Warum Polyamorie zu Promiskuität umgedeutet wird
Gerade habe ich wieder mal einen Blick in den Thread zu Polyamorie aus dem Liebe-und-Beziehung-Forum (Polyamorie) geworfen und eine Antwort geschrieben. Während des Schreibens kamen mir einige neue Gedanken, die ich gerne mit euch teilen und diskutieren würde. Ich setze den entsprechenden Teil des Posts einfach mal hier rein:[Beitrag Anfang]
mich stört nur das Viele polyamor immer nur mit Sex in Verbindung bringen.
Mich auch, und andere Polys wie Hexe_Aruna ebenso. Und das aus gutem Grund: Sex ist meistens Teil einer erwachsenen Liebesbeziehung und ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Freundschaft und einer Beziehung, aber diesen Unterschied nur auf Sex zu reduzieren ist hirnrissig. Insofern ist die Behauptung, es ging Polys vor allem um Sex, gleichwertig mit der Behauptung, es ginge in jeder Liebesbeziehung nur um Sex. Man kann diese Weltsicht natürlich haben, aber die meisten Leute würden da vehement widersprechen. Warum kommt so eine Aussage also überhaupt?Der Knackpunkt ist, dass sexuelles Begehren außerhalb einer bestehenden Beziehung etwas Wohlbekanntes ist: Jeder, der in unserer Kultur lebt, weiß, dass es so etwas gibt. Dass jemand, der in einer Beziehung ist, für eine weitere Person echte romantische/partnerschaftliche Liebe empfindet und nicht nur sexuelles Begehren, das ist ein in unserer Kultur wenig verbreiteter Gedanke. Vor allem kollidiert dieser Gedanke mit dem Ideal der romantischen Liebe, das in unserem Kulturkreis an allen Ecken und Enden verbreitet wird - nicht zuletzt in tausenden Filmschnulzen, Liedern und Kitschromanen, in denen alles auf magische Weise gut wird, sobald man nur den passenden Menschen trifft. (Und nebenbei bemerkt: Film- oder Buchromanzen verhalten sich zu Liebe in etwa so wie Pornos zu Sex.) Ganz abgesehen davon ist die lebenslange Monogamie auch noch das Ideal der Religion, die unseren Kulturraum über lange Zeit stark geprägt hat (oder Monogamie ist zumindest auf Platz 2 nach der lebenslangen Enthaltsamkeit).
Polyamorie verstößt damit gegen DAS dominierende Narrativ der partnerschaftlichen Liebe in unserer Gesellschaft. Natürlich stecken viele Menschen sie dann in das einzige ihnen bekannte Schema, das bei oberflächlicher Betrachtung zu passen scheint: sexuelles Begehren einer dritten Person. Um beispielhaft für viele Beiträge eine Aussage zu zitieren:
Das "Kind" muß aber einen Namen haben und da klingt es doch wesentlich besser, wenn gesagt wird man liebt mehrere, als das man sie nur für Sex begehrt......
Und natürlich gehen manche so weit, vehement abzulehnen, dass die Polyamorie etwas anderes ist oder auch nur sein kann als solch ein sexuelles Begehren - sie hat einfach keinen Platz in deren bekanntem Weltbild. Ohne damit jemandem zu nahe treten zu wollen: In dieser Hinsicht ähnelt diese Reaktion der Weigerung einiger fundamentalistischen Christen, Homosexualität (und auch Bisexualität) als etwas natürlich Vorkommendes zu akzeptieren, sondern es zur Erkrankung, zu teuflischem Einfluss oder etwas Ähnlichem umzudeuten. Letzteres ist offensichtlicher Unfug, weil Homosexualität so häufig aufzufinden ist. Ersteres ist auch Unfug, aber nicht ganz so offensichtlich, weil man Polyamorie eben deutlich seltener begegnet.[Beitrag Ende]
Was ist eure Meinung und/oder Erfahrung dazu, warum Polyamorie oft als Ausrede interpretiert wird, promiskuitiv zu sein?