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Lob des Augenblicks

*****e_M Frau
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Themenersteller 
Lob des Augenblicks
Nachstehenden lesens- und nachdenkenswerten Artikel aus der FAZ habe ich in meinem Kunst- und Kulturthread bei den Flintenweibern gepostet......

Vielleicht findet er auch hier interessierte Leserinnen/Leser...

LG, Odette


Lob des Augenblicks - Kolumne aus FAZ vom 27.01.12



Auch das smarteste Telefon kann nicht mehr, als unseren Alltag planen und organisieren. Erleben müssen wir ihn schon selbst - ohne digitale Mätzchen.

Von Stefan Schulz

Dinge finden nicht statt, wenn sie sich nicht vorher bequem mit dem Telefon planen lassen: Erleben ist im Zeitalter der Smartphones nur noch schwer möglich



Es waren zwei starke Sätze, die Peter Sloterdijk zum Ende eines Fernsehinterviews im Schweizer Fernsehen sagte. Mehr als eine Stunde war das Gespräch mit dem Philosophen gelaufen. Als die Kamera beinahe schon abblenden wollte, wurde er gefragt, wie man wenigstens ein paar der vielen philosophischen Ideen in den Alltag retten könne. Und ganz salopp sagte er: „Man darf den Begriff ,Alltag’ nicht in sich einlassen. Sobald man denkt, heute ist Alltag, hat man mit dem Angebot des Moments keinen guten Umgang.“ Wir kennen sein Argument: wenn schon Routine und Wiederholung, dann wenigstens als bewusste Übung. Aber wenn wir es doch kennen, warum ignorieren wir es?

Man darf Peter Sloterdijk widersprechen. Tut man es aber, ehrlich sich selbst gegenüber, nicht, dann erkennt man: Der Alltag hat gewonnen und der Augenblick verloren. Wir sind nicht mehr bereit, uns auf Momente einzulassen, und wir haben es verlernt, sie zu erleben. Wir sind so gut darin, unseren Alltag zu meistern, dass wir die Angebote der Augenblicke missachten.

Es ist nicht mehr der Anrufer, der uns stört

Begonnen hat es wahrscheinlich mit dem Einzug des Telefons in den Alltag. Telefongespräche beginnen einfach, sie kündigen sich nicht an, und sie zerstören, selbst, wenn sie unbeantwortet bleiben, seit Anbeginn Augenblicke; sie reißen aus Gesprächen mit anderen und aus Gedanken mit sich selbst; sie passieren einfach, rücksichtslos und fordernd. Die zur absurden Kulturübung gewordene Frage, ob man mit einem Anruf störe, versteckt sich zwar im Kostüm der höflichen Antizipation; doch in ihr kann kaum eine Achtung des Augenblicks stecken. Die Höflichkeit bleibt allein Aufgabe des Angerufenen: Nein, natürlich störe der Anrufer nicht, sagt man, weil man denkt: Jetzt ist es doch eh zu spät.


So schlimm war es 1990. Heute ist es katastrophal. Mittlerweile begleiten uns die Telefone überall hin. Sie klingeln, blinken und vibrieren unentwegt. Sie lassen uns nicht mehr in Ruhe. Erstaunlicherweise ist es aber nicht mehr der Anrufer, der uns stört. Nach Jahrzehnten des gemeinsamen Leidens wird es inzwischen durchaus akzeptiert, einen Anrufer zu ignorieren, weil die Mailbox einspringt oder das Registrieren des Anrufversuchs oft schon reicht. Auch das Ausweichen in die Textnachricht ist heute bequem.

Es ist alles ausgereizt

Aber den Augenblick rettet das nicht - im Gegenteil: Die modernen Telefone zerstören ihn noch ganz anders. Inzwischen sind wir es selbst, die die Eigenrechte der Situation einfach übergehen, ohne auch nur einen Gedanken an die Potentiale des Moments zu mobilisieren. Mitdenken ist kaum mehr notwendig, weil alles schon geplant wurde. Miterleben ist nur noch schwer möglich, weil wir, an der Planung orientiert, in Gedanken schon längst der aktuellen Situation enteilt sind. Welches ist das optimale Ziel, und wie verläuft die perfekte Route dorthin? Wer auf diese Fragen nicht mindestens eine konkrete Antwort hat, bewegt sich kaum noch. Dinge finden nicht statt, wenn sie sich nicht vorher bequem mit dem Telefon planen lassen. „Auf gut Glück!“ ist ironischerweise nur noch ein Button auf der Google-Suchseite, den niemand benutzt.

Wir fahren nicht mehr in fremde Städte, ohne sie uns vorher im Luftbild anzusehen. Wenn wir eine Adresse kennen, sehen wir uns schon am heimischen Computer an, wie es dort aussieht. Und wenn wir mit dem Bus fahren, wissen wir schon vor der Abfahrt, wann er wieder zurückfährt. Wollen wir uns überraschen lassen, dann gehen wir „shoppen“. Überall sonst bedeuten Überraschungen Enttäuschungen. Weil die Realität, wenn sie von der Planung abweicht, nur Probleme im Ablauf des Alltags verursacht, fürchten wir sie. Die Perfektion eines mit dem Telefon zusammengeklickten Plans kann durch die Wirklichkeit nicht mehr übertroffen werden. Es ist alles ausgereizt.

Konsultierung einer Maschine statt Kommunikation

Wir vertrauen der Idee, dass wir fürs Gelingen des Alltags nur alles wissen müssen, sammeln dieses Wissen im Vorfeld und geben unsere Sensibilität für Augenblicke verloren. Wozu sollten wir sie noch brauchen? Unsere Telefone und das Internetweltwissen geben den Rahmen der Möglichkeiten vor, die Aktualität des Augenblicks spielt für die Technologie keine Rolle, für uns also auch nicht. Die Fähigkeit zur Improvisation verkümmert, während Google Maps in der Hosentasche vibriert, um uns zu sagen, dass wir demnächst abbiegen sollen. Aber was wollen wir heute noch mehr, als einen Weg bewältigen, um ein Ziel zu erreichen? So wurden alle Alltagsprobleme Planungsprobleme, und sie lassen sich durch Technologieeinsatz lösen.

Dieser Glaube beginnt schon, wenn E-Mails geschrieben und gelesen werden. Entgegen der gängigen Auffassung ist das Lesen einer E-Mail viel weniger Kommunikation mit Menschen als Konsultierung einer Maschine. Während wir eine E-Mail lesen, müssen wir nicht darüber nachdenken, wie wir die Situation erfolgreich meistern. Der Autor der Mail ist nicht anwesend. Es sind keine Höflichkeit, keine Dankbarkeit, kein Taktgefühl und kein Humor notwendig. Die Maschine wird dafür immer unempfänglich bleiben. Im Umgang mit ihr besteht nie das Risiko des Scheiterns einer Situation. Es besteht aber auch nicht die Chance, das irgendetwas anderes, noch Undenkbares, vielleicht Konstruktives geschieht.

Wie die Japaner handhabt man es heute überall

Die Orientierung an der Maschine verschafft Sicherheit, mit der sich vieles, nicht aber das Elementare gewinnen lässt. Die Soziologen Eva Illouz und Jean-Claude Kaufmann beschreiben es am Beispiel der Liebe in Zeiten des Internets: Wir tauschen Intuition und Gefühl gegen Rationalität und Kalkül. Wir lassen uns nicht mehr unbefangen auf die Momente ein, in denen Liebe ihren Ursprung findet. Es gibt keine Blind Dates mehr. Spätestens nach dem Treffen gerät der persönliche Eindruck in Mitleidenschaft einer neugierigen Internetrecherche, die für sich bleibt. Das gemeinsame Erlebnis wird dabei eine verblassende Erinnerung.

Und dann passiert er trotz allem, der Augenblick. Doch statt ihn einfach zu erleben, zücken wir unser Telefon und versuchen ihn zu dokumentieren. Es ist noch nicht lange her, da machte man sich noch über japanische Reisegruppen lustig. Sie ziehen noch immer durch Europa, um nichts anderes zu tun, als zu fotografieren. Sie erleben ihre Reisen gar nicht, sondern lassen sie sich später von ihrer Technologie erzählen. So handhabt man es heute überall.

Mehr als nur dabei sein

Für viel Geld kauft man sich ein Konzertticket seiner Lieblingsband, um dann vor Ort eine möglichst gute Dokumentation des eigenen Dabeiseins anzufertigen. In jeder in die Höhe gereckten Hand steckt heute ein Telefon. Die Augen werden nicht mehr auf die Bühnen gerichtet, sondern auf die Displays. Man hat die falsche Angst, den richtigen Augenblick zu verpassen. Und man belügt dabei nicht nur sich, sondern auch alle anderen. Die erfolgreichsten Apps für die modernen Telefone sind die, die uns anbieten, den Augenblick unseres Erlebens zu archivieren und der Welt mitzuteilen. „Instagr.am“ zum Beispiel ist eine kleine Software, die aus durchschnittlichen Schnappschüssen eindrucksvolle Bilder zaubert und sie der Welt präsentiert. Die mit ihr entstehenden Bilder sind oft kleine Kunstwerke, sie bilden aber nichts Wirkliches ab, sie halten keine Augenblicke fest, sie helfen nicht beim Erinnern - sie stehen nur für sich. Sie kreieren einen ganz eigenen Gehalt.

Bei dieser Software fällt es auf, doch im Grunde ist dies das Schicksal jedes Versuchs, mit Hilfe von Technologie einen Augenblick zu archivieren. Das Besondere am Augenblick ist seine Flüchtigkeit, und die lässt sich nicht festhalten. Wer sein Erleben eintauscht gegen das Anfertigen einer Erzählung, verpasst sie. Erleben ist mehr als nur dabei sein. Es erfordert Bewusstsein. Man muss sich entscheiden, für eine eigene Erinnerung oder eine fremde Erzählung.

Kein guter Umgang mit dem Angebot des Moments

Das Facebook-Zeitalter macht es schwer, diese Entscheidung überhaupt noch als solche zu erkennen. Es gilt als viel zu selbstverständlich, Augenblicke zu dokumentieren und in einen „Life-Stream“ einzuspeisen. Wir möchten unseren Liebsten mitteilen, wo wir sind und was wir tun. Wir möchten sie wissen lassen, dass alles in Ordnung ist und dass wir Spaß haben. Für diese Mitteilungen suchen wir uns gerade die schönen Momente aus und verpassen sie dadurch.

Facebook hat darauf schon reagiert. Mit dem neuen Service „Timeline“ soll der Verlust des Augenblicks kompensiert werden. Wenn wir unser Leben nur fleißig dokumentieren, werden sie die Erzählung nachliefern. Niemals wieder soll ein Augenblick verlorengehen - das ist die verheißungsvolle und trügerische Devise aller Beteiligten. Dreißig Stunden Videomaterial werden heute pro Minute auf Youtube geladen, 300.000 Statusmeldungen werden pro Minute auf Facebook geschrieben und nur ein paar weniger Tweets. Das zeugt von keinem guten Umgang mit dem Angebot des Moments.

Vieles von dem, was wir heute tun, beruht auf den Potentialen der modernen Technologien. Doch es geht nicht nur darum, was alles sein kann, sondern auch darum, was ist.
ja...
...das ist ein sehr interessantes thema-- ich hatte selbt schon überlegt, etwas ähnliches als thema vorzuschlagen---- wer diesen artikel gelesen hat und etwas konsequenter ist als ich, der loggt sich jetzt aus, schalten den pc ab und widmet sich all den schönen dingen, die er eigentlich schon lange mal machen wollte... das chello ausgraben, den pinsel mal wieder zur hand nehmen.......----

ich bin auch froh, dass ich mich schon seit jahren von uhr und handy getrennt habe..... seit dem nervt mich kein handy mehr im falschem moment, noch verfolgt mich das paradoxon einer angeblich linearen zeit...-die zäh dahinfließen aber auch rasen kann...vielleicht ist das ja auch ein ganz großes thema, die auswirkungen einer linearen zeitfixatur (sagt man das so?) auf ganzheitlich fühlende wesen...

tja und das internet... die bedeutendste erfindung des 20. jahrhunderts, --- es ist wie atomkraft, so nützlich es sein kann, so zerstörerisch auch...-ein fluch als auch ein segen....(wieso muss ich immer so verallgemeinern...)- aber was soll ich dazu sagen-- es liegt doch auf der hand, dass es nur darauf ankommt, was wir daraus machen... ---letztenendes wurde der verlust des augenblicks ja schon als negative auswirkung beschrieben und ich denke, das kann fast jeder, der ein bisschen über die dinge die geschehen nachdenkt auch so unterschreiben.... also geht es meiner meinung nur noch darum, was kann getan werden, um die menschheit vor dem fortschreitenden verlust dessen zu bewahren.... ansonsten kann auch darüber diskutiert werden, ob das internet als erfindung des menschen nicht genau so natürlich ist wie alles, was existiert natürlichem ursprunges ist, weil es ja, sofern wir einer urknalltheorie und einem urgesetz oder einer urstruktur, aus welcher sich das universum entwickelte wie ein apfelmännchen...also sofern wir daran glauben kann nur alles natürlich sein... allerdings und jetzt kommt wieder eine besonderheit: wir menschen können unsere realität und unsere welt formen, fast wie es uns beliebt-- jetzt liegt es also an uns, zu etscheiden, ob sich aufwand und nutzen lohnen um aktiv zu gestalten und das geschieht indem ich einen fuß vor dem anderen setze, aber auch wenn ich auf der tastatur rumtippe--- glaube ich jedenfalls

die technologisierung unserer welt ist kein fluch, sondern eine herausvorderung--- das wird allen klar sein...

und der verlust des augenblicks ist keine erfindung unserer zeit... die technick bietet nur neue möglichkeiten, dem augenblick und damit der verantwortung zu entkommen--......
Da steckt ein echtes Moment drin, in diesem Thema! Vielen Dank an dieser Stelle auch für das kontinuierliche Engagement in Sachen Kulturtips!

Einiges liegt ja wirklich auf der Hand – oder in der Hand, wie das Handy – wie beispielsweise das völlig selbstverständliche Hinnehmen von Unterbrechungen, das vor wenigen Jahren noch undenkbar war.

Was ich gerne weiterverfolgen würde, ist die Frage nach der Stichhaltigkeit des Argumentes mit dem Moment; ist es wirklich ein so tiefgreifender Wegfall des Moment-Erlebens, der hier angeprangert wird? Oder ist es eher eine Übertreibung, die mit einem fragwürdigen Konzept der authentischen Erlebnisfähigkeit des Hier und Jetzt arbeitet?
*********uptas Mann
452 Beiträge
Dem Angebot des Momentes…
…wird nur dann schlecht gedankt, wenn wir uns selber zu den Sklaven unserer Werkzeuge machen. Und die Hoffnung dass die Mehrheit der Menschen den Wunsch verspüren zu bewußterem Leben zu streben ist einen endendwollende.
In diesem Sinne kann ich @*****ski nur zustimmen
und der verlust des augenblicks ist keine erfindung unserer zeit... die technick bietet nur neue möglichkeiten, dem augenblick und damit der verantwortung zu entkommen--......

danke auch
Dreißig Stunden Videomaterial werden heute pro Minute auf Youtube geladen, 300.000 Statusmeldungen werden pro Minute auf Facebook geschrieben und

faszinierend! all das, was wir unmöglich je verfolgen werden können, all das wird uns entgehen, weil es neben den unzähligen gestapelten zeitebenen eine uhr gibt, die tickt.
verwandtes verleitete mich zu "irrealis".
ein trost: eines tages wird den einen oder anderen die beim nicht-mehr-handhaben-können ereilende panikattacke dazu bringen, mal alles stromgesumme abzuschalten.

der artikel generalisiert und peter auch, wie immer. also wird auch über-trieben und über das einzelne jeweils selegierende system hinwegkonstruiert. ich selbst denke, das authentische jetzt-erleben ist a priorisch dahin. seit der erfindung der sonne guckt man schon auf die uhr und auf morgen.
Der Artikel eines konservativen Technikfeindes.

Sind die Fixierung des Motivs auf dem Display, das zoomen in dieStatellitenansicht, ja, das Beobachten des uploads keine bewusst erlebten Momente? Was dann? Bewusstlosigkeit?
Wer hat das Recht, anderen vorzuschreiben, wie und mit welchen Sinnen oder Geräten sie den Moment bewusst zu erleben haben?
Seit den ersten Höhlenmalern bis zu den Schriftstellern, Maler, Fotografen usw. unserer Tage gab es schon immer Menschen, deren Erlebnis des Momentes in seiner Abbildung bestand. Die Technik gibt uns die Möglichkeit, nebenher, ohne besondere Konzentration, ein Abbild zu erstellen, zu bewahren und beliebig zu verteilen. Hat das empor gereckte Fotohandy schon einen einzigen Menschen vom Genuss des Geschehens in den Ohren und auf der Bühne abgehalten?

Ich lebe ohne Gigabyte-Anbindung, Smartphone, Fotohandy, Digicam und Navi extrem untertechnisiert für hier und jetzt. Doch die negative Sichtweise des Autors will und kann ich nicht teilen.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
. also wird auch über-trieben und über das einzelne jeweils selegierende system hinwegkonstruiert.

Wie der Alltag eines jeden Journalisten, so wird auch der eines FAZ Kolummnisten von den weltuntergangsszenarischen Momenten getragen.Wie anders würde sich sonst eine Zeitung in momentlosen Zeiten auch verkaufen ?
Dass Dieser sich als Lösungsansatz zur Weltrettung auf einen Philosophen beruft, ist zwar löblich, dennoch scheint das Beispiel 'mediale Technik als Musenkiller' an den Haaren herbeigezogen.
Jeder technische Fortschritt schafft neue Schwierigkeiten, Möglichkeiten, Fähigkeiten und Ansprüche. Gleichzeitig besteht immer die Gefahr, dass dadurch vorhandene Fähigkeiten verkümmern. Einen Brief von den Gedanken direkt auf Papier zu bringen, würde mir unsägliche Mühe bereiten. Und ich bezweifle, dass ich mit dem Ergebnis ohne die digital verfügbaren Korrekturmöglichkeiten zufrieden wäre. Ist das durch die vorhandenen Möglichkeiten gezüchteter Perfektionismus?
Daß es sich gleich um einen Feind der Technik handeln muss, halte ich für unangemessen. Für übertrieben halte ich zunächst die Ansicht, daß diese IT-Geräte vom Erleben entfremden, obwohl auch ich einen bedenkenswerten Einfluss sehe, der ihnen zugestanden wird. Es ist allerdings auch eine verhältnismäßig neue Technik, die eine Faszination ausübt.

Die Möglichkeit, von überall aus telefonieren zu können, ist immer noch etwas, das einen gewissen sex appeal hat. Es ist immer noch geil, über diese Freiheit zu verfügen. Es hat etwas zu tun mit Selbstbestimmung und auch mit Macht. Wir sind nunmal sehr empfänglich für Dinge, die uns Macht verleihen. Und ein Ende der Entwicklung machtvoller Progrämmchen ist ja auch nicht abzusehen.

Ich habe zum Beispiel neulich auf der Applesite den Spot für das neue iPhone angesehen und konnte ein Gadget kennenlernen, dem ich sagen kann, daß es einen festgesetzten Termin um eine Stunde verschieben soll. Und was tut es? Es sagt mir, daß es zu dieser Zeit bereits einen anderen Termin gibt. Und so weiter. Für mich als Fastfünfziger wird das noch eine andere Sache sein, aber auch Jugendliche werden sich dem Sog dieser Technik aus einem ähnlichen Grund wie dem meinen kaum entziehen können; die Anziehungskraft, die von der Manipulation, vom Beherrschen von Technik ausgeht, die so überaus machtvoll ist. Man denke an den Bordcomputer HAL aus "Odysse im Weltraum"

Das kaufen wir anscheinend gern mit vergleichsweise bedeutungslosen Unterbrechungen des Augenblicks ein, denn diese Unterbrechungen selbst kommen mit einem (noch) höheren, interessanteren Wert daher.
****e_H Mann
8.282 Beiträge
@ Odette_M
Vieles von dem, was wir heute tun, beruht auf den Potentialen der modernen Technologien.
Dieses Zitat übertrug ich aus Deinem Posting zum Thema bei den Flintenweibern.Leider hast Du es uns Philosophen hier vorenthalten, obwohl es wesentlich zum Thema ist.
Dazu noch eine Schlagzeile aus einer Lokalzeitung von vor wenigen Tagen (aus dem Gedächtnis)
'Fußgänger von Auto überfahren, weil er (der Fußgänger)vom Handy abgelenkt war'
Scherz: bezeichnenderweise war es ein Mann.Schon gendermäßig benachteiligt in der Klischeerfüllung, dass Frauen zu Multitasking (=Mehrprozessbetrieb) eher befähigt seien.In der Tat sehe ich gewöhnlich im städtischen Alltag wesentlich mehr Frauen mit einer Hand am Ohr das Handy haltend, als Männer. Ein Habitus, eine Körperhaltung für die man noch vor 30 Jahren auf der Stelle unter psychiatrische Beobachtung gestellt und eingeliefert worden wäre.
Scherz Ende.:-)

Wollen wir aber philosophisch einen Zusammenhang zwischen technologischer Entwicklung und deren Auswirkungen auf des Menschen
(Zeit)gefühle herstellen, so dürften wir unsere Argumente nicht subjektiv und einschränkend nur aus der modernen IT schöpfen, sondern wir müssten uns zurückbesinnen bis auf die Erfindung des Rades (z.B) ?
*****e_M Frau
8.550 Beiträge
Themenersteller 
Auch wenn ich mich heute Abend gar nicht voll gedanklich auf das Thema einlassen kann, doch ganz kurz eine Meldung von mir.

Ich betrachte den Autor des Artikels nicht als Technikfeind, sondern er unternimmt den Versuch, ein Spotlight anzuknipsen.

Er rüttelte mich ein wenig auf. Das hat mir gefallen.....und macht mich nachdenklich.
*****e_M Frau
8.550 Beiträge
Themenersteller 
@uncle_h
Vieles von dem, was wir heute tun, beruht auf den Potentialen der modernen Technologien.
Dieses Zitat übertrug ich aus Deinem Posting zum Thema bei den Flintenweibern
.....


Das ist doch mein vorletzter Satz im zitierten Text......... Was soll da nun fehlen??
****e_H Mann
8.282 Beiträge
Sorry, hab's überlesen.
Ich glaube im anderen Post ist's in fetter Schrift.
*grins*
Da ich diese Geräte bewusst nicht benutze und mich auch dem Umfeld entzogen habe, das sie geradezu fordert, habe ich einen gewissen Abstand zu den von ihnen ausgehenden Gefahren.

Ich brauche keinen FAZ-Kolumnisten, der mich mit harten Worten aus der Illusion reißt, diese Geräte wären das Leben. *zwinker*
*****e_M Frau
8.550 Beiträge
Themenersteller 
......entzogen hat man sich wohl eher nicht, wenn man hier im JC aufschlägt *zwinker*
Ich befinde mich in der Gruppe Philosophie und mithin nicht in einer Gruppe Selbstdarstellung. Ob ich nun IT-Gadgets benutze oder nicht, sollte für für die Beurteilung bestimmter Gegebenheiten keine Rolle spielen. Die vermeintliche Unabhängigkeit von technischen Alltagsgegenständen soll die ursprüngliche, authentische Lebensweise von McDoodle dokumentieren. Dabei ist er selbst nicht alt genug, um eine historisch begründete Verlässlichkeit seiner Selbstdarstellung hinreichend zu untermauern. Er ist zu einer Zeit geboren, in der es bereits kabellose Telefone gab. Es handelte sich zwar um Geräte, die im Hausflur an der Wand angebracht waren (deshalb kabellos), aber es waren eben Telefone, die genau wie die Handys zur Unzeit klingelten.
Eine weit verbreitete Sichtweise, die Oberfläche zu betrachten und abzulehnen.

Die Frage dahinter ist, inwieweit mensch sich Erkenntnissen und Errungenschaften entziehen kann oder entziehen muss, um Individuum zu sein; die Weiterführung des Gedankens, ob Mensch aus sich selbst heraus ist und sein kann, oder ob Menschsein darin besteht, dass er Mitglied der Gattung und der Gesellschaft ist. Hat die moderne Kommunikationstechnik daran etwas geändert?
Kaspar Hauser fällt mir ein.

Abgesehen davon, dass ich wortlose Youtube-Links in dieser Gruppe nicht unbedingt für angebracht halte, suche jetzt ich nach dem Zusammenhang mit dem Thema.
ich denke, dass eine videobotschaft durchaus angemessen sein kann... auch und manchmal gerade unkommentiert --- es soll ja nicht darin ausarten, dass jeder 2. beitrag ein video wird, aber dieses passt doch wunderbar zum thema...
Alles klar, ich musste zuerst den Extremdenk-Modus verlassen. *zwinker*
ich glaub, den hab ich heute noch garnicht betreten.... *zwinker*
Eine weit verbreitete Sichtweise, die Oberfläche zu betrachten und abzulehnen.

Zur Rehabilitation der Oberfläche gibt es das Buch "Lob der Oberflächlichkeit – Für eine Phänomenologie der Medien" vom Bollmann-Verlag.

Individualität ist - als Funktion einer Technikverweigerung bzw. einer Enthaltsamkeit von Kommunikationstechnik – eine reaktionäre Interpretation des Menschseins. Ich meine, den Ansatz McDoodles verstehen zu können, der auf einen Freiheitsbegriff zu zielen scheint, nach dem ein Mensch als von technischen Instrumenten unabhängig gedacht wird.

Dem kann ich prinzipiell zustimmen, allerdings mit dem Zusatz, daß dieser so gedachte Mensch aufgrund seiner inneren Autonomie und freien Selbstbestimmung in der Lage ist, die technikbasierte Kommunikation zu beherrschen und für sich zu nutzen. Die Art und Weise, in der er das tut, wäre dann ein Spiegel seiner Individualität.
Sie hat Telefon, also ist Doris.
Profilbild
****ia Frau
22.095 Beiträge
Freiräume schaffen!

Tage ohne Elektronik.
Ohne Uhr, ohne Telefon, ohne Internet.

Leben nach der inneren Uhr.

Ohne Fernsehen und Radio.

Essen, wenn der Magen knurrt.
Schlafen, wenn ich müde bin.
Lachen, weil mir danach ist.

Das sind für mich die essentiellen Dinge im Leben.
Freiräume schaffen!

Tage ohne Elektronik.
Ohne Uhr, ohne Telefon, ohne Internet.

Leben nach der inneren Uhr.



Ohne Fernsehen und Radio.

Essen, wenn der Magen knurrt.
Schlafen, wenn ich müde bin.
Lachen, weil mir danach ist.

Das sind für mich die essentiellen Dinge im Leben.

Das sehe ich so:

Freiräume schaffen!
Ohne Uhr.

Leben nach der inneren Uhr.

Essen, wenn der Magen knurrt.
Schlafen, wenn ich müde bin.
Lachen, weil mir danach ist.
Fernsehen, Radio, Internet, wenn mir danach ist.

..............................................................

Grundsätzlich sehe ich nicht in der modernen Technik den Feind des Augenblicks, sondern in der Vor-/Verplanung unserer Zeit.
Und dieses ist keineswegs ein neuartiges Problem.

Man müsste die Kinder und die Jugendlichen zu Rate ziehen, wie sie zu diesem Thema stehen.
Etwas hat sich geändert in unserem Leben und in unserem Erleben und wir suchen nach griffigen Erklärungen und leichten Antworten.

Wir wurden älter, dies eine unbestrittene Tatsache.
Älter zu werden bringt so einiges mit sich, im allgemeinen v.a. einen großen Zuwachs an termingebundener Zeit, sodann einen Zuwachs an Selbstverständlichkeiten, der mit einem Verlust zur Fähigkeit des Staunens und Verwunderns einhergeht und damit direkt zu einem Qualitätsverlust des Augenblicks führt.

Als Jugendlicher musste man sich nicht verabreden - man traf sich, bzw. man verabredete sich nur lose, die Treffpunkte waren ja bekannt.
Nichts anderes machen die Jugendlichen heute, nur mit anderen technischen Hilfsmitteln.
Die Zeit von uns Älteren erscheint uns zu kostbar, alsdass wir uns unverbindliche Treffen erlauben könnten, also terminieren wir auch unsere Freizeit und genau deshalb verpassen wir den Augenblick.

Wenn sich dann ab und an doch mal wieder etwas ganz spontan entwickelt, stellen wir fest, dass es doch so am schönsten ist um sogleich einen Termin für das nächste 'spontane' Treffen auszumachen.

Nein, nicht die Technik ist das Problem - WIR sind das Problem; und da wir dieses nicht sein wollen, suchen wir uns einen Schuldigen.

Damals wie heute gilt eigentlich nur eines:

Wer Angst hat etwas zu verpassen, der verpasst das Leben.

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