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Vom Wert naiven Vertrauens

*******yson Mann
215 Beiträge
Themenersteller 
Vom Wert naiven Vertrauens
Liebe Leute,

ich habe das Konzept des naiven Vertrauens entdeckt, von dem ich glaube, dass es in polyamoren Lebensentwürfen (aber nicht nur dort) hilfreich ist.

Ich lebe polyamor mit Frau und zwei Parallelbeziehungen.
Alle Frauen haben auch andere Beziehungen/Partner/Abenteuer und alle kennen und mögen sich.

Bis vor ein paar Wochen habe ich trotz relativer Eifersuchtsarmut immer wieder kleinere (mit einer Ausnahme wirklich kleinere, aber doch lästige) Anfälle von Neid, Verlustangst und Selbstwertgefühlsinfragestellung gehabt - obwohl meine Partnerinnen mich ganz offensichtlich lieben bzw. lieb haben und ich regelmäßig wundervolle Zeiten mit ihnen verbringe.

Mit den Unsicherheitsmomenten einher ging diese spezielle, hypersensible Aufmerksamkeit für Äußerungen oder Handlungen des Partners, die irgendwie als Hinweis auf Probleme dienen könnten: "Warum dated sie jetzt nach Monaten wieder jemanden?", "Ups, und gleich noch jemanden?", "Kommuniziert sie irgendwie anders als sonst?", etc.
Kennt Ihr das?

Ich frage mich in meinem Fall, ob das seinen Ursprung in einem "Zu gut, um wahr zu sein"-Effekt hat oder in einem noch tiefer liegenden "Vielleicht habe ich dieses Glück nicht verdient, deshalb stelle ich es lieber in Frage"-Gefühl. Wie auch immer.

Meine Lösung: Naives Vertrauen.

Naives Vertrauen in die Liebe und Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit und Achtsamkeit meiner Partnerinnen. Kein Zweifel, keine negative Aufmerksamkeit, keine selektive Wahrnehmung. Statt dessen Fallenlassen in die Haltung: "Alles ist gut."

Die Überlegung: Unsicherheit und Misstrauen (und sei es noch so klein, wie es in meinem Fall war) helfen einer Beziehung überhaupt nicht. Sie wirken vielleicht sogar wie eine selbsterfüllende Prophezeihung.

Angenommen, es ändert sich etwas mit einer meiner Partnerinnen. Dann gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Sie erzählt mir davon, und wenn ich die Änderung selbst ausgelöst/verursacht habe, kann ich darauf aufmerksam werden und uns vielleicht "retten".

  • Sie erzählt davon, und die Änderung ist durch etwas Äußeres ausgelöst, z.B. eine neue Bekanntschaft, mit der sie mehr Zeit verbringen will. Dann kann ich da eh nichts dran ändern und will mich lieber freuen, ihr die Freiheit geben zu können.

  • Sie erzählt mir nicht davon, und die Änderung ist durch etwas Äußeres ausgelöst. Dann merke ich das irgendwann, weil es sehr deutlich wird, oder es geht von allein vorbei.

  • Sie erzählt mir nicht davon, und ich habe die Änderung selbst ausgelöst. Irgendwann merke ich es, weil es sehr deutlich wird, und vielleicht ist es dann zu spät, uns zu retten. Dann habe ich eine gute Zeit gehabt, die endet. Dadurch wird die gute Zeit nicht schlechter.
    Und: Das Szenario ist das unwahrscheinlichste, denn meine Partnerinnen kommunizieren ziemlich gut bis sehr gut, und es ist ja in ihrem eigenen Interesse, mich auf gefährliche Defizite oder Probleme in unserer Beziehung hinzuweisen und Lösungen zu finden.


Ein Aspekt ist, dass man mit naivem Vertrauen dem Partner mehr Verantwortung gibt, auf die eigenen Gefühle und die Qualität der Beziehung zu achten und über für den Anderen relevante Entwicklungen zu sprechen. Im Idealfall gilt das aber für beide Seiten und Richtungen.

Selbstreflektion und die offene und vertrauensvolle Kommunikation scheint mir im Mittelpunkt der Idee zu stehen.

Was sind Eure Gedanken und Erfahrungen dazu?
*******tal Frau
724 Beiträge
Einfach darauf Vertrauen
Das ist auch meine Lösung. Und ich finde , sie tut allen Beteiligten gut.
*knicks*
Heisse Einblicke
*********perte Mann
8 Beiträge
Gut beschrieben
Interessantes Konzept. Schont eigene Nerven und bringt weniger Unruhen.

Ist Vertrauen nicht die Grundlage von jeder Beziehung!!??
*****e31 Mann
5.295 Beiträge
ich denke,
dass solte sie sehr wohl sein! Doch ist sie es auch tatsächlich immer??? *zwinker*
*********nchen Frau
5.062 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich bin von meinem Wesen her schon so veranlagt und ich vertraue auch nach wie vor gerne auf naive Weise.
Aber ich finde, es ist ein saudummes Gefühl, wenn dieses Vertrauen verletzt wird...
Da frage ich mich dann hinterher, ob es nicht schlauer gewesen wäre, nicht arg so naiv im weiteren Sinne an die Sache heranzugehen.
*******yson Mann
215 Beiträge
Themenersteller 
Ist sie eben nicht immer
Das - finde ich - ist die richtige Frage, Hansie31!

Es ist ja nicht so, dass das nicht jedem intellektuell bewusst wäre - letztlich ist es aber aber ein emotionaler Sprung, kein rationaler.
*******yson Mann
215 Beiträge
Themenersteller 
@tinchenbienchen: Dennoch
"Aber ich finde, es ist ein saudummes Gefühl, wenn dieses Vertrauen verletzt wird...
Da frage ich mich dann hinterher, ob es nicht schlauer gewesen wäre, nicht arg so naiv im weiteren Sinne an die Sache heranzugehen."

Was hättest Du dann gewonnen?

Es hört sich so an, dass Du dann im Rückblick lieber nicht mit dem Menschen zusammengekommen wärst.
*****e31 Mann
5.295 Beiträge
Du hast
so verdammt Recht! Es wäre vielleicht hier und da besser, wenn es hier und da auch ein rationaler Sprung wäre!

LG Oli
*********nchen Frau
5.062 Beiträge
Gruppen-Mod 
*******yson:
Es hört sich so an, dass Du dann im Rückblick lieber nicht mit dem Menschen zusammengekommen wärst.

Nein, gar nicht.
Aber wenn ich zB bei meiner letzten Beziehung früher auf mein "Aufmerksamwerden" geachtet hätte, wenn ich darauf mehr vertraut hätte, statt eben naiv auf meinen Partner zu vertrauen, dann hätte mir das einiges erspart.



*******yson:
Was hättest Du dann gewonnen?


Ich müsste mich im Nachhinein nicht dumm fühlen, vertraut zu haben, obwohl ich es besser hätte wissen können *zwinker*
Ich hätte früher aussteigen können, selbst wählen können, statt passieren zu lassen.
*******a_sn Frau
4 Beiträge
So naiv vertrauen zu können, ist eine meiner größten Sehnsüchte und ich konnte das immer ziemlich gut, bis ich zu oft damit auf die Schnauze geflogen bin, gerade in Poly-Beziehungen, weil mir dann vorgeworfen wurde: "du achtest nicht genug auf deine Grenzen" mit dem Hintergedanken, wenn sie mit sich nicht so vorsichtig umgeht, dann wird sie auch mit mir und meinen Grenzen nicht vorsichtig genug umgehen. Weil irgendwie Poly-Kommunikation dann auf einmal sehr viel um Grenzen ging. Jetzt habe ich gelernt, misstrauisch zu sein, rational an Beziehungen ranzugehen, langsamer Nähe zuzulassen (alles für meine Verhältnisse gemäßigt, ich war früher sehr, sehr naiv und impulsiv und hätte von einem Tag auf den anderen für eine neue Liebe alles stehen und liegen gelassen). Nicht unbedingt aus Angst, selbst verletzt zu werden, aber aus Angst darum, dass mein Vertrauen nicht wertgeschätzt wird und missverstanden wird. Aber im Grunde will ich wieder zu meinem absolut naiven Glauben an die Liebe zurück, wenn das nicht allen potentiellen Partner_innen Angst machen würde...
*********NGLER Mann
108 Beiträge
...
Naivität und Vertrauen schließen sich im dargestellten Zusammenhang m.E. aus bzw. gehören nicht miteinander verknüpft.
*********nchen Frau
5.062 Beiträge
Gruppen-Mod 
Und magst du auch erklären, warum du das so siehst?
*******yson Mann
215 Beiträge
Themenersteller 
Hm.
"Naiv" heißt für mich: Nichts Böses unterstellend, suchend, selektierend.

Seine Grenzen schütze ich auch mit naivem Vertrauen, sonst wären es keine Grenzen.

Vielleicht als positives Beispiel: Wenn eine Partnerin nach langer Pause wieder dated, würde ich sie auch mit naivem Vertrauen fragen warum.
Aber ohne implizite negative Erwartung fragen und der Antwort trauen.
***vy Frau
224 Beiträge
Naiv und klar
Ich mag mehr und mehr "und" setzen zwischen den Möglichkeiten statt entweder-oder-Konstruktionen. Man kann naiv in D_Ds Sinne sein (nichts unterstellend / nichts mißtrauisch beäugen) und klar sein in seinen Grenzen.

Mehr und mehr, ja tatsächlich zunehmend mit meinem Älterwerden, mag ich nichts immer sein müssen, also auch nicht immer naiv. Fehlerfreundlichkeit finde ich in Beziehungen auch wichtig, na und, dann bin ich mal doof eifersüchtig und mal plump angriffslustig. Wir sind keine professionellen KomminikatorInnen, sondern Menschen mit Stimmungen, alte Verletzungen und neuer Verwundbarkeit.

Mit ist das Wichtigste: zu sich zu stehen, auch mit seinen Dämlichkeiten und ehrlich zu sein mit seinen Liebsten, ehrlich sein heißt für mich: wissen lassen, wer ich bin und wofür ich stehe. Dem anderen eine Wahl geben. Und immer die Wahl zu haben!

Ich mag nicht so gerne im Nachhinein Dinge erfahren, ich werde gerne "mitgenommen" in der Entwicklung des/der Anderen. Dann erfahre ich mich oft auch als großzügig.

Es ist bald die Zeit zwischen den Jahren, ich freue mich auf die verlangsamte Welt!
**********le_bw Mann
151 Beiträge
Tiefes Vertrauen = Naiv?
Ich gebe ehrlich zu, dass mir die Kombination der Worte "naiv" und "Vertrauen" etwas Schwierigkeiten bereitet. Naiv vertrauen hieße für mich ohne Grund vertrauen, also ohne einschätzen zu können, ob ich diesem Menschen tatsächlich vertrauen kann. Und das hielte ich für ungesund und auch unnötig - wenn ich eine Person für ein, zwei Stunden kenne, dann habe ich ja schon ein gewisses Gespür dafür, ob ich vertrauen will oder nicht. Aber ich schweife ab...

Ich persönlich habe es sehr leicht, meiner Partnerin zu vertrauen, denn in den gut elf Jahren, die unsere Beziehung bereits dauert, hat ihr Handeln mir immer wieder gezeigt, dass ihr auch mein Wohlergehen sehr wichtig ist und sie es durch ihre Handlungen fördern möchte. Das hat es für mich auch so leicht gemacht, die Beziehung um ihren neuen Partner zu erweitern. Trotzdem habe ich sie viel zu ihrer neuen Beziehung gefragt, eben auch, um "mitgenommen zu werden", wie luvvy das so schön und treffend ausgedrückt hat. Ich will wissen, was im Leben meiner Partnerin passiert, was ihr wichtig ist, was sie beschäftigt, was in ihr vorgeht, nicht aus Misstrauen, sondern einfach weil sie mir so wichtig ist.

Aus meiner Erfahrung hat das Konzept des naiven Vertrauens (je nachdem, wie man es versteht) einen überraschenden Nachteil: Wenn man den anderen nicht auf Veränderungen anspricht, versagt man ihm/ihr die Hilfe, schwierige Themen anzusprechen. Das ist einfach manchmal eine mentale Hürde, die durch ein Nachfragen gesenkt wird. Bei allem Vertrauen, das meine Liebste in mich und meine Reaktionen hat - manche Gespräche werden einfach anstrengend sein, manches Besprchen und Abstimmen ist mühsam, und wenn da etwas Aktivierungsenergie von mir kommt und sie die nicht alleine aufbringen muss, führt man das Gespräch vielleicht früher.
Außerdem sehe ich die Möglichkeit, dass das naive Vertrauen generell zu weniger Nachfragen führt und damit beim Partner ein Gefühl des Desinteresses erzeugen könnte.

Für mich bevorzuge ich das vertrauensvolle Nachfragen, das David_Dyson ja auch in einem späteren Posting beschrieben hat:
Vielleicht als positives Beispiel: Wenn eine Partnerin nach langer Pause wieder dated, würde ich sie auch mit naivem Vertrauen fragen warum.
Aber ohne implizite negative Erwartung fragen und der Antwort trauen.
. Das heißt, ich gehe vom besten Fall aus, möchte aber trotzdem wissen, was Veränderungen ausgelöst hat, auch aus Interesse an meiner Partnerin. Vermutlich würde ich fragen "Hast Du Dich einfach verliebt oder brauchst/möchtest Du auch wieder etwas Veränderung?" Wenn ich bei ihrer Antwort das Gefühl hätte, dass da noch etwas mehr dahinter steckt, würde ich einfach ansprechen, dass mir das so vor kommt. Wenn sie dann antworten würde "Nein, da ist eigentlich nichts mehr", dann würde ich darauf vertrauen, dass das stimmt.

@*********nchen:
Aber wenn ich zB bei meiner letzten Beziehung früher auf mein "Aufmerksamwerden" geachtet hätte, wenn ich darauf mehr vertraut hätte, statt eben naiv auf meinen Partner zu vertrauen, dann hätte mir das einiges erspart.
Heißt das, Du hättest im konkreten Fall einfach eine solche vertrauenvolle Frage stellen sollen oder Du hättest seiner Antwort nicht vertrauen sollen? Falls Du den ersten Fall meinst, stimme ich zu, ich halte Nachfragen als eine Art des Kommunizierens praktisch immer für eine gute Idee. Falls Du meinst, Du hättest der Antwort nicht vertrauen sollen - wenn Du der Antwort nicht vertrauen kannst/darfst, ist es ohnehin zu spät. Es kann natürlich möglich sein, dass dann eine frühere Trennung rausgekommen wäre, die Dir einiges erspart hätte. Aber das muss man/frau natürlich immer gegen den Schaden abwägen, den grundloses Misstrauen in einer Beziehung anrichten kann. Ich persönlich irre lieber auf der Seite des Vertrauens, denn dann habe ich bei meiner Partnerin keinen Schaden angerichtet; aber das sagt sich für mich auch leicht, denn mein Vertrauen wurde bislang nie enttäuscht.

@*****ula:
bis ich zu oft damit auf die Schnauze geflogen bin, gerade in Poly-Beziehungen, weil mir dann vorgeworfen wurde: "du achtest nicht genug auf deine Grenzen" mit dem Hintergedanken, wenn sie mit sich nicht so vorsichtig umgeht, dann wird sie auch mit mir und meinen Grenzen nicht vorsichtig genug umgehen.
Nicht auf die eigenen Grenzen zu achten ist auch in anderer Hinsicht problematisch - wenn der Partner sie aus Unwissenheit übertritt, tut er Dir weh und schadet eurer Beziehung, ohne es im geringsten zu wollen. Und wenn die Grenze z.B. ist "bitte, fang mit der nichts an, ich komme nicht mit ihr klar" und Du sie ignorierst, befindet er sich vielleicht bald in einer Beziehung, aus der er dann auch nicht mehr so leicht herauskann/-will.
Mir ist es in einer Beziehung passiert, dass meine Partnerin ihre Grenzen in puncto Sex nicht kannte oder nicht benannt hat; sie hat mit mir zusammen experimentiert und merkte laut eigener Aussage erst deutlich später, dass ihr manches davon zu viel war. Unser Sexualleben litt dann sehr darunter, weil sie sich ab da beim Sex mit mir immer angespannt fühlte - und ich hatte keine Möglichkeit gehabt, das Problem zu sehen und abzuwenden.
Mein Fazit: Die eigenen Grenzen zu benennen hilft dem/der anderen, der Partner zu sein, der er/sie sein möchte.
*******yson Mann
215 Beiträge
Themenersteller 
@with_a_smile
Das ist ein so genialer Beitrag, dass ich ihm am liebsten drei Daumen geben würde.

Hinterfragt, präzisiert und erweitert meine Gedanken dazu aufs Beste.
*******yson Mann
215 Beiträge
Themenersteller 
@with_a_smile
Noch ein Gedanke zum Wort "naiv".

Das Wort ist natürlich eine Provokation, um sehr klar zu machen, in welche Richtung ich denke.

"Vertraut doch mal ein bisschen mehr" wäre irgendwie lahm gewesen, und auch nicht das, was ich meine.

Natürlich muss naives Vertrauen, das weit über den normalen Vertrauensvorschuss hinaus geht, auch erstmal verdient werden von einem (neuen) Partner.
*********on22 Mann
260 Beiträge
@luvvy
Ich mag nicht so gerne im Nachhinein Dinge erfahren, ich werde gerne "mitgenommen" in der Entwicklung des/der Anderen. Dann erfahre ich mich oft auch als großzügig.

Vertrauen ist gut, vielleicht auch ab und zu naiv vertrauen.
Aber auch ich weiß lieber, wohin die Richtung geht. Dann kann ich vielleicht auch mitgehen, noch etwas mitbestimmen, beeinflussen wohin die Reise geht.

Wenn ich plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt werde, liegt mir das nicht so besonders.
Schau mir in die Augen, Kleines (202311)
*********herz Mann
3.940 Beiträge
Vertrauen in Entwicklungen -
so nenne ich das für mich.

Es hilft mit bei Allem, das ich mir anders wünschen würde.

t*herz*m
*****al4 Mann
798 Beiträge
With a smile hat eine für mich wichtige Formulierung gewählt: [...]ob ich (der Person) vertrauen möchte oder nicht [...]
Unter Vertrauen versteht man meiner Meinung nach fälschlicherweise, das man Vorgaben und/oder Absprachen und/oder Verhalten vorgibt oder vom Gegenüber vorgegeben und bestätigt bekommt, und die dann bitte so einzuhalten sind. Wenn nicht, kann man nicht vertrauen. Ich finde das in Geschäftsbeziehungen und auch auf sachlicher Beziehungsebene durchaus richtig, nicht aber auf auf Liebesebene. Dort nämlich gibt man einen Vertrauensvorschuss, eine eigene Investition in Vertrauen, und zwar nicht in die Handlungsweise, sondern den Menschen selbst. Daran ist nichts naiv, sondern von Herzen entschieden. Und dann läuft einiges nicht so, wie man sich das gewünscht hätte, und es passieren "Fehler", oder der Partner verhält sich so ganz anders, als man es mit Vertrauen in die Person erwartet hat. Ist nicht perfekt, kann dann auch mal gegen jede Absprache völlig eifersüchtig sein und maulen und Nerven - ja. Macht aber nichts, denn das Vertrauen ist in den Menschen gegeben, nicht in seine Handlungsweise. Und mit diesem Vertrauen kann man dann auch ganz viel bewegen oder einfach auch mal laufenlassen. Und - ich kann mich abgrenzen, weil mir gerade die Handlung des geliebten Menschen so garnicht passt und vielleicht weh tut. Diese Abgrenzung hat nichts mit dem Vertrauen zu tun- ich muss mich nicht von dem Menschen trennen oder gar enttäuscht sein. Ich kann in Vertrauen auch einfach gut für mich sorgen und dabei im herzkontakt bleiben. Und da ist nichts, wirklich nichts naiv dran, im Gegenteil.
**********le_bw Mann
151 Beiträge
@*******yson: Wow, vielen Dank für dieses schön Kompliment! Es freut mich natürlich sehr, wenn Gedanken von mir ein positiver Beitrag für andere sind.

Die Wortwahl "naives Vertrauen" ist sehr griffig, und mir fällt grade auch nichts Besseres ein; manchmal bin ich bei Begriffen einfach ein Korinthenkacker, weil man sich so leicht missverstehen kann...

@****ral: Deine Unterscheidung zwischen Vertrauen in sachliche Beziehungen und Liebesbeziehungen finde ich einen sehr guten Punkte. Vermutlich meinen wir zum Thema Vertrauen in Liebesbeziehungen das Gleiche, aber ich formuliere es noch mal in meinen eigenen Worten.
Vertrauen in einer Partnerschaft oder auch in einer engen Freundschaft bedeutet für mich die feste Zuversicht, dass der Andere bei seinem Tun mein Wohlbefinden mit im Blick hat und nach Möglichkeit nicht dagegen handelt, sondern es zu fördern versucht. Es bedeutet die Überzeugung, dass der Andere mir gegenüber wohlgesonnen ist und gerade im Fall einer Partnerschaft mein Bestes will und ihm eine ähnliche Priorität einräumt wie seinem eigenen Besten - auch weil er weiß, dass es umgekehrt genauso ist. Und dann sehe das ganze Handeln des Partners in diesem Licht und gehe bei "Fehlern" davon aus, dass sie im Irrtum und mit den besten Absichten geschehen sind - im worst case, dass der Partner grade mal nicht nachgedacht hat.

Im Ergebnis ist Streit etwas extrem Seltenes, weil man sich bemüht, ein entdecktes Problem gleich konstruktiv zu lösen und den Kompromiss zu finden, der die Interessen aller Beteiligten am stärksten fördert.
Ich kann für mich mit dem Begriff "naives Vertrauen" nicht mehr viel anfangen, kann aber nachvollziehen, wenn Menschen einem solchen Ideal nachhängen resp. es anstreben. Und ich wünsche von Herzen, dass es mit Happy End erlebt wird.

Irgendwie geht mir der Ödipus nicht aus dem Kopf, der immer alles richtig machen wollte, aus edelsten Motiven handelte und dennoch dem Schicksal kein Schnippchen schlagen konnte. Wenn ich aus der Geschichte Lehren ziehen und ein Motto kreieren würde, hieße es: Erwartungslose Offenheit und Zugewandtheit. Gefällt mir persönlich besser als das Wort naiv. Dieser Begriff ist in meinem Inneren nicht positiv besetzt. So will ich auch nicht sein, egal wie lang und blumig die Erklärungen drumrum sind *g*.

Herzlich
*blume*
Falcon
****62 Frau
85 Beiträge
OmG.. Naives Vertrauen!
Ja. Das ist es, was mein Leben so nachhaltig geprägt hat. Und noch prägt.

Begegne ich einem Menschen, der das Zeug hat, mich zu begeistern und ganz tief etwas in mir berührt, dann stülpt sich diese "Käseglocke" des naiven Vertrauens über mich - über dieses Kennenlernen und es erzeugt so eine große Lust auf "ihn". Und dieses naive Vertrauen gebiert gleichzeitig diesen unendlichen Vertrauensvorschuss. Und genau das ist es, was wohl naiv ist....

Ich scheitere immer genau daran: ich vertraue und wünsche mir, dass meine Offenheit, meine Verlässlichkeit und auch meine Zärtlichkeit ebenso erwidert werden... und ich schaffe es einfach nicht, zu begreifen, dass das so nicht ist- und verstehe nicht, warum ...

Man nimmt sich, was man eben will. Und dann .. ja: und dann?

Blöde = naiv? Nicht dumm - aber einfältig?
Aber ich kann nicht anders.
**********le_bw Mann
151 Beiträge
@****62: Der Erstposter hat dieses 'naive Vertrauen' auf seine Beziehungspartner bezogen, die er schon gut kennt - ergo ist es kein vollständig naives Vertrauen und kein grenzenloser Vorschuss davon.

Meine Erfahrung ist die, dass Vertrauen dann am besten entsteht, wenn man abwechselnd Schritte zur Öffnung unternimmt. Ich gebe etwas über mich preis - zum Beispiel, dass ich ein ausgeprägter Beziehungsmensch bin. Mein Gegenüber erzählt, wie das bei ihm/ ihr ist und berichtet von einer entsprechenden Erfahrung. Ich erzähle von meinen Erfahrungen...
Was ich damit sagen will: Ein unbegrenzter Vertrauensvorschuss birgt ein deutliches Risiko für einen selbst. Aber ein gewisser Vertrauensvorschuss ist gut und wichtig, wenn man einen anderen Menschen kennenlernen und ihm nahe sein will. Wenn der andere zurückgibt, kann man selbst wieder mehr zurückgeben etc.
Vielleicht hatte ich einfach nur Glück, aber auf diesem Weg habe ich den Vorschuss nie bereuen müssen.

****62:
Ich scheitere immer genau daran: ich vertraue und wünsche mir, dass meine Offenheit, meine Verlässlichkeit und auch meine Zärtlichkeit ebenso erwidert werden...
Meine Erfahrung ist, dass ich anderen Menschen mit meiner Offenheit und gezeigten Wertschätzung manchmal überrenne und sie sich dann anders verhalten, als es bislang ihre Art war. Manche ziehen sich aus diesem gefühlten "Überfall" sogar zurück. Vielleicht hast Du Dich oft gar nicht getäuscht, sondern Dein Gegenüber war einfach nur mit Deinem Verhalten (das eine positive Abweichung von der Norm ist!) überfordert. Es klingt nicht schön, Offenheit zu dosieren - aber manchmal macht man es anderen leichter damit, sie zu akzeptieren.

*my2cents*
****62 Frau
85 Beiträge
Naiv. Ich würde es auch gern "erwartungslos" nennen. Aber wäre das ehrlich?
Nein: es gibt nur ganz ganz selten mal einen Menschen, dem ich dieses unbedingte (=naive?) Vertrauen entgegen bringe. Aber wenn, dann mit letzter Konsequenz!

Ich streue Asche auf mein Haupt: ich habe den threat nicht gewissenhaft gelesen -aber die headline traf mich so ins Herz! Da hab ich es eben einfach mal ausgeschüttet. (ich antworte auch meist nur selektiv...)

Und @**th a smile: ich bin bar jedes diplomatischen Geschicks. Wenn es mich trifft, dann kann ich nicht anders. Taktieren ist nicht mein Ding. Oder ganz simpel: ich kann nicht "vorsichtig". Und ich will es auch nicht. ..oder ich wäre eben nicht mehr ich.

Selbst wenn man es Vorsicht nennt: sich selbst verleugnen - und das wäre es für mich - ist nicht der richtige Weg. Wieso ist es so en vogue, schaumgebremst und angepasst, mit äußerster Vorsicht und abwägend zu agieren?

Wo bleiben wir denn da?
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