Was ist mit Scheintot sein?
Lebend bestattet zu werden, ist ohne Zweifel die grässlichste unter den Qualen, die das Schicksal einem Sterbenden zuteilen kann«, stellte Edgar Allan Poe (1809–1849) in seinem Werk »Die Scheintoten« fest. Da die Zeichen des Todes nicht in jedem Fall eindeutig sind, wollte man schon seit Jahrhunderten dem Risiko vorbeugen, scheintot beerdigt zu werden
Der Fall erregte Aufsehen: Vom Reiten zurückgekehrt, fand Simon Müller aus einem Dorf in Niederbayern seine Frau Annemarie an einem Samstagabend »wie leblos« auf der Couch. Die 39-Jährige hatte in einem Anfall von Depression Schlaftabletten geschluckt. Der herbeigerufene Notarzt, ein junger Internist aus Landshut, beatmete die Frau, machte Herzdruckmassagen und spritzte ihr schließlich Adrenalin in den Herzmuskel, um die »Pumpe« wieder in Gang zu bringen. Doch ein anschließendes EKG (Elektrokardiogramm) zeigte keine Herztätigkeit mehr – der Doktor gab seine Wieder-belebungsversuche auf. Kein Puls, keine Atmung, keine Pupillenreaktion. Da war nichts mehr zu machen.
»Herzliches Beileid«, murmelte der Notarzt und füllte den Totenschein aus. Aber das Opfer war nur auf dem Schein tot – die scheinbar Tote lebte noch: Als Simon Müller neun Stunden später im Sterbezimmer lüften wollte und die Jalousien hochzog, hörte er »Wimmern und Stöhnen«. Seine Frau erwachte fünf Tage später im Krankenhaus Landshut aus einer tiefen Bewusstlosigkeit. »Den Notarzt trifft keine Schuld, er hat sich richtig verhalten«, befanden später Landshuter Chefärzte, die den Fall untersuchten. »Es handelte sich um einen klassischen Scheintod.«
Doch wie konnte der offenbar unerfahrene Mediziner den letzten Funken Leben übersehen? Professor Hans Joachim Mallach, seinerzeit Direktor des Gerichtsmedizinischen Instituts Tübingen, erklärte: »Beim Scheintod werden zum Beispiel durch eine Tablettenvergiftung wichtige Zentren im Gehirn beeinträchtigt, die unter anderem für Atmung und Kreislauf verantwortlich sind. In der Regel fällt auch die Funktion der Großhirnrinde aus, das Bewusstsein schwindet. Das Herz schlägt jetzt nur noch in großen Abständen und so schwach, dass es selbst mit Hilfe eines EKG nicht mehr feststellbar ist. Der gesamte Organismus schaltet auf Sparflamme, ähnlich dem Winterschlaf bei manchen Tieren.«
Äußerlich ist der Scheintote von einem wirklich Toten kaum zu unterscheiden: bleich, kalt und zum Teil auch steif. Die Pupillen sind starr und reagieren nicht auf Lichtreize. Sichere Todeszeichen aber wie Totenflecke oder Leichenstarre sind erst relativ spät diagnostizierbar. Dann ist der Notarzt womöglich schon auf dem Weg zu seinem nächsten Einsatz.
Kein Wunder also, dass immer wieder Meldungen über Scheintote durch die Presse geistern. Dürften sie eigentlich nicht. Denn Professor Alfred Du Chesne, Rechtsmediziner an der Universität Müns-ter, hält »alle Scheintodfälle, die bekannt werden, für Beispiele von schlampiger Leichenschau«. Das heißt, auch der Lands-huter Notarzt hatte möglicherweise Wichtiges versäumt, etwa bei Annemarie Müller nach Totenflecken zu fahnden. »Diese absolut sicheren Todeszeichen zeigen sich aber erst nach einer halben Stunde«, so Professor Du Chesne.
Der Scheintod ist kein Phänomen unserer Zeit. Schon vor Jahrhunderten rangen die Ärzte mit dem Problem, die sicheren Zeichen des wahren Todes zu erkennen. So räumte bereits der römische Arzt Aulus Cornelius Celsus (1. Jahrhundert n. Chr.) in seinem Werk »De medicina« ein, die ärztliche Kunst beruhe auf Mutmaßungen, und die Todeszeichen seien nicht immer völlig verlässlich.
Plinius der Ältere (23/24–79 n. Chr.) be-richtete, dass der Konsul Acilius Aviola und der Prätor Lucius Lamia erst auf ihren brennenden Scheiterhaufen erwachten, nachdem sie für tot erklärt worden waren. Keiner der beiden konnte vor dem grauenhaften Tod gerettet werden. Der Römer Gaius Aelius Tubero stöhnte dagegen noch rechtzeitig, als er ebenfalls schon auf dem Scheiterhaufen lag.
Die Kriterien für den Tod blieben von den Zeiten des Celsus bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts weitgehend unverändert. Man fühlte Herzschlag und Puls, prüfte die Atmung mit einer Flaumfeder. Viele Kranke wurden weder von einem Arzt behandelt noch nach ihrem Tode medizinisch untersucht. Oft blieb es daher Laien überlassen, die Frage »tot oder lebendig« zu entscheiden. Noch bis tief ins 19. Jahrhundert hinein beurteilten allein die fünf Sinne des Arztes den Zustand seiner Patienten. Kein Zweifel, dass da ein Doktor die minimalen Lebensäußerungen eines Scheintoten schon mal nicht erkannte, ihn für tot erklärte und zur Beerdigung freigab.
Eine Fülle skurriler Anekdoten und Legenden drehte sich um Tote, die im Grab wieder erwachten. Berühmt wurde die Geschichte der Frau Richmodis von Aducht in Köln. Der englische Mediziner Jan Bondeson erzählt sie in seinem Buch »Lebendig begraben«. Danach starb Frau Richmodis im Jahr 1357 und wurde prunkvoll beerdigt; ihr Ehemann beließ ihr einen wertvollen Goldring am Finger. Nachts gruben der Totengräber und sein Gehilfe den Sarg aus und brachen den Deckel auf, um den Ring vom Finger der Toten zu stehlen. Doch da richtete sich die »Leiche« seufzend im Sarg auf. Die entsetzten Grabräuber flüchteten, und die wieder erwachte Frau Richmodis wankte mit der Laterne des Totengräbers nach Hause. Sie lebte noch lange und brachte drei Söhne zur Welt.
Allerdings war das Motiv der lebendig bestatteten, von Grabräubern geretteten Frau bereits im zweiten nachchristlichen Jahrhundert bekannt. Und im Jahr 1910 fand der deutsche Ethnologe Dr. Johannes Bolte heraus, dass nicht weniger als 19 weitere deutsche Städte ihre eigene Geschichte von der »Frau mit dem Ring« hatten.
Im Jahr 1740 erschreckte der dänische Anatom Jacques-Bénigne Winslow (1669–1760) seine Zeitgenossen mit der Behauptung, alle Menschen liefen Gefahr, lebendig begraben zu werden: »Der Tod ist gewiss, denn er ist unvermeidlich, doch auch ungewiss, denn bei seiner Dia-gnose können Fehler auftreten.«
In seiner Abhandlung »Über die un-sicheren Zeichen des Todes« lieferte Winslow auch gleich die kühne Begründung: »Die Erfahrung zeigt klar, dass sich viele Scheintote später als lebendig erwiesen, indem sie in ihren Totenhemden, in ihren Särgen und selbst in ihren Gräbern wiedererstanden.«
Auch an Beweisen mangelte es Winslow nicht: Da wurde der bekannte Philosoph Johannes Duns Scotus (1265/66– 1308) lebendig begraben; ein Mann erwachte auf der Totenbahre, als man ihm Salzwasser in den Mund goss; eine Frau setzte sich in ihrem glücklicherweise offenen Sarg auf, während man sie durch eine Pariser Straße trug; ein seit drei Tagen beigesetzter Mönch wurde lebend aus der Kirchengruft geholt, nachdem man ein Geräusch gehört hatte usw.
Dennoch, Jacques-Bénigne Winslow war seiner Zeit voraus: Er hatte erkannt, dass nur die Verwesung und »bläuliche Flecken« sichere Zeichen des Todes waren. Vermeintlich Tote müssten dagegen wiederbelebt werden. Teilweise mit durch-aus barbarischen Methoden. Eine Auswahl davon beschreibt Jan Bondeson: Die Nasenlöcher sollten mit »Niespulvern sowie Zwiebel-, Knoblauch- und Meerrettichsaft« traktiert werden. Mit »Peitschen und Nesseln« solle man die Haut reizen, die Gedärme mittels brennend scharfer Einläufe anregen und in den Mund des Leichnams Essig und Pfeffer einführen. »Wo diese nicht verfügbar sind, ist es üblich, warmen Urin hineinzugießen, der erwiesenermaßen erfreuliche Wirkungen zeigt.«
Blieb der Tote noch immer regungslos, empfahlen die Wiederbelebungs-Experten, die Fußsohlen mit Rasiermessern zu ritzen und unter die Zehennägel lange Nadeln zu schieben. Letztere Methode ist sogar archäologisch belegt: Bei der Freilegung eines Massengrabes in Marseille fand man 1994 bei zwei Leichen eine gut 2,5 Zentimeter lange Bronzenadel direkt am großen Zeh. Sie war vermutlich absichtlich unter den Zehennagel getrieben worden.
Die Toten gehörten zu den rund 50000 Opfern der Pest, die von 1720 bis 1722 in Marseille gewütet hatte. Dass bei Pest-epidemien noch Lebende in die Gruben geworfen wurden, vermutete damals nicht nur der holländische Arzt Isbrand van Diemerbroeck in seinem »Traktat über die Pest«. Die Menschen starben so schnell, dass man alle Leichen (oder Scheintoten) gar nicht untersuchen konnte.
Schon 1742 erschien Winslows lateinisch geschriebene »Dissertation« in der französischen Übersetzung von Dr. Jean-Jacques Bruhier (1685–1756). Dieser sprachgewandte und ehrgeizige Pariser Arzt hatte alle überlieferten Berichte über Scheintote zusammengetragen, ohne jedoch auch nur einen einzigen Fall jemals beobachtet zu haben. Mit diesen Gruselgeschichten über »wahre Begeben-heiten« reicherte Bruhier das nur 16 Seiten dünne Heftchen Winslows an. Bereits 1749 umfasste die zweibändige Neuausgabe seines Buches 609 Seiten, darunter nicht weniger als sieben unterschiedliche Versionen der paneuropäischen Legende von der »Frau mit dem Ring«.
Bruhiers Wälzer sorgte in weiten Teilen Europas für Furore, auch weil er sich vehement für eine Reform des Bestattungswesens und den Bau von Leichenhäusern einsetzte. Die »Abhandlung von der Ungewissheit der Kennzeichen des Todes« wurde ins Englische, Italienische, Schwedische und 1754 von Dr. Johann Gottfried Jancke auch ins Deutsche übersetzt. Gerade die deutsche Übersetzung löste eine heftige Debatte über die Zuverlässigkeit der Todeszeichen aus. Was, so fragten sich viele Menschen, taugen Ärzte, die einen Lebenden nicht von einem Toten unterscheiden können?
Die Angst vor dem Scheintod blühte in einer Epoche auf, in der sich das Verhältnis des Menschen zum Tod grundsätzlich gewandelt hatte. Noch im Mittelalter war der Tod ein vertrauter Begleiter des alltäglichen Lebens. Der Mensch sah sich eins mit der Natur, ergeben in ein Schicksal, das alle Lebenden ereilte. Die Kirche verhalf ihm mit ihren Riten und Tröstungen zu einem würdigen Tod. Selbst das Bewusstsein, sterben zu müssen, löste keine Angst aus angesichts der Gewiss-heit der Auferstehung.
Doch im Zeitalter der Aufklärung schwand diese Gewissheit. Der Tod bedeutete plötzlich das absolute Ende des Lebens. Er begann, Angst einzuflößen. Der Umgang der Anatomen mit dem Leichnam, die öffentlichen Sektionen, die zerstückelten Körper verdrängten mit naturwissenschaftlicher Gründlichkeit die Vorstellung von der Auferstehung im öffentlichen Bewusstsein. Eine neue Todesangst brach auf – die Angst vor dem Scheintod. Mitte des 18. Jahrhunderts griff plötzlich die Furcht, lebendig begraben zu werden, massiv um sich, möglicherweise auch ausgelöst durch die dramatischen Schilderungen des Dr. Jean-Jacques Bruhier. Die Medizin sah sich nicht in der Lage, diese Angst auszuräumen. Wie aber konnte man die vermeintliche Gefahr des Lebendig-Begrabenwerdens von den Bürgern abwenden?
Zwei Ärzte sahen die Dringlichkeit des Problems und griffen die Vorschläge Bruhiers auf: Dr. François Thiérry (1787) und sein österreichischer Kollege Johann Peter Frank (1788) forderten die Errichtung von Leichenhäusern, in denen alle Verstorbenen so lange aufbewahrt werden sollten, bis die Fäulnis einsetzte.
Das erste Leichenhaus Europas wurde in Weimar errichtet. Sein Schöpfer war der dortige Arzt Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836). Von Franks Appell begeistert, hatte Hufeland 1790 im »Teutschen Merkur« des Dichters Christoph Martin Wieland ebenfalls zum Bau von Leichenhäusern aufgerufen. Auch er sah die Verwesung als einziges untrügliches Todeszeichen an.
Christoph Wilhelm Hufeland, später »Königlich Preußischer Geheimer Rath und wirklicher Leibarzt«, war ein tatkräftiger Mann. Heute gilt er als Pionier der Gesundheitsvorsorge, Humanist und Reformator des Gesundheitswesens; seine großen Werke gehören zur klassischen Literatur der Medizin. Neben Wilhelm von Humboldt und den Ministern vom Stein und Altenstein zählt er zu den Begründern der Berliner Universität und wurde zum ersten Dekan ihrer medizinischen Fakultät berufen.
Mit wohlwollender Unterstützung des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757–1828) sammelte der junge Doktor Hufeland in Windeseile großzügige Spenden, und schon 1792 stand das nach seinen Plänen gebaute »Todtenhaus« auf dem Weimarer Jakobsfriedhof. Es war im Winter beheizbar, der Leichnam wurde in einem Sarg mit Luftlöchern aufbewahrt, Fäden an Händen und Füßen waren mit einer Schelle in der Wachstube des Totenwärters verbunden. Dieser musste durch ein Fenster die acht Bahren in der Leichenkammer beobachten. Hier sollte der Leichnam »mit unbedecktem Gesichte so lange gelassen werden, bis sich die Zeichen der Fäulniß einstellen«, so Hufe-land in seinem umfassenden Nachschlagewerk »Der Scheintod oder Sammlung der wichtigen Thatsachen und Bemerkungen darüber in alphabetischer Ordnung« (1808).
Als Hufeland 1793 nach Berlin umzog, wurde auch dort 1795 auf einem Friedhof vor den Toren der Stadt ein Leichenhaus eröffnet. In Berlin setzte man ebenfalls auf ein System von Schnüren, die an den Fingern der leblosen »Gäste« befes-tigt und mit einer großen Glocke verbunden waren.
In den folgenden Jahren wurden in vielen weiteren Städten Leichenhäuser errichtet, darunter in München, Frankfurt, Breslau, Prag, Paris (Morgue) und auf dem Wiener Zentralfriedhof. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts baute man neue Leichenhäuser, oftmals monumentale Gebäude, die zu städtischen Sehenswürdigkeiten wurden.
Über eines der Münchener »Todtenhäuser« zu Beginn der 80er-Jahre des 19. Jahrhunderts schrieb der amerikanische Schriftsteller Mark Twain: »Ein gruseliger Ort, dieser weite Raum. In drei langen Reihen auf leicht schräg gestellten Brettern auf dem Rücken ausgestreckt waren dort 36 Leichen von Erwachsenen zu sehen – alle mit wachsbleichem, starrem Gesicht und alle in weiße Leichentücher gehüllt. An den Seitenwänden ... Alkoven, und in jedem lagen mehrere marmorgesichtige Kinder, ganz unter Hügeln von frischen Blumen versteckt ... Jede dieser fünfzig reglosen Gestalten ... trug an einem Finger einen Ring, von dem ein Draht zur Decke und von dort zu einer Glocke in einem Wachzimmer nebenan führte, wo Tag und Nacht ein Wächter sitzt, stets bereit, aufzuspringen und jedem aus der bleichen Gesellschaft zu Hilfe zu eilen, der, vom Tode erwacht, etwa eine Bewegung macht.«
Doch keiner erwachte. Schon zu Hufelands Zeiten war es um die Leichenhaus-Bewegung nicht mehr zum Besten bestellt. Viele einfache Leute weigerten sich entschieden, ihre Toten in den stinkenden Totenhäusern abzuliefern. In Breslau zum Beispiel wurden bis 1830 in 29 Jahren ganze 19 Leichen aufgenommen. Manche »Totenherbergen« litten oft wochenlang unter »Kundenmangel«; im Jahr 1837 stand selbst das große Leichenhaus in Frankfurt die meiste Zeit über leer.
Dr. Ernst Gottlieb von Steudel behauptete, im Königreich Württemberg sei zwischen 1828 und 1849 keine einzige Leiche in den Leichenhäusern wieder zum Leben erwacht. Auch der Pariser Leichenhausarzt Jules-Antoine Josat bemerkte 1845 nach dem Besuch in mehreren deutschen Leichenhäusern, dass man dort unter rund 46000 Leichen keinen einzigen Scheintoten entdeckt hatte.
Es schien offenbar chancenreicher, private »Vorsorge« zu treffen. Um sich gegen das Erwachen im Sarg zu schützen, verfügte zum Beispiel Frédéric Chopin (1810–1849), dass seine Leiche seziert wer-den solle. König Leopold I. von Belgien (1790–1865) ordnete an, erst eine Woche nach seinem Tod beerdigt zu werden. Auch der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788–1860) bestimmte, dass man ihn sechs Tage nach seinem Ableben unangetastet im Bett liegen lassen solle.
Selbst Alfred Nobel (1833–1896), Erfin-der des Dynamits und Stifter des gleichnamigen Preises, ließ sich von der all-gemeinen Scheintod-Angst anstecken. Sein Testament schließt mit dem Satz: »Schließlich ordne ich als meinen ausdrücklichen Wunsch und Willen an, dass mir nach meinem Tod die Pulsadern geöffnet werden und dass, nachdem dies geschehen und von kompetenten Ärzten deutliche Anzeichen des Todes festgestellt worden sind, meine Leiche in einem so genannten Krematoriumsofen verbrannt wird.«
Als weitere Alternative (für eine betuchte Klientel) wurde schließlich der Sicherheitssarg erfunden. Über den ersten »Benutzer« eines solchen Kastens schrieb Hufeland unter dem Stichwort »Ferdinands von Braunschweig Vorkehrung gegen seinen Scheintod«: »Der am 3. Juli 1792 verstorbne Herzog Ferdinand von Braunschweig ließ noch bei gesunden Tagen, aus Besorgniß, leben-dig begraben zu werden, sich einen Sarg verfertigen, auf welchem ein Fenster, desgleichen eine Luftröhre angebracht war. Auch hatte er verordnet, daß ein Schlüssel mit in den Sarg gelegt werden sollte, um im Falle des Erwachens letztern von inwendig aufschließen zu können.«
Professor Jan Bondeson war erstaunt über »die Besessenheit der Deutschen von der Idee des Sicherheitssargs«, die sogar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch anhielt. Begeisterte Er-finder, oft besorgte Seelenhirten, ließen über dreißig verschiedene Modelle patentieren. Darunter Särge mit Filter (gegen Sand und Staub), mit Frischluftzufuhr oder einem »starken Feuerwerkskörper«, durch »dessen Detonation der vorzeitig Bestattete sein Wiedererwachen selbst auf einem großen, verlassenen Friedhof weithin vernehmbar kundtun konnte«.
Konstruiert wurden Särge mit starken Federn, um den Deckel aufspringen zu lassen, mit Leitern und sogar mit Schleudersitz. Letzterer wurde jedoch offenbar nie gebaut. Die meisten Sicherheitssysteme waren mit Röhren für die Luftzufuhr versehen, an deren oberen Ende Glocken oder Signallampen für Aufmerksamkeit sorgen sollten.
Der Königlich Hannoversche Hof-Medicus Dr. Johann Gottfried Taberger beschrieb 1829 einen besonders gründlich durchdachten Sicherheitssarg: Kopf, Hände und Füße der Leiche waren über Bänder mit einem Glockenseil verbunden, das durch eine Röhre führte. Jede Bewegung, jedes unbewusste Zucken sollte Alarm auslösen. Ein Gehäuse um die Glocke sicherte sie vor unbeabsichtigtem Bimmeln durch Wind oder Vögel. Der Tote im Sarg war vor Regenwasser geschützt, ein feines Netz in der Röhre hielt Insekten ab. Und ein in Chlorkalk getränkter Schwamm in der Röhre sollte das Ausströmen von Verwesungsdämpfen verhindern. Sonderlich hilfreich waren alle diese Erfindungen nicht. Dass solche Särge tatsächlich Leben gerettet haben, ist nicht seriös überliefert. Die Unterstützer der Leichenhaus-Bewegung sahen in ihnen sogar einen Verrat an Hufelands edler und menschenfreundlicher Idee.
Wie viele Menschen im 18. und 19. Jahrhundert tatsächlich lebendig begraben wurden, bleibt Spekulation. Eifrige Jünger Hufelands behaupteten kühn, bis zu einem Zehntel aller Menschen würden lebendig unter die Erde gebracht. Aber sowohl diese wie auch alle anderen Zahlen sind schlicht aus der Luft gegriffen. Auf jeden Fall ebbte die Angst vor dem Scheintod am Ende des 19. Jahrhunderts ab. Staatliche Vorschriften über die Leichenschau und Beerdigungsfristen sowie eine weitgehend sichere Todesdiagnostik nahmen der Scheintodangst ihre reale Grundlage.
Dennoch, ganz ausgerottet scheint die Urangst vor dem verfrühten Begräbnis nicht. Selbst im 20. Jahrhundert tauchten immer mal wieder Berichte über Fälle von Scheintod in der Presse auf. Es klingt schauerlich, aber sogar Selbstmörder sollten sich am besten keinen kalten winterlichen Park aussuchen, um eine Über-dosis Tabletten zu schlucken. Sie könnten in dieser Umgebung sehr schnell erstarren und von voreiligen Ärzten für tot erklärt werden.
»Einige dieser vermeintlichen Suizidopfer«, schreibt Professor Jan Bondeson kühl, »sind wahrscheinlich lebendig begraben worden. Es ist keineswegs unmöglich, dass sie nach der Beisetzung in ihren Särgen erwachten, um einen viel schrecklicheren Tod zu sterben, als sie es ursprünglich beabsichtigt hatten.«
http://www.pm-magazin.de/a/der-horror-lebend-begraben-zu-sein
Welt der Wissens- PM
Interressant Weise ist tatsächlich möglich bei Scheintod, nicht mehr der Herz zu hören durch einer Herzfrequenz Apparat und die Achtmung ist unterbrochen.
Es gibt bis heute solche Fälle............