Dass es (gerade) beim Schreiben oft zu Missverständnissen kommen kann, ist leider wahr. Besonders wo es um Emotionen geht, reichen Worte nur sehr bedingt, um zu beschreiben.
Wer will Liebe allgemeingültig definieren?
Wir schreiben somit hier über ein Gefühl, das jeder subjektiv spürt/definiert und welches sogar im Empfinden Desjenigen, der es spürt, so unterschiedlich ist, wie die Menschen, denen gegenüber es empfunden wird.
Ich vermute mal, dass ein polyamor empfindender Mensch "Liebe" etwas weiter fasst, als ein monogam Fühlender.
Könnte das sein?
Mit "weiter fasst" meine ich jetzt nicht, dass unter den Begriff "Liebe" mehr gepackt wird, sondern, dass es einen andren Blickwinkel gibt - das "emotionale Blickfeld" einen größeren Radius erfasst.
Schräger Gedanke?
Unsere Sozialisierung ist sicher unterschiedlich, aber... wir leben alle hier in dieser Kultur, in der sich Monogamie als "das Normale" zu behaupten SCHEINT.
Obwohl sich das Hoffen auf die Errettung durch den Traumprinzen
für viele Menschen bereits als unrealistisches Luftschloss entpuppte, wird an der Romantik in Filmen, Büchern und... auch in manchem Alltag festgehalten.
In der Verliebtheits-Phase suggerieren Hormone, dass an all dem ja auch was dran sein könnte. Die meisten jüngeren Menschen sehnen sich wohl nach "der großen Liebe"...
Oder, dachtet ihr - so ihr es denn tut - schon mit 15-20 an ein erfülltes Lieben durch polyamores Empfinden?
Ich nicht.
Bei mir war es eine Entwicklung - keine bewusste Entscheidung, sondern ein Empfinden, welches zu einer gewissen Zeit in mein Leben kam - als ich merkte, wie schwer es doch ist (wie im "romantischen" Film) sich zu entscheiden - und wie unmöglich es plötzlich erschien, dass dem Für- auch ein Gegen-einen-Menschen folgen sollte.
Ist es wirklich ein im menschlichen Sein angelegtes Verhalten/Empfinden, das Gefühl zu lieben als so einigartig zu erleben, dass es weiteren Menschen gar nicht gelten kann?
Sind wir "Opfer" der Sozialisierung in einer Gesellschaft (Familie, Bekanntenkreis, Dorf, Stadt,....) ?
Oder, sind wir "Opfer" unserer persönlichen Erfahrung, die uns im weiteren Leben schmerzlich die Erkenntnis brachte, dass "der/die Eine" und die Exklusivität von Liebe/Beziehung/Verbundenheit zu einer ggf. zu großen Abhängigkeit und zu einem Vertrauen geführt hat, welches letztendlich enttäuscht wurde?
Wenn ich lese, dass Sexualität auch in monogamen Beziehungen mit Weiteren ausgelebt wird, es dann eben "Fremdgehen/Hintergehen" ist... , so denke ich daran, dass ich tatsächlich einige Menschen kenne, die dem Partner ewige Treue schworen und dann doch eine Affäre hatten.
Die Realität und sehr Vieles, was zu beobachten ist, zeigt somit, dass die lebenslange, innige Liebe nur eine Wunschvorstellung ist und niemand wirklich "alles" für einen Menschen sein kann?
Muss eine exklusive Liebe denn "alles" sein?
Während meiner Ehe fühlte ich mich geborgen und sicher und es gab für mich - tatsächlich - viele Jahre "diesen Einen".
Meine Familie erlebte ich als "Oase" im Leben und glaubte fest an den Bestand dieser Liebe - in Treue und Achtung.
Erst, als dieses Gefühl erschüttert wurde und ich meinen "sicheren Raum" als einsturzgefährdet empfand, stellte ich die Exklusivität einer Liebesbeziehung infrage...
Würde ich nicht - ohne diese Erfahrung - auch heute noch an dem Gedanken festhalten, dass es "den Traumprinzen" gibt, selbst, wenn er nicht auf einem Schimmel dahergeritten kommt und Kompromisse nunmal Bestandteil von Verbindungen sind?
Schwer, das heute zu beurteilen, WEIL es eben ganz anders kam.
War das Sich-nicht-mehr-an-"den Einen"-binden-Wollen/Können ein Selbstschutz, oder... eine (Weiter-)Entwicklung, die - irgendwann - aus mir heraus erfolgt wäre?
Das alles ist mühselig zu überdenken und - ich denke - unmöglich zu beantworten.
Die Gedanken dienen aber dazu, zu erkennen, dass es eben NICHT "nur" den einen- , oder den anderen Weg im Leben geben muss.
Es ist nicht schwarz-weiß und genauso wenig mono-poly (vermute ich).
Für den Einen sind Sehnsüchte ganz/beständig klar - für den Anderen.... im Fluss des Lebens veränderbar.
Ich denke nicht, dass mein polyamores Fühlen eine Art der Flucht ist, aus Angst vor der Begrenzheit der Exklusivität - und deren Konsequenz (positiv, wie negativ). Schließlich machte ich ja die Erfahrung, dass in der Liebe zu mehr als einem Mann, NICHTS weniger schmerzhaft ist und ich "meine Poyamorie" in jeweils 2 (exklusiv liebend empfundenen) Beziehungen erlebte, die letztendlich genauso 2 Zweierbeziehungen waren, in denen ich - mit allem Fühlen - "nur" gleichzeitig steckte.
SO anders im Empfinden waren diese somit doch gar nicht.
Dass polyamor fühlende Menschen SO anders lieben, glaube ich gar nicht. Sie lassen "nur" gleichzeitig zu, was andere ggf. in Serie leben.
Jeder Mensch muss - sofern er das kann - danach entscheiden, womit er glaubt, glücklicher/im Einklang mit sich und der Welt, leben zu können und zu wollen.
Ein "Besser" oder "Schlechter" gibt es dabei (denke ich) genauso wenig, wie ein "Richtig" und "Falsch".
Es gibt auch kein "weiter" in Form einer Entwicklung, die man in eine konkrete Mono- oder Poly-Richtung gehen kann. Weder der eine-, noch der andereMensch ist "weiter" in einer Art Entwicklungsstadium, was ein (Be-)Urteilen unmöglich macht und alle auf eine Stufe stellt.
Nur der ist eine Stufe "weiter", der auf dem Weg zu sich selbst - auf SEINEM Weg - weiter gekommen ist.
Bei mir persönlich ist das Eingestehen von Bindungsangst, aufgrund von schmerzhafter Erfahrung, sicher ein kleines Stückchen Weg zu mir selbst.
Durch die Liebe, die ich heute zu meinem Freund empfinde und durch all das, was er mir zeigt und mich an Liebe spüren lässt, verliere ich zunehmend meine Angst.
Das bedeutet nicht, dass ich nicht weiß und fühle, dass ich nicht nur einen Menschen wirklich lieben kann, aber... ich traue mich, noch einmal eine Verbindung zuzulassen, die für mich die Exklusivität verdient hat, die in der Monogamie gemeint wird.
Dies deshalb, weil ich nicht verletzen und achten möchte, so, wie auch ich geachtet werden will und deshalb, weil ich eine Geborgenheit fühle, die ICH in polyamoren Verbindungen NIE so stark empfinden konnte.
Jeder übernimmt Verantwortung für sein eigenes Leben und auch für die Menschen, die er liebt.
Wir landen immer wieder an Kreuzungen, an denen wir uns für einen Weg entscheiden, um nicht im Stillstand zu verharren.
Das Leben ist bunt und vielfältig, wie die Menschen, ihre Erfahrungen und die daraus resultierenden Einstellungen.
Wir haben die Freiheit, uns zu entscheiden - auch, als Poly für das "Wagnis"
einer monogamen, exklusiven Beziehung, WENN "der Richtige" kommt....