Ich denke, dass es kein Widerspruch ist, die Frage mit "sowohl als auch" zu beantworten.
Die Frage, ob polyamores Fühlen in der Natur des Menschen liegt - also grundsätzlich angeboren ist - kann ich natürlich nicht beantworten. Es erscheint mir aber nicht unlogisch zu sein, dass ein Mensch mit uneingeschränkter Fähigkeit zu lieben geboren wird.
Die Familie und der Bekanntenkreis weist den Großteil dann sicher in die Schranken, da die Wenigsten heute (vermute ich mal) in Haushalten aufwachsen, in denen eine freiere Liebe gelebt wird.
Dieses Einschränken bezieht sich - wie ich das empfinde und erlebe - oft gar nicht auf das Gefühl Liebe, sondern auf das Ausleben von Nähe und Sexualität.
Mann/Frau "darf" ruhig mehrere Menschen lieben, solange es um geschwisterliche- , oder rein platonische Liebe geht.
Steht eine Liebe aber in Verbindung mit Verlangen und Lustempfinden, so "darf" (nach dem Erleben/Vor-leben mit Beginn der Erziehung, bzw. Erfahren durch gemachte kindliche Beobachtung)
es nur den Einen/die Eine geben, weil - so denke ich mal
- vor x Jahren Religion und Kirche die enorme Macht dieser Empfindungen mittels Einschränkung und Moralpredigten zu kontrollieren versuchte...
Außerdem weiß das heute doch auch jeder aus zig romantischen Filmen
.
Dass äußere Zwänge und Gesetze nicht wirklich in der Lage sind menschliche Gefühle in Normen zu zwängen, wird durch Fremdgehen, oder serielle Monogamie etc. zwar ersichtlich, aber es bleibt doch in den Köpfen Vieler die Sehnsucht nach Exklusivität - und der Traum von der großen, romantischen "Liebe des Lebens"
.
"Frei" entscheiden können wir uns - bedingt - denn das funktioniert so lange, bis wir ein leidenschaftliches Gefühl zu wem Weiteren empfinden. Auch dann können wir uns entscheiden, ABER die Freiheit, dies zu tun, ist nur dann gegeben, wenn uns der bisherige Partner diese Feiheit zugestehen kann.
Kann er das nicht, ist eine Entscheidung FÜR das Ausleben einer Liebe immer die Entscheidung gegen das Ausleben der anderen Liebe
.
Um die Anfragsfrage aus meiner Sicht zu beantworten:
Ich denke, dass wir alle poly geboren werden und uns das Empfinden - wie viele andere Empfindungen - "abtrainiert" wird.
Geschürt wird die Angst, was bedeutet, dass es Empfindungen wie Verlustangst und Eifersucht, die wir schon in frühester Kindheit erlebten, auch noch im Erwachsenenalter als Bedrohung erscheinen, so dass wir uns lieber "fügen".
Mit "uns"
meine ich - logisch
- nicht alle. Gerade hier in der Gruppe sind ja Menschen, die diese Mechanismen hinterfragen.
Trotz allen Hinterfragens, hat mein Kopf sich - nach Jahren des Anderslebens - ganz bewusst FÜR die Monogamie als Beziehungsform (für mich!) entschieden.
Negative persönliche Erfahrungen mit dem ehrlichen, offenen Ausleben von Beziehung zu mehr als Einem haben mir gezeigt, dass ICH selbst (in diesen Lieben) das Gefühl von Geborgenheit nur kurzfristig hatte und dass ich (und vielleicht auch die Beteiligten?) sexuelle Freiheit mit dem Verlust von Geborgenheit und Zugehörigkeit "bezahlt" habe.
Ich bin wohl auch ein Kind dieser Gesellschaft
, das das, was es heute hat/fühlt/erlebt nicht mehr missen will
.
Erziehung hat somit "gewirkt".
Das (polyamore) Bauchgefühl bleibt aber - wider aller Regeln und Gedanken.
Ich werde wohl immer poly bleiben, aber so, wie hier so manche Schreiber der Ansicht sind, sich zum Poly "entwickelt" zu haben, bin ich der Ansicht (und der Hoffnung), mich dort weg zu entwickeln - eben durch die Erfahrungen meines Lebens.
Gegen seine Natur fühlen, kann man natürlich nicht, ABER man kann sich - trotz des Fühlens - entscheiden, was das Handeln betrifft.
"Als Poly geboren, oder dort hin entwickelt?"
Nein - umgekehrt!
Ich hoffe
, mein Bauch bekommt diese Info vom Kopf auch .... irgendwann...
Aufgrund der starken Gefühle zu meinem Partner (und so manch aktueller Entwicklungen) bin ich da aber ganz zuversichtlich.