtigung aller "eigenen" Wahrheiten propagieren, wollen es einfach nicht einsehen, was das für grauenhafte Folgen haben kann - siehe Nationalsozialismus, stalinistischer und Pol-Potscher Kommunismus, etc, etc. Sie scheinen dafür auf beiden Augen einfach blind zu sein.

Nur eine kleine kritische Bemerkung zum Wahrheitsbegriff. Was Nietzsche angeht, sind wir einer Meinung. Ich glaube aber nicht, dass Marx der Meinung war, wir selbst würden Wahrheit erst erschaffen.
@Jincandenza
Wer wäre dann Deiner Meinung nach diskursethisch in der Verpflichtung diesen Begriff des "performativen Selbstwiderspruchs" in Abgrenzung zum "logischen Selbstwiderspruch" zu präzisieren?

Ich selber - unter anderen. Ich hab's ja auch schon ein paar mal versucht, anscheinend mit sehr mässigem Erfolg.

Nochmal ganz kurz gesagt: ein logischer Widerspruch ist ein innersprachlicher Widerspruch (innerhalb der Syntax und der Semantik einer Sprache). Ein performativer Selbstwiderspruch ist ein Widerspruch zwischen dem Sinn und Zweck einer Sprachhandlung einerseits und dem semantischen Gehalt der Aussage andererseits, die in der Handlung gemacht wird. Die beiden zeitgenössischen Philosophen, die am meisten dazu gesagt haben sind K.-O. Apel und J. Habermas. Man könnte auch noch den Schüler von Apel namens Kuhlmann nennen.

Das Wort "performativ" hat hier kaum was mit Chomskys Unterscheidung von competence und performance zu tun. Viel enger ist die Beziehung zu der Sprechakttheorie wie sie von J.L. Austin und dann von John Searle entwickelt worden ist. Habermas und Apel bauen ja in ihrer Diskursethik auf dieser Theorie auf.
Zu den Leuten auf Gleisen
Kurze Anmerkung: Die Gedankenexperimente zu den möglichen Rettungsversuchen mit unvermeidbaren Opfern werden ja in der empirisch-psychologischen Forschungs zum Gerechtigkeitsempfinden von Menschen gemacht. Da gibt es bestimmt sehr viel Interessantes herauszufinden.

Die Ergebnisse beziehen sich aber immer nur auf das, was Leute faktisch über Gerechtigkeit in hypothetischen Situationen denken. In der Philosophie über Gerechtigkeitsfragen geht es aber um etwas anderes. Nämlich nicht um Faktisches, sondern darum, welche Gerechtigkeitsvorstellungen durch Argumente gerechtfertigt werden können. Und ob's überhaupt möglich ist, Gerechtigkeitsvorstellungen zu begründen. Das sind ganz andere Fragen als Fragen, was Leute tatsächlich als gerecht empfinden. Die erste Frage bezieht sich auf Tatsachen, die zweite auf Normen.
Das sind ganz andere Fragen als Fragen, was Leute tatsächlich als gerecht empfinden. Die erste Frage bezieht sich auf Tatsachen, die zweite auf Normen.

Im Grundsatz, ja.
Allerdings wird es rein praktisch keinen Sinn machen, wenn die Philosophie eine Norm finden sollte, die nicht mehrheitlich als gerecht empfunden wird.

So gesehen, ist die Findung einer Norm nicht sinnvoll möglich, ohne Beteiligung anderer Bereiche, gerade der Phsychologie.

Gestern notierte ich mir dazu noch folgendes:

Im Fall I töte ich mittelbar, im Fall II unmittelbar.

Da ich (ich persönlich) mir schwer vorstellen kann unmittelbar zu töten, erscheint mir jemand, der dessen fähig ist, als unmenschlich.

Dieses widerum hat einen Einfluss darauf, wie ich nun Fall I und Fall II spontan beurteilen werde.

Im Fall I erkenne ich eine menschliche Handlung mit denoch negativen Auswirkungen.
Im Fall II erkenne ich eine unmenschliche Handlung mit einer positiven Auswirkung.

Haften bleibt:

Fall I: menschlich
Fall II: unmenschlich
Betreff der Wahrheit
Morticia:
Ich KANN die Wahrheit eines andern für voll gültig nehmen, ohne meine eigene über den Haufen zu werfen. Das kann ich nur dann, wenn ich mich freimache von der Vorstellung, eine allerletzte, absolute Wahrheit sei möglich.

Das heißt aber eben gerade nicht, dass es KEINE Wahrheit gäbe.

An dieser Stelle ging mir ein Lichtlein auf.

Es ging ja (nur zur Erinnerung) um diese Geschichte:

Gerade gestern wurde ich zur Zuhörerin eines interessanten Gespräches zwischen zwei Menschen. Der Mann leidet seit Jahren an MS und hat für sich jenseits der strikten Schulmedizin mit diversen Ölen Wege gefunden, sein Leiden zu lindern. Er erzählt von einem lieben Freund, der an derselben Krankheit leidet; natürlich möchte er ihm helfen und gibt euphorisch das, was er für sich entdeckt hat, an den Freund weiter, indem er ihm die teilweise sehr teuren Öle schenkt und begeistert erklärt, wie sie anzuwenden sind.

Der Freund nun kann damit gar nichts anfangen, die Geschenke werden nicht geschätzt. Nun leidet der Mann, weil er nicht helfen kann und nicht versteht, warum der Freund die Hilfe nicht annimmt.

Wie steht es nun mit der Wahrheit?

Scheinbar wahr ist, dass die teuren Öle dem Mann halfen.
Der Mann machte einen Selbstversuch und es erfogte Linderung.
Try and Error.
Für den Mann ist der Zusammenhang wahr.

Tatsächlich könnte die Lindeung nicht durch die Öle erfolgt sein, sondern durch den Glauben an ihre Wirksamkeit (beispielweise, da sie teuer waren)

Was würde nun hieraus folgen.
Scheinbar wahr ist, dass der Glaube das richtige Mittel ist.

Für den Mann kann und darf dies keine Rolle spielen.
Zunächst ist nicht auszuschließen, dass die Öle ihm tatsächlich helfen.
Wenn es aber nicht die Öle, sondern der Glaube ist, so darf er seinen Glauben nicht verlieren.
Es folgt daraus, dass der Mann aus gutem Grund auf die Wahrheit der Wirksamkeit der Öle vertrauen kann/muss.

Gemäß der Deutung Morticias macht er nun den Fehler, von dieser, seiner Wahrheit, auf die Wahrheit im allgemeinen zu schließen.

An diesem Beispiel läßt sich dann erkennen, dass die Begrifflichkeit, meine Wahrheit, Deine Wahrheit, durchaus einen Sinn ergibt.

Der Fehler des Mannes besteht darin, diese Wahrheit zu objektivieren, obgleich gerade darin der Linderungsaspekt begründet sein könnte, er also gar nicht anders kann.

Ein anderer Fehler ist es dann, hieraus abzuleiten, dass eine Objektivierung im Grundsatz nicht möglich ist.
@Morticia
"Zwei Wahrheiten können sich nie widersprechen."
Galileo Galilei (1564-1642), ital. Physiker und Astronom

Wie recht der gute Mann doch hatte. Für die katholische Kirche war er natürlich eine echte Gefahr. Deshalb haben sie ihn ja auch unter Hausarrest gestellt. Wenigstens haben sie ihn nicht verbrannt.

Wenn eine Aussage objektiv wahr ist, kann es keine zweite objektiv wahre Aussage geben, die das Gegenteil behauptet. Als Wissenschaftler hat er das genau gesehen.

Zu den traurigen MS Fällen (ich weiss aus dem engsten Familienkreis, wovon ich rede):

Der Mann hat für sich das Heil gefunden und meint, das müsste auch für den Andern das Heil sein. Selbstverständlich ist das für ihn Wahrheit.

Dann ist er aber in seinem Denkvermögen ziemlich beschränkt. Seine Überzeugung, dass das, was ihm geholfen hat, jedem anderen helfen muss, ist eine reine Vermutung. Wie kann er diese pure Vermutung Wahrheit nennen?

Mit deiner Aussage bestätigst du wieder, dass für dich wahr sein and für wahr halten dasselbe ist. Das sagen alle strikten Relativisten. Das ist nunmal so, auch wenn du es nicht gern hast, eine Relativistin genannt zu werden.

Weiterhin lautet der Job, sich der Wissenschaft zu stellen. Die Wissenschaft sagt, das hilft nicht, aber ich fühle, dass es mir besser geht. Was ist also wahr?

Eine Wissenschaft, die was taugt, sagt genau das NICHT. Wenn es ihm besser geht, ist es Aufgabe der Wissenschaft, zu erklären, warum es ihm besser geht, obwohl man bisher vielleicht gedacht hat, was er macht ist wirkungslos. Es ist ja kein Zufall, dass immer mehr über Placeboeffekte geforscht wird. Und es könnte auch einfach sein, dass die bisherigen Theorien über die Wirksamkeit von Medikamenten falsch ist. Also nicht bloss ein Placeboeffekt vorliegt.

Ein lieber Freund hat mir gerade klargemacht, dass Logik faschistisch sein kann

Ich will deinem Freund nicht zu nahe treten, aber das halte ich wirklich für totalen Unsinn. Jedenfalls dann, wenn hier die Begriffe Logik und Faschismus in ihrem normalen Sinn gebraucht werden, und nicht bloss metaphorisch. Kannst du (oder irgend sonst jemand) mir sagen, wie Faschisten Logik für ihre Zwecke benutzt haben? Oder wie sie es hätten tun können?
@Thinkself
Allerdings wird es rein praktisch keinen Sinn machen, wenn die Philosophie eine Norm finden sollte, die nicht mehrheitlich als gerecht empfunden wird.

So gesehen, ist die Findung einer Norm nicht sinnvoll möglich, ohne Beteiligung anderer Bereiche, gerade der Phsychologie.

Volle Zustimmung. Oder besser gesagt: fast volle Zustimmung. Ich gehe nämlich davon aus, dass es auch in der Ethik Fortschritt und Lernfähigkeit gibt.

Wenn man z.B. die Strafjustiz im Mittelalter (und der in Ländern, in denen es noch gar keine Epoche der Aufklärung gegeben hat wie in Europa im 18. Jahrhundert) mit der in heutigen Demokratien vergleicht, dann sieht man doch wohl, dass es einen Fortschritt gegeben hat. (ich erinnere an Menschenrechte, Rechte der Frauen und Kinder, etc).

Wenn Gerechtigkeitsvorstellungen mehrheitlich sozialschädlich sind und unnötiges Leid verursachen, dann muss man Überzeugungsarbeit leisten, um eine Verbesserung zu erzielen. (Meine Wahrheit ist so gut wie deine Wahrheit hilft da nicht weiter).
**********_Gogh Mann
5.291 Beiträge
@******t46

Was ich damit sagen will, ist, dass es auch mit bezug auf Gerechtigkeit, und Ethik überhaupt, richtige und falsche Auffassungen, sowie gute und schlechte Gründe gibt. Und richtig heisst nicht: richtig ist halt das, was die Mehrheit für richtig hält. Also ähnlich wie bei empirisch wahr und falsch. Wahr ist nicht, was die Mehrheit für wahr hält. Die Mehrheit kann sich gründlich irren.

Die Idee von Demokratie wäre übrigens auch falsch verstanden, wenn sie davon ausginge, dass ein demokratischer Staat sich immer nach der Mehrheitsmeinung im Volk richten soll. Wenn die Mehrheit einem Diktator zujubelt, dann ist das noch immer keine Demokratie.


Wer legt denn "ultimativ" fest, was richtige und falsche Auffassungen sind bezüglich auf Ethik und Gerechtigkeit? Oder soll es jetzt hier doch unabhängig von Beurteilenden/von Subjekten Wahrheiten geben?

Und die Demokratie ist erst einmal nicht mehr und nicht weniger als das Herrschen der Mehrheit. Wie diese Mehrheit mit der Minderheit umzugehen hat, wird hier in keiner Weise berührt und stellt sicher ein Schwachpunkt der Demoratie dar (Stichwort Minderheitenrechte und -schutz). Die Demokratie geht mehr oder weniger bewusst das Risiko ein, dass die Mehrheit sich irren kann oder "falsche" Entscheidungen beschließt (wobei "falsch" hier von Außen betrachtet oder nachträglich/rückblickend betrachtet zu verstehen ist).

Dass vielleicht gewisse Dinge "wünschenswert" sind, ist eine Perspektivfrage, wo ich die Hoffnung habe, dass eine Mehrheit die Perspektive des Humanisten (etc.) einnimmt, da ich nicht an eine ultimative Wahrheit(en), Moral oder Ethik glaube.
Demokratieverständnis
Wir sind da offensaichtlich unterschiedlicher Meinung, was eine Demokratie ausmacht. Sie nur als Mehrheitsherrschaft zu bezeichnen würde, glaube ich, kein Politikwissenschaftler akzeptieren. Eine Demokratie, die den Namen verdient, müsste mindestens noch folgendes beinhalten:

Garantie der Grundrechte jedes Einzelnen gegenüber dem Staat,
gegenüber gesellschaftlichen Gruppen (insbesondere religiösen
Gemeinschaften) und gegenüber anderen Einzelpersonen

Gewaltenteilung zwischen den Staatsorganen Regierung [Exekutive], Parlament [Legislative] und Gerichten [Judikative]

Allgemeines und gleiches Wahlrecht

Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit

Vereinsfreiheit, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit


Wer legt denn "ultimativ" fest, was richtige und falsche Auffassungen sind bezüglich auf Ethik und Gerechtigkeit?

Anders als Apel mit seiner Diskursethik (Apel war mal lange mein Lehrer an der Uni Frankfurt) habe ich Zweifel, dass das "ultimativ" geht. Aber wenn sich zum Beispiel alle in der Gesellschaft darauf einigen können, dass unnötiges Leid vermieden werden sollte, dann gibt es wohl gute Gründe, bestimmte ethische Normen anderen vorzuziehen. Das ist dann keine Willkür.

Wenn allerdings einer fragt, warum soll ich unnötiges Leid vermeiden, habe ich keine "ultimativ" richtige Antwort. Ich kann nur an seine Einsicht appellieren.
Churchill zur Demokratie
Wollte als Nachtrag noch an den berühmten Ausspruch von Churchill erinnern:

«Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform,
ausgenommen all diese anderen,
die man von Zeit zu Zeit ausprobiert hat.»
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.