Movens. Der Thread zum Winter.
Die Zeit der langen Abende und der Innenlichter beginnt. Wir dürfen wieder leuchten, flackern und rußen, bald ist Karneval. Also offiziell Fleischeslust ausgerufen. Glücklich, wer ein warmes Bett hat und einen, der es erwärmt. In den Zwischenzeiten könnte man sonst einrosten beim Stemmen gegen die Kälte. Auf solchen Wegen entdeckte man vor Unzeiten schon den Umgang mit dem eigenen Körper als Wärmequelle, Turbine, Segelschiff und Hafen. Ankerlichtend.Meine Offerte ist daher, hier meine Gedanken zum Yoga auszubreiten. Auf dem Sofa, versteht sich, auf der Filo-Matte. Wer mag, macht mit. Wer alte Schriften zitieren mag, ist willkommen. Ich werde dies nicht tun, sondern Betrachtungen an der Schnittstelle Psyche-Soma-Abstraktion anbieten. Nein, das mag dem Titel nach besser in die Yoga-Gruppe gehören, tut es aber aus meiner Sicht nicht. Ich erwähne auch sicherheitshalber, dass die Gedanken geschützt sind, hiermit. Ich kann sie nochmal brauchen. Und wenn hier keiner damit anzufangen weiß, werde ich das beizeiten merken.
Zum Beginn
Imaginiere ich mich als Tier.
Ich stehe aufrecht, bin ein fortschreitendes Tier, eins, das selbstgesteuert evoluieren kann, Raum gewinnen und ihn gestalten kann. Ich bin ein begnadetes Tier, in meinem Schädel summt es, evaluiren kann ich auch. Und die Prärie liegt frei vor mir. Dochdoch, als Tier gesehen tut sie das. Ich könnte losrennen und mir jedes Stück einer Gazelle abreißen, das mir gefällt. Aber ich bin kulturalisiert und domestiziert und sitze also da, und habe Hunger nach Erleben. Und es ist keines in Sicht als das, was sich in meinem Schädel und in meinem Körper abspielt.
Yoga ist eine Art zu sehen. Eine, die von der Stille abhängt, von der bewusst erfahrenen Bewegung, von bewusst eingetuneten Sinnen. Also vom Handanlegen an der denkbaren und empfundenen Wirklichkeit. Manipulation, sure. Aber sie ist Evolution auch.
Die allererste Frage, die ich mir so, als sagenwirmal Amöbe stelle, ist die: wo bin ich?
Amöben fahren saugut mit der Technik, denn danach kommt automatisiert: wo will ich hin? Weil: fühlt es sich gut oder schlecht an?
Viel mehr muss später auch nicht gewusst werden; der Rest verkompliziert nur, faltet ein, was entfaltet liegt. Nennt man dann Neurose. Wenn ich nicht mehr weiß, was sich gut und was schlecht anfühlt. Yoga ist auch eine Frage danach, wo wir sind, und wohin wir wollen. Und es illustriert diese Projektion mittels szenischer Bilder, Tableaus. Posen. Positionen. Standorte in Relation zur Bewegung.
Denn: Movens. Wer meint, Yoga sei eine Disziplin vom Halten, irrt. Von der Haltung aber wohl. Nicht auf das Verharren irgendwo kommt es an, sondern auf das millimetergenaue Abspüren der Spurenprojekte. Um Wege.
Ich imaginiere mich also als Tier. In einer Pose erwischt, die exakt die eines Affen ist, der im Schaukeln von einem Baumast zum nächsten begriffen ist. Also stehend, mit gegrätschten Beinen, das Rückgrat gerade und der Steiß in einer Linie damit, ein eckiger Haken, dessen Arme in Schulterhöhe nach oben angewinkelt sind, die Ellenbogen im rechten Winkel. Ich stehe auf ganzen Fußsohlen, in einem Lot mit dem Himmel und die Hände zeigen nach oben, als trügen die Arme Schüsseln, auf denen Früchte zu balancieren sind. Die Knie und die Ellenbogen sind aufeinander abgestimmt im 90° Winkel und parallel zu sich und zum Boden, die Mitte des Körpers ist eine unverrückbare Säulenachse, in der der Atem auf und absteigt. Und so stehe ich da und harre der Dinge. Egal welcher. Sie ziehen an mir vorbei, die Dinge, weil ich gänzlich davon absorbiert werde, den Himmel auf meinen nach oben sich dehnenden Handgelenken zu tragen und mit meiner Grätsche die Erde zusammenzuhalten. Es muss ziehen in den Oberschenkelheranziehern, im Rücken gratewegs, zwischen den Schulterblättern und im Nacken. Und im Gesäß. Dort, wo die Bewegung initialisiert würde, würde sie weitergehen. Spannen, Stemmen, Abdrücken, Wegspringen.
Und ich bleibe so lange in dieser Haltung, wie es mir gefällt.
Sie erhöht die Körpertemperatur, normalisiert die Atmung und den Blutdruck, erweckt seitliche Muskelstränge, strafft die Peripherie und durchblutet sanft sonst kaum wahrgenommene Körperbereiche.
So dachte ich mir das ...
Nun steht es frei das nachzuspielen, als sozusagen erstes Tableau. Als Spiel über den Winter hinweg. Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Gefährdung bitte an mich weiterleiten. Es handelt sich nicht um eine Anleitung zu einem Kurs, nicht hier, im Club, sondern um frei zur Verfügung gestelltes Material.
Hatte ich vor Jahren schon angekündingt.