Und plötzlich waren es zwei...
Wie schon in meiner Vorstellung erwähnt, entdecke ich Polyamorie gerade sehr neu... auf eine sehr unerwartete Weise, welche mich selbst sehr verunsichert und ein reines Wechselbad der Gefühle auslöst...Ich hoffe, durch das Erzählen und ggf. den Austausch mit anderen, die dies erlebt haben / erleben, dies kennen und / oder verstehen bzw. Ihre Erfahrungen damit gemacht habe, vielleicht ein wenig meine eigene Sicht und Gefühlswelt zu sortieren und zu verstehen und einen (hoffentlich) zufriedenstellenden Umgang damit entwickeln zu können.
Ich war bis vor kurzem immer ein großer Anhänger von "der einen großen Liebe".
Das Gefühl, dass es DEN EINEN RICHTIGEN für einen gibt... das es kein Verlangen nach jemand / etwas anderem geben kann...
Ich befand mich bisher in 3 langjährigen Beziehungen monogamen Beziehung... aber das große Glück, die Zufriedenheit und alles, was ich mir von einer Beziehung erwünsche / erhoffe - Bedürfnisse / Wünsche / Vorstellungen - sind offensichtlich auch nicht befriedigt und erfüllt worden...
Ganz allgemein bin ich ein Mensch, der sehr extrem viel Nähe und Zuneigung benötigt - diese auch räumlich betrachtet. Ich liebe es, mit meinem Partner viele verschiedene Dinge gemeinsam zu unternehmen, gemeinsame faule Abende zu verbringen und vor allem brauche ich es einfach mal l im Arm liegen und die Nähe spüren - Zuneigung austauschen (naja, und Lust aufeinander brennt ja auch in einem).
Im Oktober letzten Jahres war ich gerade im Prozess, mich langsam aus einer alten - sehr belastenden und unglücklichen Beziehung emotional zu lösen, wo mir vor allem das Gefühl von Nähe, Vertrauen und Geborgenheit extrem fehlte.
Und mitten drin machte ich dann auf einer Veranstaltung eine Bekanntschaft, welche sich sehr langsam immer weiter entwickelt hat.
Da zwischen mir und diesem Herren eine große Distanz liegt (daher nenne ich ihn mal Mr. Fern), habe ich mich von Anfang an emotional schwer auf ihn einstellen können.
Allerdings tat mir das Flirten und die Lockerheit sehr gut - er war sehr sympathisch und jede Nachricht, die ich mit ihm tauschte, hat mich zum Lächeln gebracht - es stimmte so auf ganzer Linie, der Humor, viele Interessen... und ich merkte, dass ich immer mehr emotionale Verbundenheit entwickelt habe...
Gleichzeitig war aber immer diese leise Stimme im Hinterkopf, dass dies nichts "Ernstes" werden kann, da ja diese Distanz zwischen uns liegt...
Schlussletztendlich konnte ich mich jedoch der tiefergehenden emotionalen Entwicklung nicht entziehen und wir haben beide bemerkt, dass wir uns näher stehen und das uns einfach mehr verbindet, als einfach nur etwas locker freundschaftliches oder ein purer Flirt - das war Anfang Januar.
Zeitgleich, wo wir beide das so miteinander feststellten und drüber nachdachten, ob wir es auf eine ernstere Beziehung ankommen lassen, begegnete ich einer sehr alten Bekanntschaft wieder, mit der ich umgehend wieder auf einer Wellenlänge lag (ich nenne ihn mal Mr. Nah).
Mit Mr. Nah verbrachte ich ziemlich bald eine Menge Zeit - wir gingen zusammen auf Veranstaltungen, trafen uns auf nen gemütliches Kalt- oder Heißgetränk der Wahl in Bars oder einfach mal zu Haus auf nette Gespräche und nen faulen Filmabend...
Auch hier stimmte sofort alles - ich lache sehr viel, verbringe eine super schöne Zeit und wir teilen sehr viele Interessen und Ansichten...
Und hier nimmt das ganze Dilemma seinen Lauf...
Trotz des immer wiederkehrenden Problems der Distanz, wo ich und Mr. Fern immer wieder merkten, dass ich hier einen viel stärkeres Bedürfnis habe und deutlich schwerer mit der permanten Trennung umgehen kann, hat er für mich mit der Weile einen Stellenwert erreicht, wo ich unheimlich viel draus mitnehme und es extrem genieße, sodass ich nicht mehr ohne weiteres darauf verzichten möchte - er ist für mich nicht einfach nur jemand, den ich x-beliebig austauschen könnte - eigentlich kann ich mir einen Umgang mit ihm gerade nicht mehr weg denken...
Doch diese fast permanente Distanz macht mir unheimlich zu schaffen - ich spüre dann eine Art Leere, wo auf einmal Mr. Fern diese ausfüllt - er ist für mich zu etwas Greifbaren geworden - jemand, mit dem ich sehr gern gemeinsam etwas unternehme, wo ich eine sehr unterhaltsame und angenehme Zeit verbringe... jemand, wo ich auch körperliche Zuneigung und Verlangen ausleben kann...
Mit Mr. Fern führe ich von Anfang an ein sehr vertrautes und offenes Verhältnis. Ich hab ihm bereits gesagt, dass Mr. Nah sich zu etwas entwickelt, was für mich genau diese Leere und Frustration und auch die geweckten Bedürfnisse und Wünsche über der Distanz ausfüllt.
Wir haben schon überlegt, welche Alternativen es wohl gibt, um mit der Distanz und den unerfüllten Bedürfnissen während der Abwesenheit zurecht zu kommen. Darüber kam ich kürzlich mit dem Prinzip der Polyamorie (Primary-Secondary-Model) auf.
Heute sagte mir Mr. Fern jedoch, dass er nach Näherem drüber Nachdenken, nicht damit umgehen kann und mit der Vorstellung, es gibt jemanden anderen, mit dem es Sex gibt, nicht zurecht kommt.
Er fragt sich, was er noch geben könnte, was nicht der "Secondary" erfüllt und ob dann nicht auch die Emotionen sich verschieben...
Ich selbst weiß nur, ich genieße gerade mit beiden den Kontakt gleichermaßen und es hat mir die letzten Wochen (bzw. Monate) sehr viel mitgegeben und mir wahnsinnig gut getan...
Und das erste mal bemerke ich, dass, auch wenn ich mich mit Mr. Nah körperlich einlasse, ich einfach emotional nicht behaupten kann, dass mir Mr. Fern deshalb weniger wert wäre und alles, was ich mit ihm teile, weniger wichtig ist, nur weil ich hier mit Mr. Nah ebenso etwas teile...
Das Schlimme ist, dass mir wirklich beide Seiten gerade sehr viel geben und mir sehr wichtig geworden sind... da zu entscheiden, dass es eine nicht mehr geben kann, fühlt sich für mich an, als würde ich ein Ganzes, das so, wie es ist, genau richtig ist, einfach zweiteilen...
Und ich glaube, dass ich bei einer Entscheidung für einen von Ihnen, es nicht mehr genauso erfüllend erleben würde. Jeder von Ihnen hat gerade einen ganz eigenen wichtigen Part eingenommen, der zusammen eben das Ganze ergibt und sich geradezu zu ergänzen scheint.
Würde ein Teil fehlen, käme wohl wieder eine Unzufriedenheit hervor, da es halt bestimmte Dinge gibt, die ein Mensch allein nie wird erfüllen können...
Ich merke immer mehr, wie sehr die Vorstellung einer monogamen Beziehung mir das Gefühl von Limitierung gibt und man versucht auf eine Person einfach sämtliche Bedürfnisse und Wünsche und Erwartungen zu fokussieren, was auch enorm Druck und Zwang ausübt - und es ist einfach so, dass KEIN MENSCH 100 % alles erfüllen kann.
Aber ich stehe nun da und weis nicht recht, wie ich mit meinen eigenen Gefühlen / Bedürfnissen umgehen soll - und noch weniger, wie ich diese vermitteln und verständlich machen kann... Mr. Nah ist dabei noch etwas außen vor, da er selbst kürzlich meinte, ein Nähe-Distanz-Problem zu haben und er denkt, mehr als Freundschaft+ / Affäre wäre von ihm aus nicht drin (obwohl ich in letzter Instanz auch nicht sicher bin, ob er mit dem Gedanken der Polyamorie wirklich zufrieden wäre, da er grundsätzlich im Herz den Wunsch hat mal eine feste Monogame Beziehung zu führen (ich weis nicht, ob er das auch auf mich beziehen würde, oder nur ganz allgemein).
Fühle mich gerade wirklich sehr hin und her gerissen... und muss mich selbst mit diesen neuen Gefühlen vertraut machen und gleichzeitig muss ich versuchen, diese jemanden anderen zu erklären und begreiflich zu machen...
Und dann frage ich mich wieder, ob ich das wirklich soll oder ob ich nicht nur einfach egoistisch bin und mich damit abfinden muss, dass die anderen dieses Konzept nicht fühlen können und es falsch ist, ihnen dies überhaupt vorzuschlagen und ich damit ja jemanden, der mir sehr wichtig ist, verletze und ich einfach eine konsequente Entscheidung treffen sollte - welche auch immer, da mir jede Variante ehrlich gesagt sehr weh tun würde und etwas sehr wichtiges fehlen würde...