- ich verstehe es nicht...
Ich glaube, ich verstehe die Problemstellung nicht richtig - und ich finde das auch garnicht einfach, weil die Frage so viele Aspekte auf einmal anspricht, zumindest bei mir.
Die Qualität einer Begegnung Verliebter liegt doch oft in in einer Art Verrücktheit; verrückt insofern, alsdas man eben weniger auf die Eigenschaften und Handlungsweisen des Anderen schaut als vielmehr auf den Menschen selbst; man ist betört, erregt, neugierig, fasziniert; Du weisst was ich meine. Mit zunehmender Zeit, die man sich kennt und zusammen ist, verliert sich des öfteren der Blick in die Augen auf den Blick genau auf die Dinge, die anfangs gar nicht so wichtig erschienen: das eine nervt, das andere stört, das dritte triggert einen immer wieder blöde an - und man muss sich auseinandersetzen und eben gerade darum bemüht sein, den anderen nicht mit seinen Handlungsweisen, seinen vielleicht wirklich schwierigen Macken mit ihm selbst zu identifizieren. Dazu kommt, das man in dem Anderen plötzlich auch ein Gegenüber hat und man sich auch mit sich selbst auseinander setzen muss. Irgendwann kommt zu der Leichtigkeit Verliebtheit auch die Ebene Beziehung hinzu.
Der nicht auszuweichen, sondern eben genau in diesen Austausch auch zu gehen, halte ich für ganz wichtig. Ich denke gerade darüber nach, ob es nicht sogar sehr sinnvoll sein kann, diese Ebenen irgendwie getrennt wahrzunehmen - mich sozusagen selbst aufzufordern, den Blick immer wieder in die Augen des Anderen zu richten, ruhig zu werden, nichts zu sagen und nichts zu werten. Um dann wieder in einer -ja vielleicht erfrischten fokussierten Weise die Beziehungsebene wahrzunehmen. Also sozusagen mir immer wieder bewusst zu machen, das die Beziehungsebene ganz schnell ein eigenes Etwas bekommt; ein Dritter im Bunde, der eine ganz eigene Dynamik entwickelt, ganz viele Handlungen, Funktionen und Muster einfordert, ohne das man sie wirklich will. All die Funktionsübertragungen, Übergriffe und Machtspiele - sie haben mit uns, unserer eigenen Biografie, Konstellation, Ängsten und Vorstellungen zu tun. Und es ist toll und ein riesiger Schatz an Möglichkeiten, die uns unser Gegenüber auf Beziehungsebene da gibt, diese Dinge bewusst werden zu lassen, sie anzugehen.
Dieses Aufeinander-Einlassen und nicht Ausweichen finde ich fundamental wichtig, und ich finde Polyamory als Beziehungsform für mich ganz falsch, wenn es so gelebt wird, das ich meine Bedürfnisbefriedigung auf mehrere Menschen verteile und den einzelnen Beteiligten da ausweiche, wo sie mich nerven oder ich sie nerve; wo das Gegenüber "schwierig" wird oder "mir was fehlt".
Noch einmal zurück: gerade wenn ich nur noch auf Beziehungsebene bin, das heisst mich verstrickt habe in Handlungen, Funktion, Übertragungen und den Anderen selbst "garnicht mehr sehe", mich selber auch garnicht mehr gesehen fühle, habe ich ja garkeine andere Chance mehr, mich irgendwie attraktiv für den Anderen zu machen, indem ich noch mehr Funktion übernehme; versuche, ihm gerechter zu werden, irgendetwas zu bieten, was er vermeintlich braucht und schön findet und vermeide, mich ihm zuzumuten. Ich verlasse immer mehr die Ich-Du-Ebene.
Und das ist eben für mich die Frage nach Qualität einer Liebe (jetzt endlich die Kurve zu Deinem Eingangspost gefunden
). Eben nicht auszuweichen, nicht zu gehen, weil anderes attraktiver erscheint, sondern den Anderen in mir suchen, in die Augen schauen, hinführen, die Beziehungsebene sozusagen verlassen und den gemeinsamen Raum pflegen, der viel tiefer liegt und viel grösser ist.
Versuche ich, dem Anderen irgendwie das zu sein, was er jetzt vermeintlich braucht, bin ich sowieso nicht mehr Ich; für mich nicht, für den Anderen aber auch nicht. Versucht mir mein Gegenüber etwas zu tun, was mich befriedigen könnte; mir tut es weh zu sehen, wie sie sich verbiegt und nicht mehr bei sich ist. Und ich habe die Anbindung verloren.
Daher: ja wenn ich diese Qualität nicht empfinde, wenn ich unseren LiebesRaum nicht habe, tut es mir ungemein weh, wenn sie geht und woanders eine Qualität sucht. Sozusagen wirklich geht; von mir gehen muss, um bei wem anderen sein zu können.
Aus der Fülle heraus, aus eben beschriebener Qualität der Liebe, ist das ganz anders. Dann ist das immer noch abhängig von meiner momentanen Stärke und Anbindung an mich selbst, und dann können immer noch ganz blöde Gefühle und Ängste und Wut aufkommen, und auch Konkurrenzgefühle - aber kann ich mich anbinden an meine Liebe, habe sozusagen den beschriebenen LiebesRaum mit ihr.
Das heisst übrigens Verbindlichkeit für mich.
Ich selbst kann auch garnicht zu einer Anderen gehen, empfinde ich diesen LiebesRaum nicht. Ich habe da nie Platz für gehabt, wenn es uns schlecht ging oder schwierig - gerade dann wäre ich fremd gegangen.
War nicht Deine Frage, oder? Ich sag ja, das mit dem Verstehen...