Was, wenn es den freien Willen nicht gibt?
In diesem Thread möchte ich nicht diskutieren, ob es den freien Willen gibt oder nicht!Ich möchte diskutieren, was wäre, wenn wir von der Annahme ausgehen, dass es den freien Willen nicht gibt.
Ich selbst gehe davon aus und möchte diese Hypothese zum Einstieg kurz erläutern.
Den Willen an sich kennt ein jeder recht gut. Der Wille drängt uns, in solcher Weise zu Handeln, dass es zu unserem eigenen Wohle ist. Der Wille ist dabei geprägt durch unseren Charakter, unsere Erfahrungen, unsere geistigen und körperlichen Befindlichkeiten und unserer Umgebung.
Das Attribut frei deutet darauf, dass wir willentliche Entscheidungen unabhängig von der Haltung und dem Handeln anderer treffen können. Insofern ist eine Freiheit, von außen betrachtet, durchaus gegeben.
Bezieht man aber diese Freiheit auf seinen eigenen Willen, so kommt man schnell ins Straucheln. Ich kann mich nicht frei gegen meinen eigenen vorgeprägten Willen entscheiden. Könnte ich das, so bräuchte ich dazu eine Instanz außerhalb von mir. Ich kann also mittels meines Willens nicht frei gegen meinen eigenen Willen entscheiden.
Davon abgesehen: Könnte ich es, so wäre ich wohl vor mir selber nicht mehr sicher.
Von daher muss ich eingestehen, dass die Freiheit zwar gegenüber dem Willen anderer besteht, sich aber nicht auf meinen eigenen Willen beziehen kann. Der freie Wille erweist sich somit als Paradoxon.
Soweit meine Vorgedanken. Wie schon eingangs erwähnt, möchte ich diese Hypothese selbst hier nicht weiter diskutieren, sondern mich mit den Folgen dieser Gedankengänge beschäftigen.
Denke ich diese weiter, so steht z.B., wie in den Threads über das Böse schnell erkannt wurde, die Schuldfrage auf dem Spiel. Wenn denn alles vorbestimmt ist, ich also nicht gegen meinen Willen wollen kann, dann kann innerhalb meiner selbst keine Schuld zu finden sein.
Bei dem Gedanken tut sich mir ein tiefes dunkles Loch auf und ich bekomme Angst. Ist nun alles entschuldbar, kann ein jeder tun, was er will und dafür noch nicht einmal zur Verantwortung gezogen werden?
Oder:
Haben wir den freien Willen nur erfunden, um eben nicht in dieses Loch zu fallen?
Ist es ein Trick, der uns davor schützt, die Hände in den Schoß zu legen, damit wir unser Handeln dennoch stets peinlich genau prüfen?
Ist es ein Trick, der uns überhaupt handlungsfähig hält und uns nicht sagen lässt: „et kütt wie et kütt“?
Kann man aufgrund der Überlegungen noch jemanden zur Verantwortung ziehen?
Darf man dann noch strafen?
Fragen über Fragen. Ich wünsche fröhliches Debattieren.
PS.: Möchte Domsubs Fragen hier noch anhängen. Danke dafür:
Nehmen wir an, die Illusion vom freien Willen ist Vergangenheit und wir haben den Determinismus angenommen. Wie wird sie aussehen, diese Welt? Welche Auswirkung hat das auf soziale Gemeinschaften? An welchen Werten werden wir uns orientieren? Wird es überhaupt noch "kollektive Werte" geben?