Fallbeispiel
Neulich auf dem Klo.
Mich hat auf das Nervigste aller Viren gepackt: das Norovirus. Scheißse. Sprich: Ganz große Durchfallerkrankung.
Ihr kennt das sicher: Bis ins Jahr 2000 hat man das zweimal im Leben gehabt -- seitdem alle zwei Jahre.
Durchfall. Erbrechen.
Mich hat es spät am Abend erwischt.
Add eins zur Kenntnisnahme: Das Virus schlägt immer am späten Abend zu. Also kurz vor dem Träumen. Vielleicht braucht es das Unbewusste?
(Na ja, ich fang mal an zu erzählen)
Ich saß auf dem Klo, nachdem es drei Stunden in den Därmen rumort hat. Eine Erleichterung ist das nicht. Vielmehr stülpt sich das Innen nach Außen. Es sitzt "da unten" beim Sch ... der Teufel
in persona. Ich sitze auf Klo. Ich hocke und schwitze. Gerade noch denke ich, womit wische ich mir den Hintern ab, da, im nächsten Moment bricht es aus mir heraus, und mich trifft die Erkenntnis: Ich schaffe das nie und nimmer aus dem Klo heraus. Geschwächt. Ich will kotzen. Ich ... wäre ich ein Tier, würde es aus mir herausbrechen: T-Shirt, zwischen die Beine, Teppich. Matt.
Atmen. Ja. Einfach Ein. Aus. Ich kann nicht brechen. Ich hasse mich für diese Gedanken. Für jede Gedanken. Für die Struktur des Denkens allgemein. Ich denke, es wird so sein, dass ich NIE NIE NIE NICHT-denken kann. HILFE. Immer denken, denken, denken. MÜSSEN? Eine Qual!
Wie kann ich damit aufhören?
So dachte ich: Wenn ich jetzt sterbe? Ich fühle mich dem Sterben nah. Am allerwenigsten mag ich jetzt denken, noch weniger in Struktur: Silben. Worte, Sätze. Mich einfach mal um Ideen kreisen: was kann ich tun, was mag ich denken, nicht einmal denken: Nein, nicht. Nur Ein-, Ausatmen. SEIN. Es tut mir gut, nicht in Gedanken zu sein. Zu SEIN. Ich fühle mich aufgehoben. Übelkeit, oben unten. Ich muss dann brechen. Gelb, Galle, ein- ausatmen. Nicht denken.
Weiter. Die Beine zittern, ist sitze noch auf dem Klo. Mir fällt ein, dass ich all dies bereits einmal
gedacht habe. Ja. ich erinnere mich, wie ich das damals ebensowenig
denken *wollte*. Reden. Struktur. Sterben war es. Es hat mich gedacht und ich erinnere mich des Gedachten.
Der Gedanke, das Gedachte an seiner Erinnerung festhängt, tröstet mich. Zeit muss gehen. So die Erfahrung. Damals lebte Dieter noch. Nur so am Rande.
Denn es denkt immer noch.
Später liege ich im Bett. Vööllig entleert. Im Kopfe und unten in den Därmen liegt es wie ein Schlachtfeld, von allen menschlichen Moralen verlassen. Ich trete hinab ins Unterbewusstein, oder in einen Traum. Der zeigt mir Muster, Farben, auf einem Reißbrett. Ich sitze vor dem Laden der Bilder, dem Laufsteg der Fragmente, denn der Faden zieht an Farben vorbei. Hier mischt sich Grün mit Malve, Ocker und Oliv. Inzwischen schwarze Sprenkel, das wischt sich weg und nur die leere Leinwand zeigt sich. Plötzlich sonnenhell Orange, das sich in zartes Purpur legt. Ich denke, das kann so nicht, aber es ist vollkommen okay, in Harmonie. Mir wird bewusst, dass ich das träume, dass das göttlicher ist, als alles Gelebte bisher, und ich halte den Film an, und ich schreibe mit: Malve, Ocker und Oliv. Das helle Orange und Purpur will ich noch notieren, dann sehe ich Hellblau in einem Tupfen Glas verlaufen, mit Gelb, ohne dass sich Grün hinein mischt. Nie und nimmer! Ich speichere die Ideen, die ich nie gesehen habe, und ich spüre, die kommen zwar aus mir, aber sie waren nie meins.
Unterbewusstes?
Der Geist (oder ist's der Verstand?) biegt sich in Formen und Muster.
Ich denke an Morgen. Nein, mein Kopf hat sich adäquat zu seiner Totsagung am Abend (als das Virus mich leer gespült hatte und ich "ganz Körper" war) und in seiner Angst zu sterben, enorm mal aufgebläht.
Jetzt schreibe ich dies, denn "es muss raus."
Für mich war das ein ungeheurer Ausbruch des Unbewussten.