Labels, Labels, Konzepte, Konzepte
Oh heilige Frau Glücksfall,
Ich bin sicher kein Mono-Mensch. Aber auch kein Poly-Mensch.
Ich kenne das Gefühl auch (falls Du damit auch ein Gefühl beschreibst).
Wenn ich mich zuordnen
müsste, und ich einem unreflektierten Bauchimpuls nachginge, würde ich verkürzt - und damit auch ein wenig verfälscht - sagen: Ich bin für Mono(s) zu Poly und für Poly(s) zu Mono. Dabei passt es für mich, wie ich bin. Nur das Zuordnen wäre vielleicht etwas schwierig.
Das liegt vielleicht auch daran, dass beide "Labels" erst mal, wie ich vermute, gelegentlich verkürzt verstanden oder missverstanden werden (das bezieht sich nicht auf Dich).
Ein Missverständnis könnte sein: "Wer sich als Poly bezeichnet wird immer unzufrieden sein, wenn er/sie nicht mehrere Beziehungen gleichzeitig führt."
Ich trenne gerne zwischen einer polyamoren Beziehungsethik und dem tatsächlichen Führen mehrerer "Beziehungen" gleichzeitig. "Polyamore Beziehungsethik" heisst für mich u.a.: Es ist völlig in Ordnung, wenn man mehrere Beziehungen gleichzeitig führen will oder führt. Es heisst für mich nicht: Muss!
Auf die Frage: "Bin ich poly?" anworte ich derzeit: Ich bin (überzeugter) Anhänger einer polyamoren Beziehungsethik, wünsche mir derzeit "aber" eine Zweierbeziehung und eine eigene Familie. Da müssen von meiner Seite aus nicht unbedingt weitere Beziehungen dazukommen, können aber, wenn sich die Dinge so entwickeln sollten.
Und ich will mich nicht entscheiden (müssen). Oder gar über die Art definiert werden, wie oder mit wem oder wie vielen ich meine Beziehung lebe. Der zitierte Paartherapeut sagt sehr deutlich, dass jedes Liebespaar (und jede Liebeskonstellation) mit viel Mühe und Liebe ihr eigenes Beziehungskonzept stricken muss. Ich will mir da partout kein buntes Poly-Label einstricken (lassen).
Könnte man die dauernde Unterscheidung zwischen "Polys" und "Nichtpolys" nicht einfach mal weglassen? Man sagt ja auch nicht "Schwule" und "Nichtschwule" oder "Bisexuelle" oder "Nichtbisexuelle" oder "Vielsexhaber" und "Wenigsexhaber". Das sind Kategorien, die nie wirklich dauerhaft stimmen.
[...] Muss man immer unter einem Dach stehen, auf dem ein Schild prangt? Ich weiß nicht, wohin ich mit meiner Beziehungsform soll und will. Am liebsten würde ich sie einfach für mich selbst klären.
Da habe ich ein schönes Label für Dich
!
Du bist...
Trommelwirbel
Spannung steigt
Vorhang wird weggezogen
tada!
...Beziehungsanarchistin!
(Diese Labelung darf natürlich ohne Erlaubnis und ohne Begründung sofort abgelehnt werden)
Spass beiseite: Was Du schreibst ist fast schon in Reinform das Anliegen, das viele Anhänger der "Beziehungsanarchie" haben.
Lustig natürlich, dass es ein Label für ein Konzept gibt, dem Menschen anhängen, die Konzeptlabels für Beziehungen ablehnen... Von dem Wort "Anarchie" sollte man sich auch nicht abschrecken lassen (für mich klingt das immer nach einem Kampfbegriff mit dem ich selber so mein Unwohlsein habe). Letztlich handelt es sich um eine Sammlung lesens- und bedenkenswerter Ideen.
Ich könnte mir also vorstellen, dass Du Dich in einigen Grundgedanken der Beziehungsanarchie wiederfindest. Daher meine Leseempfehlung an Dich (und alle anderen, die das interessiert):
Das Relationship Anarchy Manifesto:
http://theanarchistlibrary.o … sto-for-relationship-anarchy
Auch nett: Kirstin Rohwers Illustration von Beziehungsmodellen (ganz unten kommt die Beziehungsanarchie):
http://beziehungsgarten.net/ … der-liebesbeziehungskonzepte
Und ein kurzer deutschsprachiger Text zu Beziehungsanarchie, der noch ein paar weitere Gedanken reinbringt:
http://mehrplatzfuerdieliebe … narchie-lieben-nach-dem.html