Tja, ich bebomme es nicht gefasst, was meine Abneigung gegen dieses Wort ausmacht. Ich glaube, es hat bei mir einfach verspielt und wurde unehrenhaft entlassen.
Zu viel Schindluder trieb man mit der Ehre im Namen des Vaterlandes und tut es noch immer.
Die alten Redewendungen sind erstarrte Worthülsen: "Habe die Ehre". Woher hat man die? Hat man sie sich selbst angedeien lassen, wenn man das sagt?
"Bei meiner Ehre" riecht auch immer etwas selbstverherrlichend.
Einen Freund nicht zu verraten und im beizustehen, na gut. Eine Bank nicht zu überfallen, nee, da geht es nicht, scheint also zwischenmenschlich verankert zu sein, das Wort.
Den Müll zu trennen ist auch keine Ehre, obwohl man im Sinne der Allgemeinheit moralisch handelt.
Auch scheint mir das Wörtchen nicht im familiären Gebrauch zu funktionieren; trotz des vierten Gebots. Na, vielleicht findet einer doch ein Beispiel. Habe mich als Kind immer gefragt, wie ich das anstellen soll, Vater und Mutter zu ehren.
Mal anders herum. Es gibt die Siegerehrung, da finde ich das Wort plötzlich nicht mehr anstößig: jemand hat etwas geleistet und man man stellt das aus.
Im militärischen Bereich wird das auch gemacht, nur hier dient es der Erziehung des Soldaten, wie mir scheint. Es wird ein zwischenmenschliches Verhältnis zwischen Vaterland und Soldat aufgebaut. In die gleiche Kiste gehört wohl der Fahneneid, mit dem das Verhältnis besiegelt wird.
Die Ehrung ist aber etwas anderes als die Ehre selbst, die ich immer noch nicht habe dingfest machen können.
Es ist eine Ehre, an den olympischen Spielen Teil zu nehmen; hm, also doch nicht zwischenmenschlich?
Ich glaube, allen Beispielen ist etwas gemein: das Individuum und das Große.
Zum Individuum: die Armee als Gruppe hat keine Ehre, nur den Einzeller kann man bei der Ehre packen. Es geht also um die Individualmoral, die einer Sache gegenüber steht. Einer großen Sache, zum Beispiel der Freundschaft, dem Vaterland oder der olympischen Idee.
Ehre ist, wenn ich das Große über mich selbst stelle. Ja, das trifft es ganz gut. Deshalb gefällt mir das Beispiel mit dem mündlichen Vertrag auch nicht. Es ist eine Selbstverständlichkeit, den einzuhalten und ansonsten Vertragsbruch. Ehre ist da nicht im Spiel.
Wenn ich das Große über mich selbst stelle, dann erhöhe ich mich gleich mit, in dem ich meine Selbstlosigkeit ausstelle; und damit, sorry für die vielen Gedanken, habe ich für meinen Teil meine Ablehnung des Wortes Ding fest gemacht.