Recherche versus Herzblut
Meine persönliche Meinung zu verschiedenen Threads in diesem Forum:
Bei schreibenden Berufen (Autoren und Journalisten in erster Linie) unterscheidet man:
1)
Recherche ist unbedingt notwendig, wenn man als Autor und Journalist über ein Thema schreiben will, das man nicht selbst kennt. Man ist zunächst auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen (welche positiv beeinflussen können oder auch negativ, welche falsch sein können, welche übertreiben oder untertreiben, welche selbst wiederum aus zweiter Hand sein können, usw).
Deshalb ist eine Recherche nach Quellen und weiteren Informationen sinnvoll bzw. notwendig.
In der heutigen schnelllebigen Zeit wird dies oft vernachlässigt - darunter leidet die Qualität der Artikel.
2) Herzblut
In Redaktionen wird meist vermieden (seitens der Chefredktion), dass Journalisten Artikel "in eigener Sache" verfassen. Weil sie emotional vorbelastet sind und deshalb sicherlich nicht mehr neutral berichten können.
Allerdings läßt man in bestimmten Fällen sogenannte "Herzblutartikel" ausdrücklich zu, weil gerade diese überaus authentisch sein können, wenngleich persönlich gefärbt.
Wichtig ist es dann aber auch, diesen Zusammenhang bzw. Hintergrund auch kenntlich zu machen !
Bei Autoren - also NICHT-Journalisten.
Also solchen, die authentisch sein wollen und dennoch einen gewissen Abstand haben wollen, der sie befähigt, sachlich zu schreiben ----
ist es meiner Meinung nach wichtig, sich sehr bewußt zu sein, in welcher Rolle man sich tatsächlich befindet. Und dieses auch kund zu tun.
Nur dann gelingt die Gratwanderung, einerseits sachlich zu schreiben, aber auch gleichzeitig "Insider" zu sein und genau zu wissen, wovon man schreibt.
Ein Günter Wallraff - man mag zu ihm stehen wie man will - hat immerhin eines versucht bzw. auch getan:
Er ist in die Rolle der Betroffenen geschlüpft - und hat DANN darüber aus eigener Efahrung berichtet.
Von jemandem, der über Polyamorie schreibt und damit auch "erfolgreich" sein will (mindestens in dem Sinne, dass polyamor lebende Menschen diesen Artikel auch ernst nehmen), sollte also wenigstens ein paar eigene Erfahrungen aus dem eigenen Umfeld mitbringen.
Man muss dazu nicht selbst polyamor leben - aber man sollte wenigstens im Freundeskreis solche Leute kennen und sich dem Thema wirklich ernsthaft widmen.
Alles andere ist - sorry - Bullshit.
Ob der vorliegende Artikel das ist, will ich nicht im geringsten behaupten. Das möge jeder Leser für sich selbst entscheiden.
Wohl aber kommt es hier im Poly-Forum immer wieder vor, dass auf Artikel oder Filme verlinkt wird, die einfach nur "bullshit" sind.
Wenn man persönlich eine solche "Einstufung" und "Bewertung" vornimmt, befindet man sich aber selbst wiederum in der Rolle eines "Urteilenden und Berichtenden". Darüber sollte man sich also auch im Klaren sein.
Steht es mir wirklich zu, einen Artikel als "bullshit" zu bezeichnen.
Was - bitteschön - versteht ein jeder hier von Autoren und Journalisten und den Gesetzen, die in Verlagen und Reaktionen herrschen? Mich selbst eingeschlossen ?
Dort geht es so manches mal einfach nur ums "Brotverdienen".
Dann heißt es so schön - nach Brecht: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral."
Termin steht bevor - wir gehen auf "Sendung" oder "der Artikel wird jetzt veröffentlicht."