Der Konflikt, den wir hier erleben, ist in meinen Augen eine Folge dieser Leistungsgesellschaft. Beide Elternteile sollen schaffen und die Kinder kommen in die Kitas. Wer da nun welche Erziehungsaufgaben übernimmt, scheint mir nicht abgesprochen worden zu sein.
Mir scheint nicht geklärt, wer bei dem Programm, dass Eltern und Schüler heutzutage haben, die Verantwortung zum Lern- und Sozialisationsprozess der Kinder übernehmen soll. Ganz konkret: schaue ich die Hausaufgaben meines Sohnes nach oder nicht?
Wer übernimmt die Erziehung, wenn die Kinder ganztägig außer Haus sind? Die paar Stunden, die sie dann bei den Eltern sind, brauchen sie dringend für ihre PC-Spiele. Kann ich gut verstehen. Ich sehe kaum noch Kinder, die in Cliquen durch die Straßen laufen, in ihrer Freizeit irgend etwas ohne Anleitung spielen oder kreativ hervor bringen. Das war in meiner Jugend vollkommen anders. Wir haben uns zum guten Teil selber erzogen.
Dazu kommt, dass unsere Kinder vom Babyalter bis zur höheren Schule fast ausschließlich von Frauen erzogen werden. Vielleicht auch ein Grund, warum das bei Männchen eher angelegte aggressive Potential nicht ordentlich ins Sozialverhalten eingepflegt wird. Die Jungs probieren ihre Grenzen aus. Ein ganz normaler Prozess und extrem wichtig. Wenn sie bei diesem Ausprobieren auf der vorerst oben offenen Aggressivitätsskala niemand finden, der ihnen sagt: "bis hier und nicht weiter", dann tanzen sie den weiblichen Erzieherinnen auf dem Kopf herum.
Wir hatten in unserer Familie gerade den gleichen Fall: die Lehrerin schrieb einen verzweifelten Hilferuf und forderte die Eltern auf, etwas zu unternehmen. Der Sohn, den wir nach seiner Meinung fragten, sagte direkt: die Lehrerin kann nicht durchgreifen, sei zu weich. Ich rede hier nicht den von mir abgelehnten Forderungen Michael Winterhoffs das Wort, sondern von einem normalen Abstimmungsprozess zwischen gerade männlichen Jugendlichen und Erwachsenen, die zu wenig statt findet.
Die Pädagogik kann das mit ihren vorgefertigten Methoden nicht leisten. Für jeden Erwachsenen ist irgend wann mal eine emotionale Grenze erreicht, wo er laut wird und das Kind in die Schranken verweist. Diese Grenze ist bei jedem anders und das müssen die Kinder herausfinden. Wenn der Pädagoge aber nicht er selbst sein darf, seine Aggressionen hinter pädagogischen Maßnahmen verstecken muss und der Vater zu Hause gar keinen Einfluss mehr hat, weil es kaum noch Berührungspunkte mit den Kindern gibt, dann fehlt denen schlichtweg diese Grenze.
Ich plädiere hier nicht für ein autoritäreres Erziehen. Das sollte nach wie vor so liebevoll und mitfühlend, bestärkend und unterstützend sein als nur möglich. Ich sehe aber eine große Gefahr darin, dass wir vergessen haben zu definieren, wer denn nun unsere Kinder erzieht: Eltern oder Pädagogen.