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Ich verzweifle...

Schon am Ersterklärungsversuch von Polyamory scheitert der Brigitte-Artikel, weil er den katastrophalen Unsinn des Startabsatzes aus der Wikipedia zitiert.

Polyamory ist NICHT, "sich für eine verbindliche Beziehung mit mehr als einem Partner gleichzeitig zu entscheiden". Das ist nur das, was Themenfürsichinanspruchnehmer bei der Wikipedia neu definiert haben und immer wieder als angebliche Definition durchsetzen.

Polyamory ist nichts weiter als "mehr als einen lieben", unabhängig davon, ob das sexuell, emotional, spirituell oder eine andere Art bzw. eine Kombination mehrerer dieser Ebenen ist. Zitat aus der mehrere Jahrzehnte alten Erklärung der Polyamory-Gruppe im UseNet: "Polyamory means 'loving more than one'. This love may be sexual, emotional, spiritual, or any combination thereof, according to the desires and agreements of the individuals involved". Diese Quelle wird zwar im Poly-Artikel der Wikipedia auch unter den Top-3 genannt, ihr Inhalt aber immer wieder ignoriert.

Was heute als Polyamory propagiert und der breiten Bevölkerung als "gelebte Praxis" untergejubelt wird, ist ein Witz. Es ist nur eine ganz spezielle Art, mit Polyamory umzugehen. In meinen Augen ist es eine ganz spezielle Art, Polyamory zu verkomplizieren. Aber es ist eben nicht DAS Polyamory, genausowenig wie die kinderreiche Einfamilienhausidylle DAS ultimative Hetero-Erfolgskonzept ist.

Ich hab's bestimmt schon mal in einem anderen Strang geschrieben: Polyamory ist mit der oben genannten Ein-Satz-Beschreibung völlig ausreichend diskutiert. Der ganze darum herum gebastelte Müll, wie das Ganze in ein Leben mehrerer Beteiligter gepresst werden muss, ist nicht Polyamory, sondern nur die Entscheidung mancher Polys, wie sie ihre Lieben ausleben wollen.

Und nebenbei: Dieser ganze Wust darum unterscheidet sich nicht sonderlich von den Konzepten der freien Liebe, der offenen Beziehungen und ähnlichen Modellen. Liebevoll und emotional gehen viele Beteiligte auch in den anderen Formen miteinander um.

*********er64:
Wer polyamor lebt, weiß , dass ein einziger Mensch dauerhaft niemals all seine Bedürfnisse erfüllen kann (und liebt sie trotzdem *g*)
Das hängt davon ab, was ihr mit Bedürfnissen meint. Wer polyamor lebt, kann trotzdem feststellen, dass ein einziger Mensch dauerhaft alle beziehungsrelevanten Bedürfnisse (emotional und sexuell) erfüllen kann. Da hat der polyamore Mensch den Vorteil, zumindest die Alternative zu kennen. Wenn es euch also speziell darum geht, liegt ihr meines Erachtens ziemlich falsch.

Fasse ich den Begriff allerdings weiter, dann brauche ich natürlich auch gelebte Beziehungen zu anderen Menschen. Das ist aber kein Poly-Kriterium. Die meisten Menschen brauchen mehrere Freundschaften (= Beziehungen, aber nicht unbedingt zwingend Liebesbeziehungen), mit denen sie interagieren können und die ihre "Bedürfnisse" (z. B. auch sportlich, intellektuell, kulturell etc.) erfüllen.

Zurück zum Artikel: Über irgendwas muss ja berichtet werden. Warum nicht auch mal über Polyamory..? gähn

Gruß
Ch.
Nicht so streng...
@****nai:

Du hast in allen Punkten Recht. Was du vielleicht in diesem Moment vergessen hast ist folgendes Phänomen: Wenn man sich mit einem Thema lange auseinander setzt, hängt es einem irgendwann zum Hals heraus, es immer und immer wieder zu erklären.

In meiner beruflichen Praxis geht´s mir so, wenn ich Leuten immer wieder erkläre, was ein Bedürfnis ist. Ich denke dann:"Hey, das ist ein so alter Hut, das kannste echt nicht mehr bringen!" Aber für viele, für die meisten Leute ist das kein alter Hut. Sondern eine spektakuläre Neugigkeit. Wenn es dem Experten langweilig wird, stolpert die "breite Masse" zum ersten Mal darüber.

Der Brigitte-Artikel ist sicher nicht besonders tiefgründig und umfasst nicht die entscheidenden Facetten, nicht mal die Grundsätze. Aber ist es nicht immerhin ein Erfolg, dass darüber gesprochen wird? Je häufiger ein Thema angestoßen wird, desto mehr bleibt hängen. Irgendwann sagt der erste: "Von diesem Polydingsdazeug hab ich schonmal gehört!" und das ist dann schon viel mehr, als man vor zehn Jahren zu hoffen wagte.

Hab Geduld, bleib großzügig. Das wird schon! *troest*
********_fun Frau
287 Beiträge
Ich finde solche Artikel generell schlecht! Ich habe gerade das Buch "morethantwo" gelesen und kann es wärmstens allen empfehlen die a) Englisch können und b) mit dem Gedanken an Polyamorie spielen. Wer das Buch selbstkritisch und gründlich liest, dem beantwortet es viele Fragen gründlich.
Der häufigste Fall bei dem sich Leute für Polyamorie interessieren (vermutlich auch ausgelöst durch diese Artikel ist) der eines monogamen Paares, wo einer aus gegebenen Anlass auf den Begriff „Polyamorie“ stößt und dann wird mehr schlecht als recht debattiert und probiert und meist sind Schmerzen und Katastrophen die Folge.
Es wird versucht und zwar ohne echten Konsens (denn wenn der Partner Angst hat vor einem Verlust und sich nur deshalb dafür entscheidet - gibt es keinen echten Konsens und vermutlich auch keinen tiefen Willen zum Gelingen beizutragen!) Dann wird klar es funktioniert für die Partner nicht und eine Entscheidung steht an, meist (NRE *zwinker* ) für den neuen Partner (nach dem sie die „alten“ verzweifelt gequält haben, es dem anderen Recht zu machen). Und diese Geschichten sind häufiger als die Erfolgsgeschichten, viel häufiger!! Und weil das so ist, ist die Angst der monogamen Partner sehr real, viel realer als die Hoffnungen aller Leute in Langzeitbeziehungen, sie könnten alles haben - die alte Beziehung plus die Schmetterlinge. Und meist wird aus einem aktuellen Anlass (also verliebt in jemanden) auf die Option geschaut und das verengt den Blickwinkel ganz stark. Statistisch gesehen ist so das Risiko hoch, die Ehe zu ruinieren (einfach mal de Foren durchforsten)!

Ich sage nicht, dass Polyamorie eine schlechte Idee ist...aber man sollte sich das ganze vorher genau überlegen, Bücher lesen (möglichst praxisbezogene und nicht nur Propaganda) und zwar am besten, wenn man nicht verguckt ist in jemanden, sondern in einer emotional neutralen Situation.
Und sich auch die Fragen stellen: "wie sind meine Kommunikationsfähigkeiten (z.B. Gewaltfreie Kommunikation)? Frage ich nach dem was ich brauche (oder gebe ich Hinweise und hoffe mir wird jemand helfen) Kann ich integer und ehrlich sein auch, wenn es schwer wird? Bin ich direkt und weiß ich was ich möchte, kann ich gesunde Grenzen für mich ziehen (Boundaries ist ein besseres Wort, weil es mehr sagt) oder bin ich eher der passiv/aggressive Typ, wenn es mir schlecht geht? Habe ich ein Netzwerk, dass mich unterstützt oder muss alles heimlich sein? Bin ich sehr unabhängig und flexible oder mag ich lieber Sicherheit und will, dass sich nix gravierendes in meinem Leben ändert ?(außer natürlich für mich zum Guten)."
Polyamorie birgt Risiken, jeder neue Partner kann ein Game-Changer sein, also jemand der alles ändert (die Ideen oder "Regeln", die man so hatte)- einfach, weil der/die wichtige neue Partner ggf. einziehen möchte oder berufsbedingt wegzieht ...und der Kontakt aber so wichtig geworden ist. Oder weil die Person in ihrer "tollen, offenen oder spirituellen oder wie auch immer"Art den Partner dazu bewegt, die Welt und die eigenen Ziele mit anderen Augen zu sehen und neue Ziele zu verfolgen als die bisherigen (und ich meine nicht mal "ihn für sich will" und ich meine auch nicht, dass wenn so was passiert, es etwas Schlechtes sein muss.. )
"Habe ich eigentlich Zeit und Platz, den ich einer oder mehren Personen einräumen kann und will?" Es ist ein Haufen mehr Arbeit, mehr Kommunikation, mehr Kompromisse, mehr Konflikte - "haben wir beide den Willen und die Kraft dazu?"
Dazu gebe ich mal zu bedenken: es geht bei Polyamorie nicht in erster Linie um Liebe - es geht um ein Beziehungskonzept! Es geht um Prioritäten, persönliche Überzeugungen, Werte, Grenzen etc...

Denn Gefühle, Menschen und Beziehungen ändern sich und fließen - Polyamore Leute glauben letztlich, dass das so ganz gut ist und umarmen die Veränderung im Vertrauen auf die EIGENE Kraft. Das ist (für mich) der Kern der Polyamorie, das zu akzeptieren und es fließen und ggf. auch gehen zu lassen, denn die Beziehung dient dem Glück der Menschen in ihr und nicht die Menschen dienen der Beziehung!
Das ist ein guter Gedanke aber die meisten von uns sind mit anderen Werten erzogen, wie sind romantisch und glauben an "den richtigen für immer,"; zusammen alt werden ist DAS Ziel der meisten verheiratet überhaupt und in unserer Gesellschaft messen wir den Erfolg von Beziehungen an ihrer Dauer (Nicht am Glück darin)
Wer kann sich davon gänzlich frei machen? "Welche tiefen Überzeugungen und Wünsche habe ich an Liebe und Beziehung?" (Auch so eine wertvolle Frage)
Ich bin davon nicht frei! Mein Kopf versteht vieles aber die Gefühlswelt zieht nicht wirklich gleich
(So vieles hängt da dran, da kann man ganz tief in sich einsteigen und das ist wirklich ein Gewinn!)

Wer das alles hat, mit sich selbst im Reinen ist und eher eine hohe Autonome besitzt und flexibel in seinem Leben ist, für den ist Polyamorie sicher gut. Das trifft aber auf den größten Teil der Menschen meiner Beobachtung nach nicht zu. Es ist eher so ein typisches Mono-Ding...nach langer Partnerschaft, wird die Sicherheit geschätzt...aber es ist doch irgendwie doof auf das Kribbeln zu verzichten...dann die Brigitte in der Hand oder den Stern o.ä. und : "wow: Polyamorie - , eh Schatz, dass wäre doch toll, oder?"
Ich finde diesen Hype um Polyamorie und diese kurzen Artikel in Massenmedien geradezu gefährlich, denn es gaukelt den Leuten vor, sie könnten einfach alles haben ohne, dass sich etwas grundsätzlich verändert, ohne auf ihre Sicherheit zu verzichten... Und so gehen haufenweise Beziehungen in die Brüche. Nur wer gerade bedürftig ist und verliebt, der ist selten in der Lage sich wirklich kritisch auseinander zu setzten.
"Wasch mich - aber mach mich nicht nass" "Milch ohne Muh"-> funktioniert meist nicht
Nur mal so zum nachdenken! Besser vorher wirklich lange nachdenken...hinterher ist man schlauer und der Schade irreparabel.
LG Britta
Applaus! Applaus! Stempel drunter und dreimal unterstrichen. Ich gebe dir absolut recht. Polyamorie ist kein Spaziergang und keine Lösung für mies laufende Beziehungen. Sie legitimiert keine heimliche Außenbeziehung und sie macht niemanden frei, der nicht die Verpflichtung und das Recht zur Offenheit verspürt. Prozesse wie die, die in offenen Beziehungen angestoßen werden sind Schwerstarbeit und Polyamorie ist kein lockeres Lebensmodell für Schöngeister. JAWOHL!

Ich habe schon so viele Versionen von "Offener Beziehung/Polyamorie" gehört und 80% davon waren Euphemismen für faule Kompromisse und getarnte menschliche Katastrophen.

http://www.joyclub.de/my/homepage/3040222-194093.offene_beziehung_super_sache.html

Dennoch darf man über Polyamorie berichten. Auch, wenn´s blöd ist. Über alle sexuellen und sozialen Minderheiten wird auch alles mögliche geschrieben. Ob das sachlich richtig ist, fragt man sich oft. Aber wohlwollend sollte es sein. Das Thema in die Diskussion bringen. Darumgeht es doch (auch). In der ganzen Komplexität würden Brigitte-Leserinnen (ohne denen zu nahe treten zu wollen, die wollen eben mit der Lektüre unterhalten werden) das eh nicht erklärt haben wollen.
****ulf Mann
333 Beiträge
Man muss aber auch aufpassen, dass man die unterschiedlichen Bereiche nicht vermischt.
Polyamor zu leben ist eine Sache. Den Exklusivitätsanspruch in einer bestehenden Zweierbeziehung aufzubrechen, eine gänzlich andere.

Und es ist vor allem letzteres was sehr oft schief geht. Was nicht nur, aber sehr oft sicher auch daran liegt, dass es gerade dann versucht wird, wenn die Beziehung eh auf wackligen Beinen steht. So gesehen ist der Versuch des Wechsels wohl seltener eine Trennungsursache als ein Trennungkatalysator (bzw. ein letzter Strohhalm, der naturgemäss öfter bricht als rettet).

Und eine Beziehung ohne Exklusivitätsanspruch zu leben wird sicherlich einfacher, je "normaler" und gesellschaftlich akzeptabler es wird. Auf diese Weise tragen auch Artikel zweifelhafter Qualität dazu bei, die Misserfolgsrate in der Polyamorie zu mindern.

Unter diesen zwei Gesichtspunkten würde ich die von Britta genannte "Gefährlichkeit" dann doch wieder etwas relativiert sehen.
********_fun:
Wer das alles hat, mit sich selbst im Reinen ist und eher eine hohe Autonome besitzt und flexibel in seinem Leben ist, für den ist Polyamorie sicher gut.

Joa, da hast Du ja nun sehr schön (und in vielen Teilen auch in meinen Augen zutreffend) beschrieben, welche Anforderungen sich da stellen können.

Aber! - wer von uns macht denn einen "Beziehungs"-Führerschein, bevor er/sie Beziehungen eingeht? Du warnst zu Recht vor Theorielastigkeit (ok, ich mag Theorien *g* ), aber soll ich nun erst ein perfekter Poly werden, bevor ich Beziehungen eingehe? Und wie könnte ich das überhaupt werden ohne Beziehungserfahrungen - doch also theoretisch?

Einmal abgesehen davon, dass viele der von Dir richtig genannten Anforderungen an Beziehungspartner sicher auch monoamoren Beziehungen gut zu Gesicht stehen - ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns nicht wirklich aussuchen, in wen wir uns verlieben - wann und wie und bei wem uns also die Liebe trifft. Ich habe meine Lektionen in Polyamory genauso unfertig gelernt wie sicher die meisten hier - und lerne jeden Tag neu und weiter - und vor allem auch durch meine Fehler.

Für jemanden, der/die wie fast immer eben ungeplant in irgendwelche Gefühle und daraus resultierenden Beziehungsgeflechte hinein rutscht, kann so vieles hilfreich sein. Ein Bekannter, der von sich erzählt, eine Freundin, die geduldig zuhört, ein Wiki-Artikel, über den man stolpert - oder eben ein halbgarer Brigitte-Artikel, aus dem man sich zumindest einen Denkanstoß holt, weil er gerade passt.

Hören wir doch auf, gute Erkenntnisse als "reine Lehre" zu verkaufen oder zu fordern. Es gibt keinen "Polyamory-Führerschein" - genauso wenig wie es überhaupt Beziehungsführerscheine gibt. Ok, es gab ja mal "Ehe-Seminare" ... *lol*

erfahrungshungrig *g*
Joshi
*********er64 Paar
439 Beiträge
der richtige Zeitpunkt
ja wann ist er denn?

strictly_fun schreibt:

Und meist wird aus einem aktuellen Anlass (also verliebt in jemanden) auf die Option geschaut und das verengt den Blickwinkel ganz stark. Statistisch gesehen ist so das Risiko hoch, die Ehe zu ruinieren

Natürlich wäre es ideal wenn man, wie meine Frau und ich, sich gleich von Anfang an einvernehmlich für ein offenes Beziehungsmodell entscheidet (was aber zugegebenermaßen schon eine gewisse Lebens- und Beziehungsergfahrung voraussetzt, heute zumindest noch - und auch da bleibt die Frage wann, schon beim ersten Date oder erst wenn man verliebt ist...ist es da nicht schon zu spät? *zwinker*).
Die Realität sieht aber in 99% der Fälle so aus, dass die Partner erst das "Standartmodell" der Gesellschaft einschlagen um irgendwann dann festzustellen, dass sie diesem (und somit den eigenen Ansprüchen) nicht gerecht werden. Diese Erkenntnis entsteht selten im konstruktiven Dialog bei einem Glas guten Wein, sondern in der Regel wenn einer von beiden (mit oder ohne Wissen des Partners Fremdverliebt ist)...die Karre ist also bereits im Dreck! ...oder wie strictly_fun sagt: die Ehe ist, potentiell zumindest, ruiniert.

In dieser verfahrenen Situation kann ich nur diejenigen loben, die sich der Herausforderung stellen nach einer lebbaren Alternative zu suchen und einen schwierigen Dialog eingehen anstatt sich die Köpfe einzuschlagen. Es mag ja sein, dass nur ein Bruchteil es schaffen aus diesem Trümmerhaufen ihrer Beziehung eine offene und ehrliche Liebensweise zu erschaffen, aber zumindest ist bei vielen von ihnen schon einmal der Grundstein gelegt um in späteren Beziehungen nach Alternativen zu suchen.

Insofern: es ist sicher nicht der ideale Zeitpunkt, aber oft der beste der sich anbietet.
*********nchen Frau
5.062 Beiträge
Gruppen-Mod 
Die meisten Dinge im Leben passieren doch höchst selten zum richtigen Zeitpunkt und unter idealen Voraussetzungen.
Ich glaube, das wäre auch ziemlich langweilig...
Yep!
@ http://www.joyclub.de/my/2427691.der_joshi.html

Ich stimme dir zu. Wir gehen ohne Gebrauchsanleitung in diese Lebens- Liebesform. Niemand hat uns je auch nur beigebracht, dass es so etwas überhaupt gibt. Meine Kindheit jedenfalls war von rabenschwarzem, patriarchalen Monogamismus geprägt. Mit Betrug, Geheimnissen, allen denkbaren Klischees und weiteren unschönen Normalitäten.

An irgendeiner Stelle des Lebens kommt man dann auf die Idee (wenn man kreativ und mutig genug ist), dass es irgendwie anders gehen muss. Und dann geht man den ersten Schritt. In unbekanntem Terrain, ohne Landkarte, ohne Kompass. Schritt für Schritt. Fällt tierisch auf die Nase, holt sich blutige Schienbeine, verzweifelt manchmal, glaubt an gar nichts mehr, denkt, man wird wohl langsam komplett verrückt. Fragen kann man niemanden, weil kollektives "Selberschuld" als Antwort kommt, wenn nicht sogar "Igittigitt" oder "DASWÄRJANICHTSFÜRMICH!"

Wir sind auf der Suche nach alternativen Wegen ganz allein. Haben nur die Menschen, die wir treffen und lieben als Hilfe. Und manchmal dusselige Artikel in Frauenzeitschriften, die zwar nicht allzuviel Hilfe anbieten, aber wenigstens signalisieren, dann man weder ganz allein noch vollkommen plemplem zu sein scheint; immerhin gibts da ja noch andere Irre.

Statt uns gegenseitig vorzurechnen oder gar vorzuschreiben, wie es richtigerweise und ideologisch lupenrein mit der Polyamorie zu gehen hätte, sollten wir uns unterstützen und uns für die Schritte auf die Schulter klopfen, die wir bereits gegangen sind. Die sind, egal, wie stolperig, immer noch mutiger und ehrlicher als das Allermeiste, das z.B. ich in meinem Umfeld an Partnerschaft beobachte. Also für heute: Konfetti für alle hier! Ihr seid gut!
*********1_Fen Paar
1.253 Beiträge
Ihr seid gut!
hatte ich dir doch ganz am Anfang schon privat geschrieben! * Lach *zwinker*
****ulf Mann
333 Beiträge
das Schöne...
...am Fehlen einer Bedienungsanleitung
ist doch, dass man gar nicht erst in Versuchung kommt
sich unbesehen daran zu halten
*g*
********_fun Frau
287 Beiträge
Ja, mit vielen Eurer Aussagen habt ihr natürlich recht *zwinker* Nur es ging ja um den Artikel und ich finde diese arg verkürzten Darstellungen schlecht. Es stimmt natürlich, dass jeder Mensch Fehler macht ... Aber es gibt sie eben auch die guten Informationen, die einem helfen Fehler zu vermeiden oder auch nur zu einer besseren Einschätzung für sich zu kommen, was man will und was man dafür lernen muss und solche Artikel gehören nicht in die Kategorie *zwinker* Und zu der Bemerkung: "ich hab keinen Einfluß in wen ich mich verliebe" - ja, auch das ist wahr: für meine Gefühle bin ich nicht verantwortlich aber für meine Handlungen und Entscheidungen sehr wohl! Und deshalb und weil meine Handlungen und ggf. Fehler Auswirkungen auf meine Mitmenschen haben - habe ich auch die Pflicht mich der Verantwortung zu stellen, sprich mich zu bemühen, was gründliches Nachdenken und gute Vorinformationen einschließt. Wenn ich zum ersten Mal eine Bergtour mache, werde ich mich im eigenen Interesse versuchen bestmöglich vorzubereiten und das gilt für vieles andere auch... Ihr habt Recht für Beziehungen gibt es keinen Führerschein, dass heißt aber nicht das das gut ist. Ich finde je mehr Menschen betroffen sein können (und das ist ja bei Polyamorie der Gedanke) desto höher steigt die Verantwortung.
Und es war mir so als ginge es bei Polyamorie genau darum: mehr Verantwortung, für mich, meine Gefühle (Stichwort: Eifersucht), meine Werte, meine Beziehungen zu übernehmen.
Wenn es um Eifersucht, Ängst und Unsicherheiten geht z.B. herrscht in Polykreisen die Auffassung, dass Hilfe und Unterstützung gut sind - aber letztlich jeder selbst Verantwortlich ist an seinen Gefühlen zu arbeiten und nicht zu lasten Dritter agieren kann. Das Motto: Deine Gefühle sind ok, gehören zu Dir aber wie Du damit umgehst liegt in Deiner Verantwortung und es ist unethisch andere Menschen einzuschränken in ihrem Leben, damit Du Dich besser fühlst.
Korrigiert mich wenn ich da was falsch verstanden habe!
Dise Haltung ist verständlich. Nur: angewand auf andere Bereiche von Gefühlen ergibt sich folgendes: Du bist verliebt und das ist OK, aber für die Handlungen die Du deshalb machst, bist Du eben verantwortlich und die Handlungen sollten sich an der selben ETHIK messen lassen *zwinker*
Mir hat das Buch "more than two" deshalb so gut gefallen, weil es genau diese konsequente Ethik hat.
Und einen ethischen Kompass zu haben, bedeutet ja auch nicht, dass ich perfekt sein muss - ich soll mich aber bemühen und nicht ausweichen und rechtfertigen. Wenn ich Fehler mache, übernehme ich Verantwortung und entschuldige mich nicht nur sondern ich bemühe mich auch um Wiedergutmachung!
Alles andere ist unreif meiner Meinung nach. LG Britta
LG Britta
****ulf Mann
333 Beiträge
@****ta, grundsätzlich hast du Recht.

Ich würde das einfach noch ein wenig erweitern wollen und sagen: Jeder ist für seine Handlungen verantwortlich. Aber wir tun gut daran, nicht strikte darauf zu pochen.

Es ist ein wenig wie im Strassenverkehr. Wenn jeder nur versucht, die Regeln einzuhalten, dann kracht's andauernd. Weil Fehler nun mal gemacht werden. Drum ist es besser, nicht ungebremst in den Kerl reinzuknallen, der mir grad den Rechtsvortritt klaut, vielleicht weil er hundemüde ist, grad an seine Frau denkt, die ihn gestern verlassen hat, oder was auch immer.
Wir sind alle fehlbar (mit mir als Ausnahme zur Bestätigung der Regel, natürlich) und nicht immer in der Lage, so zu handeln, wie wir es sollten, selbst wenn wir es eigentlich wollen. Also wenn meine Herzdame gerade voll die Wolke7hellokittyphase schiebt und ihr die Hormone einhämmern, ihr Neuzugang sei Apollundiegesamtegriechischegötterweltinpersonalunion, und sie mich darob ein wenig vernachlässigt, dann ist das zwar nicht sooo toll, aber es dient letztlich allen, wenn ich ein wenig Verständnis aufzubringe, dass sie zwar immer noch für ihre Handlungen verantwortlich sein sollte, es aber gerade nicht so gut hinkriegt.

Grundsätze bergen immer die Gefahr, dass man sich zu sehr darauf beruft.
Also, nichts gegen Jederistfürseinhandelnverantwortlich.
Aber darob bitte nicht vergessen, das wir das dann doch nicht immer schaffen...
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