Sex außerhalb der Partnerschaft?
Wenn ich mir anschaue, wie viele Probleme unser Umgang mit Sexualität inner(bzw. außer)halb einer beständigen, auf Dauer angelegten Beziehung verursacht, frage ich mich, ob es sinnvoller sein könnte, das Bedürfnis nach Sexualität "outzusourcen", wie es auf neudeutsch so schön heißt.
Meint: es gibt einen oder mehrere Menschen, mit denen lebe ich in Alltagsharmonie, Liebe, Sicherheit, Geborgenheit, Partnerschaft grundsätzlich ohne Sexualität. Beziehungen dieser Art leben ohnehin von der Nähe und alltäglichen Verbundenheit in Solidarität.
Und/oder ich lebe - ggf. erst ab einem gemeinsam bestimmten Zeitpunkt - mit einem oder mehreren Menschen in Erotik, Sinnlichkeit, Begehren und Leidenschaft. Das lebt alles ohnehin besser von einer gewissen Distanz.
Das Wort "Liebesbeziehung" erscheint mir wie ein Paradox. "Liebe" meint für mich u.a., einen Menschen frei Sein lassen und sein Sein als Geschenk wahrzunehmen zu können. Welche und wessen Bedürfnisse dabei erfüllt werden, ist nicht wesentlich.
"Beziehung" hingegen meint Bedürfnisbefriedigung.
Das alles geht in einer Konsum- und Wohlstandskultur, die den Wert der Individualitätsentwicklung betont, nur selten zusammen, weil unsere emotionale, moralische und pädagogische Entwicklungskultur den Wechsel noch gar nicht abbildet und gleichzeitig die christlichen (Liebes)Werte an Bedeutung verloren haben.
Schon die Vorstellung, dass Paare bei zurzeit nicht lösbaren Konflikten zu diesem Thema ihre Sexualität (zunächst einmal auf Probe) für einen längeren Zeitraum jeder für sich außerhalb der Beziehung/Partnerschaft leben wollen, könnte aufzeigen,
• ob wir lieber unsere Bedürfnisbefriedigung oder lieber unsere Liebesverbindung mit einem Menschen leben wollen, und
• ob der Wert der Sexualität
für eine Partnerschaft (nicht für meine Persönlichkeitsentfaltung!) verhältnismäßig ist.
Anders gesagt: bin ich bereit, meine Partnerschaft, der ich einen hohen Wert gebe, aufzugeben, nur weil ich mit meinem Partner keinen Sex mehr habe, wohl aber mit anderen?
Im Nachdenken darüber finden wir vlt. in unserem Polyl(i)eben die Relikte gesellschaftlicher Prägungen, z.B. "einer für möglichst Vieles". Lautet das romantische Dogma "Sex nur mit mir und niemals mit anderen" auf Poly-nesisch lediglich "Sex mindestens und immer
auch mit mir"?
Da wird die Liebe manchmal so sehr von den Bedürfnissen überholt, dass die Liebe außer Sichtweite gerät oder auf der Strecke bleibt.
Vlt. führen auch diese Umstände zu den im Artikel so treffend bissig kommentierten Zuständen und wirken auf unser Erleben der Polyamorie.
T
M