Größe ...oder Dummheit?
Zunächst einmal möchten wir uns für die zahlreichen und zumeist ausführlichen und in die Tiefe gehenden Beiträge bedanken.
Besonders hilfreich sind für mich (m) Schilderungen euer eigenen Geschichten und Befindlichkeiten und wie ihr damit umgeht. Was ich suche, ist Orientierung. Wie kann ich als Poly mit meinen Gefühlen, Wünschen, Träumen, Hoffnungen in der Realität umgehen, um selbst zufrieden zu sein und gleichzeitig das Seelenleben meiner Mono-Partnerin zu schonen. Klingt wie die Quadratur des Kreises, und einige Stimmen hier halten es schlicht für unmöglich. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Im Folgenden möchte ich (m) daher noch einige Beiträge (ab dem 29. Dez.) kommentieren, die mich besonders angesprochen oder nachdenklich gemacht haben.
@ Schatten11_Fen (29. Dezember 2015)
Jetzt gilt es, den Schmerz & die Verletztheit liebevoll, aber authentisch aufzuarbeiten!
Wieder Vertrauen aufzubauen...und in sich nachzufühlen, ob das "geht"...& ob man/frau es überhaupt WILL.
Das, denke ich, muss der erste Schritt sein. Aber es erscheint unendlich schwierig, weil die Seele meiner Partnerin schon Schaden genommen hat. Das In-sich-nachfühlen ist vorbelastet.
@ chennai (31. Dezember 2015)
(…) Erlaubt ist, wozu beide ihre Zustimmung geben. Meine Gefühle kann ich nicht steuern und meine Frau kann sie ebenso wenig steuern, erlauben oder verbieten. Welche Taten ich aber diesen Gefühlen folgen lasse, darf nicht ihren Wünschen zuwider laufen.
Chennai, dein Ansatz klingt gut, in der Theorie. Wenn die andere Person, die ich liebe, nichts von meiner Liebe weiß oder diese nicht erwidert, kann es auch in der Praxis funktionieren. Anderenfalls führt dein Lösungsansatz zu einem Dilemma. Wenn man liebt, will man doch dem geliebten Menschen nahe sein, physisch oder zumindest per Stimme oder Schrift, und man will seine Liebe zeigen dürfen. Wäre es nicht grausam gegen sich selbst, diese Wünsche zu unterdrücken? … und wenn man eine Zweite liebt, wäre man nicht ebenso verpflichtet, den Gefühlen Taten folgen zu lassen, die deren Wünschen nicht zuwider laufen? Oder stehen der anderen keine Ansprüche zu, weil sie in eine bestehende Beziehung „eingebrochen“ ist?
Wollte ich also eine zweite Liebesbeziehung aufbauen und meine Frau wäre dagegen, dann müsste ich mich entscheiden: für die neue Liebesbeziehung ohne meine Frau oder für meine Frau ohne die neue Liebesbeziehung.
Ich wüsste, wie ich mich entscheiden würde.
Auch ich wüsste das, darum kann und will ich mich nicht entscheiden. Es muss doch noch einen anderen Weg geben!?
@ twosouls79 (31. Dezember 2015)
Der Poly-fühlende Part hat es versäumt, den anderen "mitzunehmen", ihn/sie einzuweihen & sehen/spüren zu lassen, was sich dahinter eigentlich verbirgt.
..kann ich dem Schatten11 nur vehement zustimmen! Nur allgemein zwar, weil ich nicht weis inwiefern der TE tatsächlich seine Partnerin nicht von Anfang an eingeweiht hat.
Nein, sie war nicht von Anfang an eingeweiht. War alles heimlich … und sehr verletzend für sie, als es ans Tageslicht kam. Ob sie jetzt noch „mitgenommen“ werden will, wage ich zu bezweifeln?
(…) Bedenke dass (…) die Situation für deine Partnerin noch viel viel schwieriger sein wird, (…)
Bei dir wird es eine gehörige Portion Empathie benötigen. Nämlich einerseits ein Gespür dafür was du deiner Partnerin zumuten und wann du eine "Grenze" überschreiten kannst und andererseits wann du sie wie unterstützen musst.
Das gibt ein Stück Orientierung, und ich kann es versuchen.
@ ralfmaria57 (31. Dezember 2015)
Einer "poly", der andere "nicht poly" - ich bin der Auffassung, dass das dem Grundgedanken der Polyamorie widerspricht.
Leuchtet irgendwie ein. Aber hieße dies nicht, dass sich einer von beiden (in diesem Fall der Mono-Partner) von seiner Position verabschieden müsste, damit es funktioniert. Und widerspräche es nicht dem „
Grundgedanke der Liebe“, wenn der Poly dies von dem anderen verlangte? Also müsste der Poly verzichten (wie
@****nai vorschlägt) – und landet wieder in seinem persönlichen Dilemma.
@ chennai (1. Januar 2016)
(…) Polyamory ist für mich die Fähigkeit des Einzelnen, ein Mehrfachliebesgefühl zu erfahren/erleben. (…)
Diese Gefühle zu haben und sie offen und ehrlich zu kommunizieren, das ist für mich Polyamory. Was ich daraus mache finde ich dagegen völlig unpolyamorisch.
Auch dieser Standpunkt leuchtet mir ein. Aber gerade, „was ich daraus mache“, ist doch das Problem, ob ich das nun
polyamorisch oder
unpolyamorisch nenne.
@ maracuja (2. Januar 2016)
Und dass sich im Kontext der Vielliebe für die Betroffenen und Beteiligten im LEBEN eben immer wieder lauter Fragen stellen über das "wie gehe ich mit meinen/m vielen Lieben in meinem Leben um?" Ist für mich einfach nur selbstverständlich und logisch.
Danke! Genau darum geht es.
Wer will denn schon nur für sich allein im stillen Kämmerlein lieben?
Ich nicht! Das hieße nur Leiden.
@ FroileinWunder (2. Januar 2016)
(…) Entweder führte es zu einem tieferen Miteinander, tieferes Vertrauen, oder radikalen Ablehnung. Dazwischen ist doch nur Herumeierei mit dem niemand glücklich wird.
Ich hoffe sehr, dass das erstere eintritt. „
Herumeierei“, genau das ist es, was ich zurzeit empfinde – und meine Partnerin sicher auch
@ supermaus_63 (3. Januar 2016)
Jeder Mensch liebt und empfindet anders...
Das sehe ich auch so, und deshalb fürchte ich, dass wir Faufaudees niemals eine gemeinsame Basis – bezüglich
seiner Polyamorie-Wünsche und
ihrer Ablehnung derselben – finden werden.
[Ursachenforschung (meine Anm.)] ...ist ja hier nicht das Thema...sondern, wie die daran Beteiligten damit umgehen können...ohne sich selbst zu verlieren...oder Bestehendes aufzugeben...
Genau darum geht es uns!
(…) ...würde ich eine "Entweder oder Entscheidung“ (…) ...nicht als ein Zeichen tiefer Verbundenheit und Liebe sehen...
Das sehe ich auch so, aber ebenso wenig wäre es Liebe, wenn ich mein Ding ohne Rücksicht auf meine Partnerin durchzöge.
@ Neunwellen (4. Januar 2016)
Und darum geht es in diesen Thread
Wie schafft man es selber sein poly auszuleben wenn man mit einem monogam fühlenden Menschen zusammenlebt.
GENAU!
Wie kann dieses Beziehungskonstrukt aufgebrochen werden ohne lediglich verbrannte Erde zurückzulassen.
GENAU! Und dein Beitrag von Seite 1 war hilfreich, zumindest für mich.
@ themisabeth (4. Januar 2016)
Meiner Meinung nach ist Unterstützung von außen (Moderation, Mediation) bei solchen Gesprächen hilfreich, (…)
Ja! …und wir holen uns auch professionelle Hilfe.
@ Lateral4 (4. Januar 2016)
Und ja klar, wenn man schwimmt, weil das was einen getragen hat einfach nicht mehr trägt, dann sehnt man sich nach etwas, das Sicherheit verspricht.
Wie wahr!
es sind echt tolle Beiträge dabei, (…)
Habe ich auch so empfunden.
@ themisabeth
(…) möchte ich noch sagen, dass ich persönlich die Beiträge am hilfreichsten finde, die wirklich aus der eigenen Erfahrung schöpfen (…)
Ging mir genauso.
@ strictly_fun
(…) Das Buch "More than Two" ist nach meiner Meinung das Beste zum Thema (…)
Danke für die Bewertung; ich lese das Buch gerade.
(…) Wofür - für welches Ziel: das sollte jeder von Euch erst einmal einzeln und dann im Austausch versuchen zu klären (ohne positives Ziel...wird es garantiert scheitern!).
Danke noch einmal – das ist mit Sicherheit eine ganz wichtige Frage.
(…) wenn ihr es nicht schafft und scheitert... (…), wie viel schlimmer wird es sein sich zu trennen?
Trennung ist keine Option für uns. Wir würden halt beide weiter zusammen leben, und eine/r oder beide von uns würden nicht wirklich glücklich sein. Sehr viel Lebenszeit haben wir ja nicht mehr vor uns, zumindest ich (m) nicht. Es gibt auch andere Dinge, die das Leben – besonders im Alter – schwierig machen.
C’est la vie, …und wir sind nur „
Menschen, paradox und voller Widersprüche... “, wie du sehr richtig anmerkst
@ KKMK
Denn ich habe lernen dürfen, dass ich in erster Linie nur mir selbst zur Treue verpflichtet bin.
Nur dann bin und bleibe ich authentisch und liebens-wert...
Das ist sicher richtig; aber ich gebe zu bedenken, dass ich nicht nur geliebt werden, also liebens-wert sein möchte, sondern auch liebe. Und wenn ich liebe, will ich, dass es den von mir geliebten Menschen gut geht. Ich kann noch so
authentisch sein, wenn mein Verhalten den/die Partner/in unglücklich macht, stimmt etwas mit meiner Liebe nicht.
Das bringt mich am Schluss zu der grundsätzlichen Frage:
Kann Polyamorie als gelebtes Beziehungsmodell überhaupt existieren, wenn einer der Beteiligten monoamor empfindet und auf Exklusivität (emotional u./o. sexuell) nicht verzichten kann (aus was für Gründen auch immer), ohne unglücklich zu werden? In diesem Thread wurde es schon wiederholt bezweifelt. Ein wichtiger Aspekt, wenn nicht sogar der wichtigste, ist ja, dass alle Beteiligten in diese Lebensform einwilligen. Hieße das dann nicht, dass der polyamor empfindende Partner sich für alle Zeiten von der Aussicht auf gelebte Mehrfachliebe und der damit verbundenen Lebensqualität verabschieden müsste? Denn wenn er liebt (was er ja tut, denn
ohne Liebe auch keine
Mehrfachliebe), muss sein Ziel sein, den/die Partner/in glücklich zu machen.
Wenn also der Mono-Partner mit den Poly-Ambitionen des anderen nicht klar kommt und dieser aus Liebe zu dem Mono-Partner auf gelebte Mehrfachliebe verzichtet, zeugt das dann von
Größe? … oder von
Dummheit?
Er könnte ja, wie dies noch immer millionenfache Standardpraxis ist, in die Heimlichkeit gehen, oder?
Bitte versteht mich nicht falsch. Ich weiß, dass Ehrlichkeit und Offenheit unverzichtbare Grundpfeiler der gelebten Polyamorie sind, und ich will auch bei mir das Rad nicht zurückdrehen. Diese – vielleicht etwas provozierende – Frage stelle ich nur, weil Verschweigen die einzige praktikable Alternative zum Verzicht zu sein scheint, wenn man mehrfach lieben, aber den Mono-Partner nicht darunter leiden lassen will.
Liebe Grüße
Faufaudee (er)
P.S.: Faufaudee (sie) hat diesen Beitrag vor dem Posten gelesen. Sie ist nicht mit allem einverstanden, sieht diesen Text daher als persönliche Ansicht von ihm.