Teil V: Mail
Die in den Thesen zu Gott erwähnte Mail:
Es gibt eine Schlüsselfrage die mich schon sehr lange beschäftigt. Sie wurde in einer Fernsehserie gestellt: "Wer bist du?" Auch dort klang schon an, das diese Frage nicht beantwortbar ist.
In der Tat können wir nicht sagen wer wir sind. Wir würden mit unserem Namen, mit wem wir verwand sind oder in welcher Relation wir uns zu etwas anderem befinden (Angestellter, Freund, Beruf, Hobby, Anhänger einer bestimmten philosophischen, religiösen oder gesellschaftlichen Strömung etc). Aber die Frage zielt darauf gar nicht ab. Sie fragt nach unser Entität, unserem Sein, unserer Existenz. Das ist etwas Absolutes. Ich bin.... , das ist nur dann der Fall, wenn ich eine Existenz habe, die unabhängig von einer anderen Existenz ist.
Es gibt einen Lösungsansatz: Entferne gedanklich alles aus diesem Universum, auf das du dich beziehen könntest, Das was dir dann bleibt, das ist dein Sein. Aber was ist das? Dieses gedankliche Experiment sprengt jegliche menschliche Vorstellungskraft.
Sollen wir nicht erkennen dürfen, wer wir sind? Ist das menschliche Sein eine Illusion? Ist unabhängige, absolute Entität vielleicht Gott vorbehalten? Ich vermute fast letzteres....
Alles, womit wir uns bewußt identifizieren, ist eine Relation zu etwas anderem. Doch ich mag nicht den Schritt gehen zu sagen, das wir eine relative Entität haben. Das würde ja bedeuten, das wir auch aufhören zu existieren, wenn es nichts mehr gibt, zu dem wir uns in Relation stellen können.
Dieses Relationsdenken ist tief in uns verwurzelt. Wir sind nie nur wir selbst, auch leider so gut wie nie nur Mensch, sondern treten immer in einer Rolle (Vater, Angestellter, Ehemann, Kirchenmitglied, Musiker, Verantwortlicher für X). Wir mögen es schaffen Mensch zu sein, aber allenfalls nur für eine sehr kurze Zeit. Zu schnell holen uns die vom Menschen selbst gemachten Stricke wieder ein. Einer der Stricke ist das jeweilige Rollenverständnis. Moralisch/ gesellschaftlich ist es schon geklärt, was einen guten Vater/Chef/Ehemann ausmacht. Und wir alle werden schnell anklagend, wenn eine Person seine Rolle nicht gut erfüllt ->schlechter Chef. Ich kann mir aber nicht vorstellen, das Gott uns bemisst wie gut wir eine Rolle ausfüllen. Weil es wird ja noch schlimmer:
Unser Rollenverständnis wird von drei Dingen geprägt: der elterlichen Erziehung, der gesellschaftlichen "Erziehung" und unserer Moral. Gerade die oft so hochgelobte Moral ist eine tückische Sache. Sie verändert sich ständig, unterscheidet sehr gerne zwischen einem anderen und mir. Die Moral ist nicht neutral. Und auch deswegen wohl kaum göttlich, zumindestens nicht in der heutigen Form.
Ich bin so erzogen worden, meine Rollen immer gut zu erfüllen (sei ein guter....... und mach.....). Doch irgendwann merkte ich, ich erfülle damit nicht eine "Aufgabe Gottes" sondern nur die Vorstellung eines anderen Menschen von der Rolle, die ich eingenommen habe. Auch in der Bibel ist davon dir Rede, als Jesus die Vorstellung der Menge, wie ein Messias zu sein habe nicht erfüllt. Er befreit sie nicht vom Joch der Römer-> kein Messias-> ans Kreuz mit ihm.
Die Antwort auf unser Sein kann also keine Rolle sein. Und ich glaube auch Gott ordnet uns nicht in Rollen ein. Selbst wenn er uns eine Aufgabe gibt, sind wir in seinen Augen nicht in einer Rolle, sondern immer noch wir. Danach sind wir eben nicht Bezwinger von...., Herrscher über......, Erfinder von......, Chef von....... oder vielleicht auch: klüger als....., erfahrener als........, besser als.........?
Also ist es schon schwer nach seinem Sein zu suchen. Warum mache ich mir diese Arbeit überhaupt? Es gibt zwei kleine Geschichte in der Bibel. Menschen stehen am Himmelstor (genauergesagt die törichten Jungfrauen) und der Bräutigam sagt: Ich kenne dich nicht!
Dieser harschen Abweisung muß ja etwas vorausgegangen sein: eine Frage, die nicht zufriedenstellend beantwortet wurde.
Den entscheidenden Hinweis gibt es einige Kapitel zuvor in einer anderen Geschichte. Menschen stehen am Himmelstor, verlangen Einlass mit der Begründung: wir haben ja....... (nachzulesen Mt,7,22). Bei alledem haben sie aber nur eine Rolle erfüllt, nie selbst als eigene Entität gehandelt. Sie haben im Namen dessen dies und jenes gemacht WEIL man eben dies und jenes macht wenn man in den Himmel kommen möchte. Erlösung als Rollenverständnis. Nun passiert etwas völlig faszinierendes. Jesus antwortet auf die Aufzählung von Taten nicht mit der Attestierung einer Fehlleistung. Er sagt nicht: Das war nicht gut genug, die anderen haben das besser gemacht. Was er antwortet geht komplett am Verstehen der Einlasssuchenden vorbei. Er antwortet: "Ich kenne euch nicht!" Es interessiert ihn nicht die Leistung, er erkennt sie nicht mal an. "Ich kenne dich nicht!", das ist seine Erwiderung auf das Plädoyer der Einlasssuchenden. Dieses Plädoyer ist eine Reaktion auf eine zuvor gestellte Frage Jesu. Doch dieses Plädoyer ist in Jesu Augen eine falsche Antwort auf seine eigentliche Frage. Warum falsch? Weil die vorrausgehende, von Jesus gestellte Frage falsch interpretiert wurde. Sie ist leider nicht niedergeschrieben, aber wie könnte die Frage gelautet haben? Und wenn ich so über diese Begebenheit nachdenke, ist sie wieder da, diese Frage, die sich so hartnäckig einer Beantwortung entzieht:
Wer bist du?