@DeltaSagittarii
**********tarii:
Ich bin mir nicht sicher ob Du in die vereinfachten These "Liebe dich selbst und es ist egal, wen Du heiratest" andere Dinge interpretierst.
Ich bin ebenfalls unsicher. Wenn es "egal" ist, wen ich heirate, weil ich mich selbst schon "liebe", ist die Person, die ich dann heirate o.Ä., von vornherein zur Variablen erniedrigt worden. Das ist sozio-, psycho- und sonstwie logisch richtig. Gleichzeitig ist es unwahr. Wenn ich Dich zum x erkläre, mache ich mich selbst zum y. Eine kleine Story, die Chrustschow gerne erzählte und die ich bei Heiner Müller mal aufschnappte: Ein hoher Parteifunktionär in der Zeit der Stalin'schen Säuberungen kam eines abends nach Hause, um entsetzt festzustellen, dass man seine Frau als "schädliches Element" verhaftet hatte. Er fuhr zum Kreml, ersuchte um Audienz und flehte Stalin um Gnade an, der wie immer bis spät in die Nacht fleißig mit dem Quer-Unterschreiben ganzer Todesurteilsstapel beschäftigt war. Er heulte und bettelte und erbot sich sogar, an ihrer Stelle nach Sibirien oder vors Erschießungskommando zu gehen. Stalin war gerührt, unterbrach für einen Moment seine emsige Arbeit und versicherte dem Genossen freundlich, dass er sich keine Sorge machen solle, man werde dafür sorgen, dass ihm Genüge getan werde und dass sein selbstloses Opfer unnötig sei. Er fuhr verwirrt und halbberuhigt nach Hause, kam in seine leere Wohnung, und kaum, dass er drin war, klingelte es an der Tür. Eine fremde, schöne und sehr erschrocken aussehende Dame stand davor und erklärte, sie sei von nun an seine neue Frau. Chrustschows Pointe war, dass beide immer noch miteinander verheiratet seien. Darauf ein Wodka!
**********tarii:
Wer alleine auch zufrieden und glücklich ist, steigert seine Chancen eine - für ihn - erfüllende Beziehung zu erleben.
Wer alleine wirklich zufrieden und glücklich ist, braucht keine "erfüllende" Beziehung. Zufrieden und glücklich und doch unerfüllt? Was konstruierst Du Dir da zusammen? Und dass Du genau an dieser Stelle von der Steigerung von Chancen redest, gibt über die wirkliche Qualität so manchen einsamen "Glücks" beredte Auskunft. Was gewiss zutrifft ist, dass auf dem emotionalen Fleischmarkt jeder Eindruck von Not oder Bedürftigkeit fatal ist und man gut beraten ist, ausgeglichen, in sich ruhend, zufrieden zu wirken, es möglichst wirklich zu sein. Überhaupt spricht einiges für den Spruch, dass Geben seliger denn Nehmen sei. Doch Selbstgenügsamkeit wird zur Asozialität, wo sie beinhaltet, dass man dem Anderen apriorisch seine Beliebigkeit attestiert und in jeder Beziehung immer nur bei sich bleibt. Das ist alles anderes als
sexy, wenn ich mir die Fernberatung erlauben darf.
**********tarii:
Wo liegt da die Einsamkeit?
Siehe oben. Wenn Dein Wunsch, intakt zu bleiben und keine hässlichen biographischen Spuren zu hinterlassen, die Oberhand gewinnt, bezahlst Du es unweigerlich mit einer unaufhebbaren, inneren Distanz, die den Selbstschutz zum selbstverschuldeten Gefängnis macht. Wenn ich einmal ins Gras beiße - was früher oder später geschehen muss - will ich nicht mit dem Gedanken abtreten, es wäre mir immerhin nichts passiert. Ich will lieben und geliebt werden, und dementsprechend werde ich leiden.
Call me crazy.
**********tarii:
Es gibt einen Menschen der Dich bedingungslos lieben kann - das bist Du selber! Wenn Schwächen liebenswert werden, weil diese Schwächen auf ihre Art auch Stärken sind, dann kann dieser menschliche Wunsch erfüllt werden. Wer sich selber mit Stärken und Schwächen lieben kann, ist so bei sich, dass er wohl eine andere Partnerwahl als bisher (neue Form des Spiegelns) wählt.
Selbstliebe, schön und gut. Selbsthass ist auch gewiss keine nützliche Eigenart, das sei zugestanden. Aber mich erinnert Deine Haltung an den Spruch Woody Allens: "Was haben Sie denn gegen Selbstbefriedigung? Das ist doch Sex mit jemanden, den ich mag!" Dir aber die tiefe Traurigkeit hinter der Komik dieser Aussage zu erklären, erscheint mir als kaum leistbar. Ich würde vielleicht am Begriff der Liebe ansetzen, der von uns beiden offenkundig mit sehr verschiedenen Bedeutungen verwendet wird, und würde große Zweifel daran anmelden, ob das, was Du als Selbstliebe deklarierst, überhaupt Liebe ist.