-seufz-
Wir müssen das mit dem "absolut" geklärt bekommen. Absolut, universell, göttlich...
von Westost46
Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn die Massstäbe nur "intern" gelten, warum will irgendjemand die bestehenden Massstäbe ändern? Massstäbe sind nicht ein für alle mal festgelegt.
Aber wenn nun jemand etwas verbessern will, dann muss er an einen übergeordneten Massstab appellieren können, von dem er hofft, dass er rational einsehbar ist, und zwar unabhängig von dem "selbstorganisierenden System", in dem er sich gerade befindet.
Ich verstehe, was Du damit sagen willst. Es fällt mir nur sehr schwer, das gut genug zu erklären. Ich sage mal, die Problematik liegt in der "Höhe" des übergeordneten Maßstabes.
Als Relativist hat man nicht die geringste Chance! Das ist doch offensichtlich. Man hat doch überhaupt keine ARGUMENTE. Argumente brauchen einsichtige Gründe (Habermas redet von "zwanglosen Zwang des besseren Arguments"). Wer keinen einzigen Grund angeben kann, warum Diktaturen wie die der Nazis verbrecherisch sind, hat sich doch alle Mittel zur Überwindung selber weggenommen.
Das ist eben so nicht richtig. Das ist vollkommen falsch verstandener Relativismus. Natürlich gibt es Argumente und - mea culpa - übergeordnete. Vielleicht ist das Problem auch hier wirklich die Höhe des übergeordneten Maßstabes, aber das ist in meinem Beispiel simpel z.B. der Apell ans Gemeinwohl. Es sind Argumente, wie das sozale Leben für die Gruppe bzw. die Gesellschaft besser wäre. Etwas, was immer wieder mit den unterschiedlichsten Argumenten in die unterschiedlichsten Richtungen versucht wurde. Ob religiös, ob faschistisch, ob kommunistisch, ob kapitalistisch, immer wieder wurde versucht, zu behaupten, da wäre ein richtiger Weg.
Teilweise wird behauptet, es wäre göttlich, es wäre absolut, es wäre universell, dass der eigene Weg der Richtige ist, aber keiner hat dafür einen Beweis.
OK. Fangen wir noch mal an (ich denke, da ist irgendwo ein Missverständnis):
Wenn es Gott (einen Gott oder mehrere), etwas göttliches o.Ä. gäbe, dann könnte Gerechtigkeit, Wahrheit, etc. als letzliche Weisheit existieren und die Frage wäre, wie die Menschen an diese Erkenntnis kämen. So hat man lange Zeit in der Geschichte der Menschheit (der Philosophie) gedacht. Da gäbe es "absolute" Dinge wie eben allgemeine Wahrheiten, allgemeine, universell geltende Gerechtigkeit, etc. Auch, wenn es keinen Gott gäbe. Die Menschheit oder wer auch immer müsste dann diese Wahrheit nur freilegen.
Interessanter Weise wird das ja u.a. von Westost sogar bejaht.
Also haben wir doch immer wieder Zustände, dass es also diese letztendlichen Wahrheiten, letztliche Gültigkeit von Aussagen, Ur-Gerechtigkeiten nicht gibt.
Wenn also irgendwer ankommt und behauptet, er habe so eine Wahrheit, egal ob Christ, Faschist, Esoteriker, Anarchist, Kommunist, Kapitalist... auch der Relativist ... jeder hat Argumente, mit denen er versuchen wird, andere zu überzeugen. Wer aber dann behauptet, eine aboslute Wahrheit zu haben und die anderen seien nur zu dumm, blöd, blind, ... diese nicht zu sehen, der präsentiert i.d.R. nur heiße Luft, ob die dann "Bible" oder "Wort Gottes" heißt, oder andere fundamentalistische Glaubenssätze, die man nun glauben kann oder auch nicht, die aber keinen wirklich Beweis darstellen oder liefern.
Beispiel:
a) gegen die Todesstrafe
Hier gibt es viele Argumente. U.a. soll keiner das Recht über das Leben eines anderen Menschen haben. Auch ein Richter nicht. Das Leben soll unantastbar sein. Es wird als falsch und unmenschlich angesehen, die Todesstrafe zu vollziehen.
"Nettes", anderes Argument: die Todesstrafe wäre ja eine "zu schnelle" Bestrafung. Da ist längere Haft quälender und der Tod würde ja die Strafe verkürzen...
Es gibt sicher noch mehr Argumente.
b) für die Todesstrafe
Wer Leben auslöscht, hat auch sein Leben verwirkt und muss es, in angemessener Berücksichtung mildernder Umstände, verlieren. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Mindestens bei schweren Verbrechen. Ein Hitler hat kein Weiterleben oder eine Resozialisierung verdient. So jemanden leben zu lassen beleidigt die Opfer.
Es gibt sicher noch mehr Argumente.
Aber diese Argumente sind eher Meinungen. Weder aus dem einen, noch dem anderen kann ich wirklich etwas herleiten. Oder ich kann. Das ist i.d.R. etwas - ganz besonders der Gefühlssache - des Botschaftsempfängers. Nur: wer hat jetzt hier mehr recht?
Soll es etwa ein "übergordnetes" (absolutes) Recht bzw. eine entsprechende Gerechtigkeit geben, die es letztlich "richtig" entscheidet? Ist es dann pro oder contra Todesstrafe?
Aber ist das so?
Die Nazis handelten insbesondere daraus, dass sie sich für das Auserwählte Volk hielten und andere Völker für Minderwertig. Hätten die Nazis den Krieg gewonnen, sinngemäß die Welt erobert bzw. unter ihre Kontrolle bekommen, welches Recht hätten sie u.U. wirklich für die nächsten 1.000 Jahre aufgestellt? Und es wäre von der Mehrheit für Recht und gerecht gehalten worden. Alleine schon, weil durch Kindererziehung etc. ein gleichgeschalteter Staat geschaffen worden wäre, in dem es ein andersdenken doch nicht gegeben hätte.
Es ist simpel zu behaupten, man habe Recht. Weil dass so sei. Und wer würde schon sagen, dass es ev. mehrere Varianten unterschiedlichen Rechts geben könne?
Der Kapitalist meint, er macht alles richtig. Der Kommunist/Sozialist sieht das Recht auf seiner Seite. Wer hat denn nun recht? Pro oder contra Todesstrafe? Der Faschist oder Antifaschist? Verbrecher dauerhaft wegschließen oder resozialisieren?
Unrecht wird immer nur aus der anderen Perspektive erkannt, denn wer sich im Recht fühlt, wird i.d.R. blind für die Argumente anderer. Wenn es aber keine "absolute" Wahrheit, kein "absolutes" Recht gibt, wo soll dann ein doch allgemein wahres, gültiges herkommen?
Aus dem Subjekt heraus. Aus dem jeweiligen!
Der Nazi hat (aus meiner Perspektive mehr als "leider") da seine Ideen und Vorstellungen und versucht sie durchzusetzen und das nicht immer mit Argumenten. Das Recht des Stärkeren. Unter Umständen bis zur letzten Konsequenz. Hitler hatte sogar diese im Gegensatz zu manch Schergen von ihm. Mit dem verlierenden Krieg sah Hitler selber das deutsche Volk als nicht wert zu überleben! Das Recht des Stärkeren! Und wenn man verliert, dann muss man eben auch den eigenen Untergang akzeptieren. Aber Fazit bleibt: der Nazi macht es aus seiner Überzeugung heraus, im Recht zu sein.
Der Humanist hat da ganz andere Vorstellungen, insbesondere für das Allgemeinwohl. Gleichberechtigung. Die Menschen sind gleich und der Starke soll für den Schwachen einstehen. Hier gilt ihm sicher auch "Füge anderen nicht zu, was man Dir nicht tu" als Gerichtigkeitsleitsatz.
Ihm wird ganz übel und schlecht, wenn er die Vorstellungen eines Faschisten und Nazis hört. Und ggf. bekämpft er die Nazis, sowohl mit Wort, als auch mit Tat. Er macht es aus seiner Überzeugung heraus, dass das andere Unrecht ist und seine eigene Sichtweise die richtige ist.
Die Beurteilung, wer hier Recht hat, ist doch wieder nur eine Verlagerung auf Subjekte. Wo soll das Objektive herkommen? Jeder Nazi würde dem Nazi recht geben und dem Humanisten widersprechen und umgekehrt.
Wenn ich mir die Argumente beider anhöre, dann werde ich vor allem auf mein Gefühl hören. Und ich werde (was ich vorher schon wusste) mich als Humanist sehen, der die Nazis bekämpft, weil ich ein Durchsetzen derer Welt verhindern möchte. Weil ich glaube, dass sie Minderheiten schwersten Schaden zufügen und dem Allgemeinwohl ebenfalls schaden. Auch ich werde sagen: "das kann nicht richtig sein". Aber letztlich ist es meine Entscheidung aus den Gefühlen heraus, dass ich das andere nicht mitmeinem Leben, meiner Einstellung, meiner GEfühlswelt vereinbaren könnte.
Fazit ist hier in jedem Fall, dass zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte Recht, Gerechtigkeit und Wahrheit im eigenen Zwecke missbraucht wurden. Nur: wo soll das objektive Recht stehen und herkommen?
Es gibt dieses Recht, diese Wahrheit, diese Gerechtigkeit der letzten Gewissheit/der letzten richtigen unwiderlegbaren Arguments nicht. Und dass der Relativst keine Argumente hätte, stimmt umgekehrt nicht. Er bekennt sich aber dazu, dass es seine sind, die andere nicht teilen müssen.
Wikipedia:
Relativismus ist eine philosophische Denkrichtung, in der davon ausgegangen wird, dass die Wahrheit von Aussagen stets bedingt ist. Das bedeutet, dass jede Aussage auf Bedingungen aufbaut, deren Wahrheit jedoch wiederum auf Bedingungen fußt und so fort. Diese Reihe von Bedingungen endet laut dem Relativismus letztendlich in historischen und damit willkürlichen Festsetzungen oder in bloß subjektiven Überzeugungen, nicht aber in un-bedingten, also absolut gültigen Wahrheiten. Wahrheit ist damit relativ.
Relativisten vertreten daher die Auffassung, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt, sowie keine absoluten ethischen Werte. Ähnliche Auffassungen gibt es im Nihilismus, Skeptizismus und Amoralismus, wobei hier jedoch die Zurückweisung absolut gültiger Wahrheiten nicht durch Hinweis auf eine unendliche Bedingtheits-Reihe geschieht.
Ich sage hier (abweichend vom Relativisten), dass gerade die Gerechtigkeit (aber auch manche Wahrheit) auf den unterschiedlichen Gefühlen und Gerechtigkeitseimfpungen der Menschen basieren und sich nicht letzlich und endgültig beweisen lassen, sondern eher einer Meinung gleichkommen. Die Gesellschaft regelt mit den unterschiedlichsten, subjektiven Gerechtigkeistempfindungen, wie sie sich selber "gerecht" wird. Dies kann z.B. nach dem Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit oder einer starken Minderheit geschehen.